Das kommt dabei raus, wenn man sich wieder vorm Lernen drücken will
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Zum Glück wurde es so langsam Abend und ich musste los zum Theater, um noch rechtzeitig zu meiner Show zu kommen. Ich hoffte, dass das Spielen mich heute ablenken würde, doch im nächsten Moment fiel mir wieder ein, dass ich heute wieder mit Kevin zusammen spielen musste. Ich wünschte mir, Uwe wäre noch bei mir. Alleine machte ich mich auf den Weg zum Theater.
Vor dem Theater hatten sich schon ein paar Leute versammelt, die auf Einlass warteten und auch drinnen waren alle Darsteller bereits da und die meisten schon in ihren Umkleideräumen. Als ich an der Umkleide von Christa vorbeilief, bekam ich gerade noch ein paar Satzfetzen mit, sie unterhielt sich gerade mit Oliver.
„Hast du Uwes Neue schon gesehen?“ Fragte sie ihn.
Oliver schüttelte nur den Kopf, ihm schien das Thema unangenehm zu sein.
„Ich kann ihn in der Hinsicht nicht verstehen, dass er es ihr auch noch dauernd unter die Nase reiben muss, arme Pia,“ meinte Oliver nur.
Ich fragte mich, über was sie gerade geredet hatten, aber im Prinzip konnte es mir egal sein.
Ich schlich mich zu meiner Umkleide und machte mich fertig für die Show und das erste mal seit langem hatte ich wieder richtig starkes Lampenfieber und nicht, wegen der Show, sondern weil mir der Gedanke, wieder zusammen mit Kevin zu spielen, Unbehagen bescherte.
Eine viertel Stunde vor Showbeginn kam auf einmal der Regisseur aufgeregt auf mich zu:
„Pia, weißt du wo Kevin steckt?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Meine Güte, dieser Kerl treibt mich noch zum Wahnsinn,“ schimpfte der Regisseur.
„In knapp einer viertel Stunde beginnt die Show und er hat sich noch nicht blicken lassen. Pia, tu mir bitte den Gefallen und suche ihn.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und lief hektisch weiter.
Ich wollte noch widersprechen, aber er war schon weg, also machte ich mich missmutig auf die Suche nach ihm.
Bei seiner Garderobe angekommen klopfte ich kurz an, bekam aber keine Antwort, er schien nicht da zu sein. Ich dachte, dass ich in seiner Garderobe vielleicht einen Hinweis finden würde, wo er war und öffnete schwungvoll die Türe und trat ein, im nächsten Moment stand ich wie versteinert da.
Geschockt beobachtete ich die eindeutige Szene, die sich gerade vor mir abspielte.
Katharina war gerade wieder dabei sich anzuziehen, während Kevin von hinten ihre Hüften umklammerte und versuchte, sie zurück auf die Couch zu ziehen.
Ich wollte wegrennen, doch meine Beine gehorchten mir nicht, ich fühlte mich nicht in der Lage, mich auch nur einen Schritt zu bewegen, geschweige denn etwas zu sagen.
Schließlich bemerkte mich Katharina mit einem erschrockenen Schrei und zog sich schnell wieder komplett an, Kevin zog auch schnell die Decke, die bisher am Rand der Couch ruhte, über seinen nackten Körper.
„Spinnen Sie, machen Sie, dass sie hier raus kommen, aber schnell,“ schrie mich Katharina histerisch an.
Ich begann zu zittern, meine Fingernägel drückten sich in meine Handballen, am liebsten wäre ich auf sie zugestürmt, hätte ihr eine Ohrfeige verpasst, sie verkratzt oder irgend etwas, aber ich versuchte mich zu beherrschen, so langsam fand ich meine Stimme wieder.
„Deine Show beginnt in genau fünf Minuten,“ sagte ich in Kevins Richtung und drehte mich um.
„Was fällt dieser Frau ein?“ hörte ich Katharina noch fragen, kurz bevor ich die Türe zu Kevins Garderobe wieder schloss.
Ich lief ein paar Schritte weiter, lehnte mich dann aber gegen die Wand und versuchte, meinen Atmen wieder unter Kontrolle zu bekommen, ich hatte das Gefühl gleich zu ersticken.
Ich lehnte meinen Kopf gegen die kühle Wand hinter mit, die Kühle verschaffte mir wieder ein wenig Klarheit, mein Kopf hörte allmählich auf sich zu drehen, nun wusste ich, von was Christa und Oliver vorhin geredet hatten, Kevin hatte seine Neue mitgebracht. Hätte ich es doch nur eher bemerkt, dann wäre ich nicht so blöd gewesen einfach so in seine Umkleide zu rennen und mir das antun zu müssen, bereute ich mein eigenes Verhalten.
In diesem Moment öffnete sich die Garderobentüre neben mir und Oliver kam heraus.
„Pia,“ sagte er erstaunt, als er mich so gegen die Wand lehnend sah.
„Ist was passiert?“
„Ich war gerade in seiner Garderobe,“ war meine Antwort.
Er schaute mich verwirrt an, aber dann schien er zu begreifen.
