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Inhalt: Die Geschichte der "Musical"- Elisabeth, aus ihrer Sicht
Genre: Romantik, vielleicht ein bisschen Mystery...
Disclaimer: Kunze, Levay und die Vereinigten Bühnen Wien
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1. Kapitel - Possenhofen
Ich erinnere mich noch genau an diesen warmen Tag im Frühling 1853. Sagte ich "warm"? Nein, richtig heiß war es! Ich hatte trotz des schönen Wetters schlechte Laune. Papa war gerade nach München abgereist. Außerdem hatte Mama mir verboten, heute auszureiten, weil sie die ganze Familie für den Nachmittag erwartete. Dabei wäre ich so gern auf Diavolo über Baumstämme und Hecken gesprungen! Mama hatte immer Angst, wenn ich diesen Hengst ritt. Ein Stallbursche hatte ihr erzählt, er sei gefährlich. Ich verstand nicht, was er meinte; bei mir war er immer ganz lieb, und bei Papa auch.
Am Nachmittag, als die ersten Verwandten eintrafen, zog ich mich in meinem Zimmer um. Plötzlich hielt ich inne und lauschte. Ich hatte deutlich gehört, wie jemand meinen Namen flüsterte. Verwundert sah ich mich um, konnte aber niemanden entdecken.
Schließlich kam ich zu dem Schluss, dass ich mich wohl geirrt hatte. Flink zog ich noch die passenden Schuhe zu meinem weißen Kleid an und band mir eine hellblaue Schleife ins Haar. Mit einem Seufzer betrachtete ich mein Spiegelbild und schnitt mir eine Grimasse. Meine Zimmertür öffnete sich und die Gouvernante kam herein. Missmutig blickte ich ihr entgegen; ich konnte im Allgemeinen die Menschen nicht leiden, de mir etwas vorschrieben (oder es versuchten...).
Also ich die breite Eingangstreppe unseres Schlösschens hinunterging und mein Blick auf die aufgetakelte Verwandtschaft fiel, hatte ich plötzlich eine Idee. Ungeachtet den strengen Rufen der Gouvernante lief ich los zu der Schaukel, die im Park am Ast einer großen, dicken Buche gut befestigt war. Ich würde unsere angestaubten Familianangehörigen mal etwas aufmischen!
Rasch stieg ich auf die Schaukel und vollführte in schneller Folge alle Zirkusübungen, die mir gerade einfielen. Von unter ertönten erschrockene Rufe und ich sah hinunter um zu sehen, was die liebe Familie so beunruhigte.
Plötzlich fühlte ich, wie ich langsam, aber sicher von der Schaukel glitt. Erschrocken versuchte ich noch, mich festzuhalten, aber meine Finger glitten ohne Halt über die raue Baumrinde und Sekunden später trennte ich mich endgültig von der Schaukel und stürzte dem Erdboden entgegen.
Im Fallen sah ich noch, dass unter mir jemand stand. Ich hatte ihn noch nie gesehen; es war ein groß gewachsener, schlanker Mann mit blonden Haaren. Er trug einen schwarzen Mantel. Ich werde nie den Tonfall vergessen, in dem er meinen Namen rief.
»Elisabeth!«
Er fing mich auf, und doch hatte ich das Gefühl, auf den Boden aufzuprallen. Mir wurde eine Sekunde schwarz vor Augen, so kurz, dass ich nicht wusste, ob ich bewusstlos geworden war oder nur die Augen schloss. Als ich sie wieder öffnete, lag ich in seinen Armen.
»Wer bist du?«
Er gab keine Antwort, sondern trug mich – ja, wohin eigentlich? Ich sah mich um, aber um und herum war alles schwarz. Eine Weile trug er mich schweigend und ich sagte nichts. Aufmerksam beobachtete ich ihn. Sein ebenmäßiges Gesicht zeigte keinerlei Gefühlsregung, nur in seinen unergründlichen dunklen Augen blitzte etwas auf, das ich nicht deuten konnte.
Auf einmal horchte ich auf. In der Ferne waren Stimmen, leise und verworren. Sie riefen meinen Namen.
Wieder sah ich mich um, aber sosehr ich mich auch bemühte, meine Augen konnten die Dunkelheit nicht durchdringen. Ich sah wieder den jungen Mann an und wunderte mich, dass er damit keine Probleme zu haben schien. Er sah, wo er hinging. Plötzlich blieb er stehen.
»Elisabeth...«
Wieder dieser Ausdruck, diesmal in seiner Stimme, von dem ich nicht wusste, was er zu bedeuten hatte.
»Es ist Zeit«, fuhr er fort.
Ich verstand nicht. Zeit wofür? Er schien die stumme Frage aus meinen Augen abgelesen zu haben.
»Ich muss dich zurückbringen.«
Ich antwortete nicht. Er trug mich weiter durch die Dunkelheit. Irgendwann schloss ich die Augen. Vielleicht bin ich eingeschlafen, ich weiß es bis heute nicht. Wenn, dann war es ein traumloser Schlaf.
Ich weiß nur, dass ich, als ich die Augen wieder aufschlug, auf meinem Bett lag und Mama neben mir stand und den Doktor rief. Ich ließ seine Untersuchung stumm über mich ergehen. Tausende Gedanken wirbelten durch meinen Kopf.
Was wollte er? Warum kannte ich ihn nicht? Wo kam er her? Wo ging er hin? Würde ich ihn wiedersehen? Warum hatte er mir nicht gesagt, wer er war? Was hatte er gefühlt die ganze Zeit?
So viele Fragen. Ich weiß noch, dass ich damals überzeugt war, auf keine Frage je eine Antwort zu bekommen.