So, mal wieder Zeit für einen neuen Teil... Hier kann ich auch wieder getrost viel Spaß wünschen.
3. Kapitel – Bad Ischl
Einige Wochen später brachen Mama, Nené und ich nach Bad Ischl auf. Papa, raffiniert wie immer, hatte natürlich „zu tun“ und konnte unmöglich zu dem Familientreffen erscheinen. Ja, Familientreffen, wir trafen uns dort mit Mamas Schwester, meiner Tante Sophie, und ihren beiden Söhnen: Karl Ludwig, meinem früheren Verehrer, und Franz Joseph, dem Kaiser von Österreich.
Ich wusste nicht, warum ich überhaupt mit sollte zu diesem Treffen. Ich hatte ja nichts damit zu tun, dass Mama und Nené fahren wollten...
Aber jetzt saß ich eben in der holprigen Kutsche und musste aus dem langweiligen Familienausflug das Beste machen.
Trübselig starrte ich aus dem Fenster und sah die wunderschöne Landschaft vorbeiziehen. Wie gerne wäre ich jetzt da draußen gewesen, geritten, mit Papa auf die Pirsch gegangen oder im See geschwommen. Aber ich saß nun hier, mit Mama und Nené, beide merkwürdig zurechtgemacht wie für einen besonderen Anlass. Nur weil der Kaiser kam?
Der konnte mich mal! Und an irgendein Zeremoniell würde ich mich diesem Hofaffen zuliebe auch nicht halten! Nein. Die sollten mich mal mit ihrem Blödsinn in Ruhe lassen... Auch in Bad Ischl konnte man sicher schön spazieren gehen, irgendwo durch den Wald oder so.
Mama riss mich aus meinen Gedanken. Sie hatte mich irgendwas gefragt.
»Was?«
»Ich wollte dir nur sagen, dass du zum Bankett nicht mitkannst, Sisi. Dafür bist du noch zu jung.«
Zu jung?
Ich machte mir nicht aus dem Bankett, das war mir sowieso zu langweilig und zu steif, aber solche Redensarten wie „Dafür bist du zu klein“ konnte ich nicht ausstehen. Ich schob das Kinn vor und sah Mama angriffslustig an.
»Und ich gehe doch!«
»Aber Sisi!«
Damit hatte sie wohl nicht gerechnet.
»Du magst Bankette doch auch gar nicht...«
»O doch!«, behauptete ich mutig. Mir war klar, was ich mir damit einhandelte, aber wenn ich diesen kleinen Kampf gewann, würde ich das ganze dumme Bankett lang ein Hochgefühl des Sieges haben, das wusste ich. Und ich hatte nicht vor, mich geschlagen zu geben, das hatte ich noch nie getan.
Mama seufzte. »Naja, also... Wenn du wirklich unbedingt mit willst, dann komm halt mit...«
Ich lächelte siegesbewusst.
»Danke, Mama.«
Damit war das Gespräch beendet und wir sahen wieder alle drei aus dem Fenster.
Nach weiteren drei Stunden Fahrt kamen wir endlich in Bad Ischl an, wo uns schon eine schlecht gelaunte Tante Sophie erwartete.
»Warum kommt ihr erst jetzt?«, hielt sie uns vor.
Mama seufzte und versuchte, zu erklären, dass wir in ein Unwetter geraten seien.
»Wir brauchen jetzt ein wenig Ruhe...«
»Wo denkst du hin?« Tante Sophie dachte gar nicht daran, sich zu beruhigen. »Der Kaiser erwartet euch um vier!«
»Was, schon?« Mama begann wie ein aufgescheuchtes Huhn herumzuwuseln. Ich stand daneben und bemühte mich vergeblich, nicht zu lachen.
»Max lässt sich entschuldigen, er hat zu arbeiten... Aber ich habe Sisi mitgebracht!«, erklärte sie Tante Sophie.
Meine Tante nickte mir kurz zu und sah mich missbilligend an. Dann sah sie hinüber zu Helene und dann wieder zurück zu mir.
»Das Kleid ist ganz unmöglich. Und diese Frisur – so kannst du doch nicht zum Kaiser!«
Ich konnte beim besten Willen nicht sagen, ob sie Nené gemeint hatte oder mich. Das sah ich erst, als Nené eifrig anbot, sich umzuziehen. Sophie schnitt ihr aber sofort mit einem Blick auf die Uhr das Wort ab.
»Das geht nicht mehr! Einen Kaiser lässt man nicht warten!«
Um Himmels willen, was machte diese Frau für ein Theater darum, dass ihr Sohn ein Kaiser war? Dafür interessierte sich doch niemand – Na gut. Ich interessierte mich nicht dafür. Alle anderen wahrscheinlich schon.
In einem großen schönen Saal nahmen wir alle fünf Platz – Nené, Mama, Tante Sophie, der Kaiser und ich. Karl Ludwig war nicht da. Ich hatte ihn draußen kurz gesehen, aber für mehr als ein kurzes, freundliches Zunicken war keine Zeit gewesen. Mir war langweilig und ich musterte den mir schräg gegenübersitzenden Kaiser Franz Joseph. So kritisch ich ihn auch anblickte, an seinem Aussehen war wirklich nichts auszusetzen – außer vielleicht dem Schnurrbart, aber den trugen zur Zeit ja alle, das war eben Mode.
Nun verstand ich auch endlich, warum wir überhaupt nach Ischl gefahren waren. Wider Willen musste ich grinsen. Mama und Sophie wollten Nené mit Franz Joseph verkuppeln! Eindeutig.
»Franz, sag, wie gefällt dir denn deine reizende Cousine?«
Franz sah einen Moment zu Boden und vertraute dann seiner Mutter an: »Sie hat so liebe, sanfte Augen – und Lippen, rot wie Erdbeeren! Auf dem Ball heute Abend tanze ich nur mit ihr.«
»Er mag dich!«, flüsterte Mama Nené zu, die vor Aufregung ganz rote Wangen bekam.
»Lad sie ein!«, riet Tante Sophie gleichzeitig Franz. »Geh zu ihr und nimm sie in den Arm!«
Ich konnte von meinem Platz neben ihr gut sehen, dass Nené fast zitterte vor Erwartung, als der Kaiser auf sie zuging.
Aber – halt, was war das? Er ging nicht auf Nené zu. Vor mir blieb er stehen. Völlig verblüfft stand ich auf und hörte Mamas und Sophies erschrockene Kommentare:
»Wie?«
»Die?«
Ich konnte es gar nicht glauben, drehte mich zur Seite und sah aus dem Fenster – Und auf einmal sah ich am Fensterrahmen jemanden lehnen. Jemanden, den ich seit einigen Wochen sehr gut kannte...