Artus – ExcaliburTheater St. Gallen
Samstag, 01.11.2014, 19.30 UhrAm Samstag Abend um 22 Uhr wusste ich, warum ich die 10 Stunden Zugfahrt pro Richtung auf mich nahm: Das Musical ist einfach toll! Endlich wieder ein handwerklich gut gemachten Stück, dass mich berührt und (fast) rundum überzeugt!
Einiges der Musik kannte ich von der CD. Zum Teil ziehen sie sich auch als Thema durch das Stück. So darf z.B. Artus in beiden Akten grübeln, was wohl ein König tut. Entsprechend der Situation wird halt das gleiche musikalische Thema benutzt, wobei sich der Text natürlich unterscheidet. Morganas Auftritte sind oft mit ihrem Thema als Hintergrundmusik untermalt, weswegen man sofort mit ihr die gefährliche Stimmung assoziiert. Dadurch wirken die Melodien einfach logisch und stimmig an ihren Stellen. Trotz so vorhandener Wiederholungen gibt es keinen „schon wieder das Lied“-Effekt. Von der Musik her ist das Stück absolut stimmig.
Die Struktur des ganzen Musicals ist wie ein Fluss. Alles geht ineinander über. Szenenwechsel geschehen fließend, indem z.B. die nächste Person, oft Merlin, während des Umbaus bereits auf die Bühne kommt und die nächste Szene ansingt. Teilweise verändert sich die Kulisse auch auf „sein Zeichen“. So kommt es zu ganzen Blöcken, zwischen denen es keine Pause zum Applaudieren gibt. Auch in den Szenen gehen die Übergänge fließend. Da spricht die eine Rolle zur Hintergrundmusik und die andere Rolle antwortet ganz natürlich mit der ersten Strophe. Da wirkt nichts gekünzelt oder so platziert, dass jemand doch mal wieder singen muss. Alles läuft wie selbstverständlich.
Und sehr schön ist natürlich der Einsatz eines richtigen Orchesters. Da es nicht zum Schlussapplaus auf die Bühne kam, nur der Dirigent, und ich den Orchestergraben nicht voll einsehen konnte, weiß ich nicht, wie groß das Orchester war. Aber ca. 22 Stühle waren da...
Der gezeigte Ausschnitt aus der Artus-Saga ist schon recht kompakt gehalten. Wer die Sage kennt, wird einiges nur angedeutet sehen, wie z.B. die Liebesnacht zwischen Artus und Morgana oder die Geschichte rund um den See und seiner Herrin. Wer die Sage nicht kennt, dem wird die Geschichte trotzdem logisch vorkommen. Am Ende habe ich auch verstanden, warum Artus nicht stirb. Denn wie die Geschichte aus geht, wird bewusst offen gehalten. Ob die Tafelrunde wieder ersteht, Artus der großartige Herrscher wird oder das Reich (wieder) zerfällt, wird gar nicht beantwortet. Das Musical endet mit dem Tod von Lancelot und der neu aufkeimenden Liebe zwischen Artus und Guinevere. Damit stellt sie einen Kreislauf dar, denn wir sind am Ende dort, wo wir am Anfang auch waren (Schlachtfeld und dann erste zarte Bande der zwei). Auch das wirkt in der Vorstellung einfach logisch.
Was nicht so logisch wirken, sind manche Kostüme. Meist sind sie historisch angelegt. Warum aber besonders Artus und Lancelot, wenn sie nicht in der Rüstung rumlaufen, mit schwarzer Jeans und weißem Hemd erscheinen, erschließt sich mir nicht. Auch die „Zivil“-Kleidung hätte gerne mal historisch ausfallen dürfen. Die historisch gestalteten Kostüme sehen jedenfalls gut aus.
Die Kulisse nutzt feste Wände mit Türen und Aussparungen in Kreuzform, die verschiedene Räume darstellen können (Kloster, Schloss), Elemente vom Schnürboden (weitere Wände, diverse Bäume, die je nach Jahreszeit farblich passend gestaltet sind und etwas anders stehen), Versatzstücke, die rein getragen werden (Bett, Tisch, Laborzubehör) und Projektionen.
Letztere dienen auch als ergänzender Hintergrund. Z.B. Camelot als Ruine – Schön als Merlin meinte, sie ständen schon mittendrin und man sah hinten die Mauerreste. Der Wiederaufbau erfolgte dann durch Hereinfahren der weiteren Wand und später des Inventars. Mit den Projektionen werden auch die Visionen dargestellt, mit denen Merlin oder Morgana ihr Wissen mitteilen. Nur die erste Vision, in der Merlin dem Artus seine wahre Familie und Herkunft vorstellt, wird im Nebel von Darstellern gespielt.
