Danke für eure Kommentare, schön, dass du noch mitliest, armandine „Ihr wart großartig!“ – „Tolle Show.“ – „Warum hast du dich eigentlich so verrückt gemacht, du warst super!“ Wir redeten alle drei gleichzeitig auf Svenja ein, als wir sie auf der Premierenfeier in die Arme schlossen.
„Danke. Ihr seid so lieb!“, brachte sie hervor und ich sah wie ihre Augen vor Rührung glitzerten.
Nachdem Svenja mir jeden noch so kleinen Fehler, den sie glaubte gemacht zu haben, berichtet hatte, beruhigte ich sie, dass man nichts von alledem gemerkt hatte.
Danach machte ich mich auf den Weg durch die Menge, um den anderen Casties zur gelungenen Premiere zu gratulieren. „Mensch, Nora. Du siehst ja schick aus.“, gab Tonia zurück, als ich mich zu ihr durchgeschlagen hatte. „Danke.“, rief ich ihr zu, bevor sie sich ein neues Glas Sekt nahm und in ein anderes Gespräch verwickelt wurde.
„Hallo Rolf.“, begrüßte ich den Hauptdarsteller. „Oder soll ich lieber sagen Mr. Hyde?“ Er musste lachen. „Schön dich zu sehen. Wie geht es dir?“, gab er mit einem charmanten Lächeln zurück. Rolf war der Star des Abends und doch nahm er das alles ganz locker. „Mir geht es gut, danke. Wie soll es denn auch anders sein, wenn ich eine so großartige Premiere sehen durfte.“, versteckte ich das Lob in meiner Antwort.
„Ich würde dir ja gern meine Frau und meine Tochter vorstellen, aber Noelle war sehr müde, weshalb sie gleich nach der Show gefahren sind.“, berichtete er.
„Oh, deine Tochter hat die Show auch gesehen?“, wollte ich von ihm wissen.
„Ja, sie wollte unbedingt. Ich hab ihr vorher auch genau erklärt, dass wir auch wirklich keinem weh tun und alles nur gespielt ist. Sie war zu Hause auch schon Lady Beaconsfield und hat erlebt wie Mr. Hyde sie umbringt. Sonst würde ich auch nicht gerade sagen, dass Jekyll das richtige Stück für eine Zehnjährige ist. Aber sie war gut vorbereitet.“, erklärte er mir. „Dann ist sie ja eine richtige Insiderin.“, gab ich zurück. Für Kinder war dieses Musical nun wirklich nicht geeignet.
„Ah, Nora. Hier steckst du.“, unterbrach uns eine bekannte Stimme direkt hinter mir. Ich drehte mich herum und stand Bob, dem musikalischen Leiter gegenüber. „Hallo Bob. The show was great.“, lobte ich ihn mit einem Zwinkern.
„Ich möchte dir gern jemanden vorstellen. Das ist Johannes Richter, er ist Dozent an der Folgwang Universität der Künste. Du kennst vielleicht die Folgwang Musikschule, die ist direkt hier hinterm Theater. Die Uni ist in Emden.“, stellte mir Bob einen schmalen Herrn mittleren Alters mit gelockten blonden Haaren, die ihm bis auf die Schultern fielen, vor.
„Guten Tag, Herr Richter.“, begrüßte ich ihn. „Ach, bitte nenn mich Joe.“, erwiderte er und streckte mir die Hand entgegen, die ich ergriff.
„Ich habe gehört, dass du in der letzten Produktion in einer der Hauptrollen auf der Bühne gestanden hast, ohne eine richtige Ausbildung oder Vorbereitung.“, begann er.
Was wollte er mir damit bloß sagen? Dass das nicht mit dem Leitbild seiner Universität übereinstimmte? Dass ich damit weit fähigeren Kandidatinnen einen Platz streitig gemacht habe? Bevor ich noch weiter überlegen konnte, fuhr er fort:
„Ich find das eine beachtbare Leistung und habe großen Respekt davor. Mich würde sehr interessieren wie es dir dabei ergangen ist. Du musst wissen, dass ich Workshops für Studieninteressierte veranstalte. Ich komme also häufig in Kontakt mit jungen Leuten, die den Wunsch haben Musicaldarsteller zu werden. Allerdings nur die wenigsten von ihnen schaffen das auch. Ich könnte mir vorstellen, dass sie deine Erfahrungen auch interessieren würden.“
Ich kam nicht ganz mit. Er schlug eine vollkommen andere Richtung ein, als ich gedacht hatte.
