![Wink ;)](./images/smilies/icon/wink.gif)
Am Samstagmorgen des letzten Ferienwochenendes stieg ich mit einem etwas mulmigen Gefühl in den Zug, der mich nach Berlin bringen sollte. Ich hatte Leon am Vorabend eine Sms geschrieben, in der ich ihm die Ankunft meines Zuges mitgeteilt hatte. Eine Antwort, ob er mich abholen würde, hatte ich allerdings nicht erhalten.
Die lange Zugfahrt vertrieb ich mir mit einem Buch über die Kaiserin Elisabeth. Ich war sehr gespannt auf das Stück und natürlich auch auf Leon als Kronprinzen. Schon am Abend war die Premiere. Dass ich nicht schon am Vortag gefahren war, lag daran, dass Leon noch Proben hatte, worauf dann die Derniere der alten Cast folgte.
Ich schaute immer wieder auf den Fahrplan, den ich mir ausgedruckt hatte, da ich mich auf dieser Strecke noch nicht auskannte. Dann endlich kam die Haltestelle, an der ich aussteigen sollte. Ein letzter Blick zurück versicherte, dass ich nichts im Zug hatte liegen lassen. Mit klopfendem Herzen stieg ich aus.
Meine Augen suchten sofort nach Leon, aber ich konnte ihn unter den vielen Leuten am Bahnsteig nicht erkennen. Ich konnte zahlreiche freudige Widersehen beobachten, was mir nur noch mehr einen Stich gab. Ich hatte mir während der Fahrt immer wieder ausgemalt wie es werden würde, wenn ich auf Leon treffen würde oder was ich machen würde, wenn er nicht kommen würde, aber letztendlich überforderte mich die Situation trotzdem.
Ein dicker Kloß in meinem Hals war zu spüren als ich orientierungslos durch den Bahnhof lief. Nach einer gefühlten Ewigkeit fand ich den Weg nach draußen. Es war ein angenehmer spätsommerlicher Nachmittag. Ich setzte mich auf eine Bank vor der Bahnhofshalle und überlegte was ich wohl tun würde.
Wo sollte ich hin? Zum Theater? Da würde man mich wohl kaum mit Koffer hineinlassen. Zu Leon nach Hause? Aber was wenn er nicht dort war?
Während ich so überlegte, hörte ich plötzlich eine bekannte Stimme: „Nora?“ Ich blickte auf. „Leon!“, stieß ich hervor. Er war also doch gekommen.
Ich erhob mich von der Bank und wir schauten uns an, unschlüssig was wir tun sollten. „Schön, dass du gekommen bist.“, flüsterte er. Ich nickte nur.
Ein kurzes Schweigen trat ein. Dieses wurde abermals von Leon unterbrochen: „Wir müssen los. Mein Wagen steht da drüben.“ Er deutete über den Parkplatz. Er nahm mir meinen Koffer ab und wir machten uns auf den Weg. „Wie war die Zugfahrt?“, wollte er nun von mir wissen, als gäbe es nichts anderes zu bereden. „Gut.“, entgegnete ich. „Allerdings ziemlich lang.“ Diesmal war er es, der nickte.
„Freust du dich auf die Premiere?“, wollte ich wissen, wobei ich wohl auch nur nach einem Gesprächsthema suchte. „Ja schon“, gab er zurück. „aber ich hab auch eine ganze Menge Lampenfieber.“
Die Fahrt durch Berlin machte mir nicht besonders viel Spaß. In solchen großen Städten war man mit dem Auto nicht sonderlich gut bedient. „Wir können übrigens vor der Show nicht mehr zu mir nach Hause, das würde zu lange dauern.“, informierte er mich irgendwann. „Aha. Aber irgendwas zu essen kann ich vor der Show noch bekommen, oder?“, fragte ich, da mein Magen nun langsam vermeldete Hunger zu haben. „Ähm, ja. Im Theater gibt es eine Kantine.“, war seine knappe Antwort. Abermals nickte ich. Die restliche Fahrt verlief schweigend. Die letzten Wochen standen doch deutlicher zwischen uns als ich es gedacht hätte.