Beeindruckend sind die Kampfszenen, in denen Speere und Schwerter zum Einsatz kommen und es mächtig auf der Bühne knallt. Da kämpft plötzlich einer gegen drei, oder zwei wechseln die Positionen und somit Gegner. Die Darsteller tragen hier keine als Kostüm getarnte Schutzkleidung wie Lederjacken, so dass die „Treffer“ wirklich gut geführt werden müssen, um keinen zu verletzen. Die Kampfchoreografien sind wirklich sehr gut gelungen. In der letzten großen Kampfszene funktioniert es wirklich, dass Lancelot plötzlich vorne mitkämpft und man sich fragt, woher er plötzlich kommt. Er muss einmal quer über die Bühne gelaufen sein, aber wenn man nicht bewusst darauf achtet, bemerkt man ihn dabei nicht. Wunderbar!
Faszinierend ist noch die Rolle des Merlins. Er agiert auf zwei Ebenen, denn manchmal fungiert er auch etwas als Erzähler bzw. Steuerer der Geschichte. Er hat öfter Szenenübergänge zu bewältigen, bei denen er erstmal in Richtung Publikum singt, bis dann die anderen Rollen einsteigen. Wie oben bereits geschrieben, reagiert auch mal die Kulisse auf ihn. Durch sein stetiges Hinweisen, wofür die anderen, besonders Artus, vorbestimmt sind, leitet er auch diese in ihrem Tun an. Dabei ist seine Sprache durchaus nebulös („Doch die Nebel sind unruhig.“), nur in sehr brenzligen Situationen spricht er direkt. Wer er ist, ob er ein Mensch, ein Zauberer oder nicht von dieser Welt ist, bleibt unklar. Anfangs wird Artus vor ihm gewarnt: „Er ist ein Merlin!“ Erst im Laufe der Szene wechselt durch Artus die Anrede von „der Merlin“ zu „Merlin“. Wohin er am Ende verschwindet, bleibt auch mysteriös.
Die Besetzung:Artus: Patrick StankeEr hat alle Facetten der Rolle sehr überzeugend dargestellt und auch die Übergänge dazwischen, also die Entwicklung des Charakters nachvollziehbar gemacht. Und da ist so einiges, was die Rolle beinhaltet: zuerst der zaudernde, einfache Mann, der sich nicht für einen König hält, dann die Verliebtheit, der Mut als König voran zu gehen, die Rache und blinde Wut, Enttäuschung, neue Zweifel, Versagensängste und Verzweiflung...
Guinevere: Annemieke van DamLiedtechnisch hat sie die hübschen Balladen zu singen, was ihr problemlos und überzeugend gelingt. Auch ihre Rollenentwicklung ist von ihr wunderbar klar dargestellt. Zu schön war der Moment, als sie Lancelot für die Liebe zu seinem König und für... sie lobt, ohne seine Gefühle wirklich zu verstehen. Der Moment hätte glatt Szenenaplaus bekommen, hätte man nur klatschen können...
Merlin: Thomas BorchertIhm gelingt es beeindruckend, alle Ebenen der Rolle auszufüllen und wie ein Ganzes wirken zu lassen. Dabei wirkt er schnell vertraut und bleibt doch geheimnisvoll. Nicht umsonst bekam er mithin den lautesten Applaus, das war echt verdient! Hut ab!
Morgana: Sabrina WeckerlinSie ist die einzige im gesamten Ensemble, bei der ich etwas kritisch bin. Sie hat beeindruckend gespielt und diese hasserfüllte sowie verführerische und taktierende Rolle bestens dargestellt. Leider ist bei ihrem Gesang zu oft die Verständlichkeit auf der Strecke geblieben. Ich habe bei fast jedem ihrer Gesangspartien dort gesessen und mich immer wieder gefragt, was sie gerade gesagt hatte. Schade, denn schauspielerisch war sie echt top.
Lancelot: Mark SeibertSo einen „Bruder“ an meiner Seite, auf den man sich derart verlassen kann, hätte ich auch gerne. Aber nicht nur die verlässliche, sichere Seite, auch die Zweifel, der Liebeskummer, alles wurde von ihm so intensiv dargestellt, dass man mitleiden musste. Entsprechend war er der zweite mit dem meisten Applaus, auch hier mehr als verdient!
Ector: Alexander BellinkxEin wunderschön liebevoller Vater, dem es sehr schwer fiel, die Wahrheit über seinen „Sohn“ Artus zu sagen. Als Ritter wollte er seinen König beschützen wie seinen eigenen Sohn. Die Beziehung zwischen Artus und ihm ist sehr schön dargestellt.
Loth von Orkney Robert JohanssonEr stellt den Fiesling des Stücks dar, und das sehr überzeugend. Optisch allein durch die Größe schon beeindruckend, unterstützt durch Kostüme, Makeup, passender Stimme und rauem Auftreten, ergibt sich ein nachvollziehbares Rollenportrait, das trotz allen Hasses nicht negativ rüber kommt. Sehr schön!