„Direkt am nächsten Wochenende findet wieder ein solcher Workshop statt und ich würde mich sehr freuen, wenn du dabei sein könntest. Du müsstest natürlich nichts bezahlen, kannst aber alles mitmachen. Es wir Stimmtraining geben, Tanzeinheiten, Schauspiel, einfach mal alles ausprobieren und auch sich selbst etwas ausprobieren mit anderen gleichgesinnten, die auch diesen Beruf anstreben. Natürlich hast du schon weit mehr Erfahrung als alle anderen. Deshalb würde ich dich auch bitten ein wenig von deiner Zeit bei Mozart! zu berichten. Von Schwierigkeiten, schönen Erlebnissen und allem, was dieser Beruf so mit sich bringt. Es ist sicherlich informativer und authentischer von dir zu hören als von mir, der ich ja schon viel älter bin und sowieso nur mit klugen Ratschlägen um mich werfe.“, endete er seinen Wortschwall und grinste mir zu.
Langsam begriff ich warum Bob ihn mir vorgestellt hat. „Wow, ich bin leicht sprachlos.“, gab ich zu.
Meine Gedanken kreisten. Ich sollte Ratschläge verteilen? Von meinen Erfahrungen auf der Bühne berichten? War ich wirklich schon so viel weiter als alle anderen?
„Du muss natürlich nicht, wenn du nicht möchtest.“, begann Joe erneut.
„Ich fühle mich sehr geehrt und würde die Einladung gerne annehmen.“, brachte nun endlich hervor.
Auf Bobs Gesicht bemerkte ich einen Ausdruck der so etwas wie „Hab ichs dir nicht gesagt, dass sie zustimmen wird?“, signalisierte. Ich musste nun auch grinsen.
Joe und ich verzogen uns in eine Ecke. Er berichtete von den Konzepten seines Workshops und wie er sich den Ablauf vorstellte. Ich hörte ihm begeistert zu. Solch ein Workshop war der erste Schritt in Richtung Ausbildung, ja sogar Studium zum Musicaldarsteller, wie er mir berichtete.
Ich weiß nicht wie lange wir dort saßen, letztendlich verabschiedete er sich mit den Worten „Dann sehen wir uns nächsten Samstag um 9 Uhr in der Uni.“ und ließ mich verwirrt zurück.
„Hier steckst du!“ Das war Svenja. „Wir haben dich bestimmt seit zwei Stunden aus den Augen verloren. Was ist los?“ Die Frage bezog sich eindeutig auf meinen verwirrten Gesichtsausdruck. Ich deutete mit der Hand in die Richtung, in die Joe verschwunden war.
„Bob hat mir Joe, ich meine Johannes Richter vorgestellt. Er ist Dozent an der Folgwang und hat mich zu seinem Workshop nächste Woche eingeladen, um von meinen Erfahrungen bei Mozart! zu berichten.“, fasste ich in aller Kürze zusammen, was geschehen war.
„Das ist toll.“, sagte Adrian, der hinter seiner Freundin stand. „Klasse Nora. Vitamin B hilft immer.“, freute sich auch Svenja.
Die Aftershowparty dauerte bis in den frühen Morgen hinein. Dass sie am nächsten Tag wieder eine Show hatten, schien dabei keine Rolle zu spielen. „Wozu gibt es denn Maskenbildner? Die können das alles überschminken.“, scherzte Tonia und genoss die Feier in vollen Zügen.
Es war schon beinahe der nächste Morgen als Svenja, Adrian und ich, Svenjas Schwestern hatten sich schon eine Stunde zuvor verabschiedet, in die kleine Wohnung der beiden zurückkehrten. Langsam wurde es auch Zeit sich aus der Abendgarderobe zu schälen.
Nach einem kurzen „Gute Nacht“ zog ich mich in das kleine behagliche Gästezimmer zurück und ließ mich aufs Bett fallen. Ich würde am nächsten Wochenende wieder in Essen sein und an einem richtigen Musicalworkshop teilnehmen, ja mehr noch, ich war der Special Guest.
Mit freudigem Gefühl glitt ich in den Schlaf und dachte zu dem Zeitpunkt nicht daran, wie Leon auf diesen Plan für das nächste Wochenende reagieren würde.
~*Niemand nimmt mir meine Träume und schließt meine Sehnsucht ein, wo es Liebe gab und Freiheit wird mein Herz für immer sein*~