Im Theater angekommen, merkte man die angespannte Stimmung eindeutig. Als wir auf die Stage Door zugegangen waren, hatte Leon demonstrativ nach meiner Hand gegriffen. Ich hatte mich gefreut, dass er öffentlich zeigte, dass wir noch zusammengehörten, aber es fühlte sich irgendwie komisch an. Mich durchströmte nicht mehr dieses warme Gefühl seiner Nähe.
Auf den Weg zur Kantine stellte er mir ein paar Leute vor, bei denen ich allerdings das Gefühl hatte, dass es sie nicht weiter interessierte wer ich war. Als wir in der Kantine waren, brachte Leon mir etwas zu essen und setzte sich zu mir. „Ich kann grade nichts essen.“, kommentierte er.
Ich hatte gerade angefangen zu essen, da kam schon wieder jemand auf Leon zu und meinte, dass er nach oben kommen solle. Er schaute mich an und meinte: „Ich komme gleich wieder, es dauert nicht lange.“
Da saß ich nun alleingelassen in der Kantine des Berliner Theaters, das ich gar nicht kannte. Ich fühlte mich nicht wohl in meiner Haut. Ich hatte schon längst aufgegessen als Leon völlig gestresst zurück kam.
„Du kannst dich in meiner Umkleide fertigmachen.“, erklärte er mir auf dem Weg durch das Theater. Gesagt, getan. Ich hatte mir wieder ein Kleid von Svenja geliehen, da meine eigene Garderobe noch immer nichts Passendes für solche Anlässe hergab.
„Du siehst toll aus.“, sagte Leon als er mich sah und gab mir vorsichtig einen Kuss. „Du kannst schon nach vorne ins Foyer gehen. Ich weiß, es ist noch ein wenig hin bis zur Show, aber ich muss mich jetzt auch fertig machen.“, erklärte er mir die Situation. Ich nickte.
Die Zeit bis zur Show zog sich wie Kaugummi in die Länge und ich kam mir überflüssig vor wie ich da zwischen den sich unterhaltenden Gästen allein im Foyer rumstand. Am liebsten wäre ich im Boden versunken.
Die Show war klasse. Allerdings musste ich viel zu lange warten bis ich Leon endlich auf der Bühne sehen durfte. So ganz war er meiner Meinung nach noch nicht in die Rolle hineingewachsen, aber er machte es für die erste Show echt gut. Die drei Stunden waren allerdings auch das schönste an dem ganzen Tag.
Auf der After-Show-Party fühlte ich mich wie ein Anhängsel, dem keinerlei Beachtung geschenkt wird. Leon unterhielt sich hier und dort, ich stand stumm daneben und versuchte zu lächeln. Ich fühlte mich nur noch überflüssiger, es war das absolute Gegenteil zur Premiere in Essen im vergangenen Jahr. Irgendwann zog ich mich zurück und wartete auf einem Sofa in der Ecke bis Leon soweit war und wir in seine Wohnung fuhren.
„Das war wirklich ein schöner Abend.“, begann er als wir angekommen waren. Ich nickte.
Als ich mich in der Wohnung umschaute, bemerkte ich wie viel kleiner sie war. Eine Wohnküche und ein kleines Schlafzimmer waren vorhanden. „Die neue Wohnung ist nicht besonders groß.“, bemerkte ich. „Nein, aber sie reicht mir. Was Größeres ist in Berlin kaum bezahlbar.“, war seine Antwort. So war das also, dabei waren wir schon eine ganze Ecke weiter hinaus gefahren.
„Ich bin müde.“, erklärte ich ihm. „Schade, ich dachte wir setzen uns noch ein wenig gemütlich aufs Sofa und erörtern die Show.“, legte er seinen Plan dar.
Er hatte scheinbar nicht bemerkt wie es mir während des ganzen Abends ergangen war.