Sir Gareth: Kevin FosterAls schmieriger und hassender Anhänger Loths gerät er mehrfach zwischen die Fronten, wobei er trotz wiederholter Gnade so verbohrt bleibt. Herrlich fies.
Oberin: Colleen BesettSie hat in der Rolle gerade mal den Anfang der Klosterszene zu spielen, in der Morgana erscheint und deren bisheriges Leben kurz erklärt wird. Viel mehr, als gottesfürchtig vor Morganas schwarzer Magie zu flüchten, bleibt ihr nicht.
Lucan: Gero Wendorff„Er war noch so jung, fast noch ein Kind“ merkt Guinevere nach seinem Tod an, und das stimmt. Er wirkte wirklich wieder lockere, etwas naive Jüngling, heute würde man wohl Teeny sagen. „Dank“ seines frühen Todes hat er in der Rolle nicht viel zu erleben.
Priester: Marc LambertyWarum diese Rolle fast zuletzt aufgeführt wird, verstehe ich nicht so ganz. Auch wenn sie nicht viel zu sagen hat, so taucht er doch immer wieder auf. Er krönt Artus zum König, verheiratet ihn mit Guinevere, erklärt Excalibur zum Zeichen Gottes, segnet die Gefallenen... Vom Umfang der Tätigkeiten her ist die Rolle häufiger zu erleben als die Oberin und Lucan. Ok, er hat keine eigene Szene, singt gerade mal in der Eröffnungsnummer zwei Zeilen solo und sonst mit dem Ensemble. Aber für mich war er präsent genug, um ihn immer wieder zu entdecken...
Igraine: Jeannine Michele Wacker
Uther Pendragon: Rupert MarkthalerDie beiden spielen die Rollen genau in einer Szene und dann noch im Nebel. Viel ist also von ihnen dabei nicht zu sehen, daher kann ich dazu auch nichts weiteres sagen.
Ensemble:Tristan Adams, Alexander Bellinkx, Colleen Besett, Amélie Dobler, Kevin Foster, Robert Johansson, Samuel Tobias Klauser, Marc Lamberty, Richard Leggett, Rupert Markthaler, Marle Martens, Stéphanie Signer, Ariane Swoboda, Jeannine Michele Wacker, Gero Wendorff
Egal, ob Frauen mit Mützen, um die Haare zu verstecken, als Soldaten bzw. Feinde mitkämpften, mittelalterliche Tänze auf der Hochzeit tanzten, das mutlose Volk darstellten, aufstrebende Ritter, die König werden wollen oder gefallene bzw. verwundete Kämpfer darstellten, es passte alles.
Entsprechend bombastisch war auch die Stimmung im fast ausverkauften Theater (ein paar letzte Plätze gaaaanz hinten waren wohl noch frei). Ich habe es selten erlebt, dass ein Publikum dermaßen schnell von den Sitzen aufsprang! Kaum dass sich der Vorhang zum Schlussapplaus hob, standen die ersten Leute. Als der Vorhang oben war und sich das Ensemble verbeugte, standen alle! Dafür war der Ablauf aber sehr kurz: dreimal verbeugen, davon einmal mit Musik passend zur Rolle, einmal Applaus für Dirigent und Orchester, nochmal winken und der Vorhang war wieder zu. Schade. Der Stimmung im Publikum nach hätte es locker noch 3 weitere Vorhänge gegeben. Naja, da das Stück wirklich genau um 22 Uhr endete, sind hier wohl auch die drohenden Nachtzuschläge schuld...
So, und jetzt träume ich davon, dass es ein Theater in Deutschland gibt, das dieses Musical auch aufführen wird. Eine etwas kürzere Anreise als bis nach St. Gallen fände ich persönlich durchaus reizvoll. Mein Girokonto würde sich über meine Dauerbesuche dann wohl weniger freuen. Ich persönlich kann mir das Musical auch sehr gut in Tecklenburg vorstellen! Naja, man wird ja wohl noch träumen dürfen...
Eine Anmerkung zum Programmheft (oder auch zwei): Schön finde ich die Idee, im Begleitheft mit den Biografien alle Darsteller mit gleicher Schrift- bzw. Fotogröße abzubilden. Und um „Rangordnungen“ ganz zu vermeiden, werden alle unabhängig von ihrer Rolle in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Das finde ich gut. Positiv finde ich auch, dass die seitenweise Werbung im Hauptheft genau mittig eingeheftet wurde. So kann man, wenn sie stört, die Seiten sogar entfernen, ohne das Programmheft zu zerstören. Und immerhin machen die Werbe-Seiten 1/3 des Heftes aus! Also da hat mal jemand praktisch gedacht...