„Oh nein, er hat doch nicht etwa.,“ fing er an, beendete seinen Satz dann aber, als er sah, wie blass ich auf einmal wurde. Er kam auf mich zu und schloss mich in seine Arme, dankbar nahm ich seine Geste an.
„Ich kann nicht spielen,“ sagte ich, während er geduldig dastand und mich im Arm hielt.
Er drückte mich sanft von ihm weg, hielt aber noch meine Arme fest.
„Pia, du kannst spielen,“ meinte er zuversichtlich.
„Du darfst dich nicht so von ihm fertig machen lassen, komm, geh raus auf die Bühne und zeigs ihm, zeig ihm, was du bist, auch ohne ihn, was du alles kannst.“
Müde schaute ich zu ihm hoch und schüttelte den Kopf, obwohl ich tief in mir wusste, dass er recht hatte.
„Du gehst jetzt da raus und zeigst es allen,“ ergänzte er noch.
„Du hast ja recht,“ riss ich mich noch zusammen und eilte auf die Bühne, wo mich schon mein Rollenvater sehnsüchtig erwartete, beinahe hätte ich meinen Einsatz verpasst.
Die Show verlief wie immer, die Szenen mit Kevin zusammen waren eine Qual für mich, aber der Rest ging leicht von statten, ich fühlte, wie ich wieder sicherer wurde. Ich wäre verloren, wenn ich nicht noch das Musical hätte, dachte ich mir wieder, wie so oft, wenn nun bloß noch Uwe den Tod spielen würde, wäre alles perfekt.
Die letzte Szene, bei der Kevin mich küssen musste, brachte mich noch einmal aus der Fassung, da ich de ganze Zeit das Bild im Kopf hatte, dass er zuvor Katharina geküsst hatte und wer weiß wo, aber hinterher wurde ich dann wieder von meinen Fans abgelenkt, die Fotos und Autogramme von mir wollten und diesmal war ich nicht mehr genervt von ihnen, ich war ihnen dankbar für die Ablenkung, die sie mir schenkten.
Ich nahm mir lange Zeit, bis endlich alle Fans zufrieden waren und der Bühneneingang zu einem einsamen Ort wurde.
Schließlich machte ich mich auch auf den Heimweg, aber als ich den Flur in dem Wohnungsblock, in dem ich wohnte, betrat, überfiel mich die Dunkelheit darin wie Dämonen, die nach mir griffen und mich in ihre Welt entführen wollten. Ich fühlte mich auf einmal sehr einsam und erdrückt, bekam wieder kaum Luft und so beschloss ich, wieder umzukehren. Eine ganze Weile lang lief ich einfach nur umher, bis mich mein Weg zu einem anderen Wohnblock führte.
Zaghaft betätigte ich dort die Klingel. Kaum fünf Minuten später wurde mir geöffnet und Uwe schaute mich mit großen Augen an, als er mich vor seiner Türe stehen sah.
„Ist was passiert?“ wollte er gleich wissen und lies mich eintreten.
„Es tut mir Leid, ich wollte dich so spät nicht mehr stören,“ entschuldigte ich mich und setzt mich auf seine Couch.
„Ist schon in Ordnung, dafür sind Freunde ja da,“ erwiderte er, verschwand in der Küche und kam wenige Sekunden später wieder mit zwei Tassen Tee zurück. Die eine stellte er vor mich, die andere neben mich, wo er sich auch fallen lies.
„So und nun raus mit der Sprache,“ meinte er und hielt seine Tasse fest, wie ein Kind, dass gespannt auf die Geschichte seiner Großmutter wartete, die wieder einmal von schönen alten Zeiten handelte.
Ich erzählte Uwe alles, von der Begegnung in Kevins Zimmer, von der Show und von der Einsamkeit in dem Häuserflur bei meiner Wohnung, die mich letztendlich auch zu ihm führte.
Er hörte mir geduldig zu und gab zwischendurch das ein oder andere Kommentar ab.
Als ich fertig mit erzählen war, beugte ich mich vor, stützte meine Ellbogen auf seinem Tisch ab und legte meinen Kopf in meine Handflächen.
„Uwe, ich weiß einfach nicht mehr, wie es weiter gehen soll, ich kann Kevin ja nicht ewig nachtrauern, wie soll ich denn so all die Shows durchstehen,“ sagte ich resigniert und auf einmal hatte ich all die Bilder im Kopf, die ich heute im Park gesehen hatte, all die glücklichen Paare, wie sie Hand in Hand liefen und einfach nur glücklich waren. Sie standen alle noch am Anfang ihrer Liebe, da ist alles noch so leicht und so wunderbar. Sie haben noch keine Ängste und Sorgen, wie z.B. wie sie die Shows mit ihrem Ex überstehen sollten und ihre Welt ist noch voller Licht. Ich malte mir Szenen aus, wie sich die Pärchen vom Park im Kerzenschein eng aneinander schmiegten, oder wie sie stunden lang ohne Ziel zusammen spazieren gingen, nur um beieinander zu sein und ich konnte dabei erahnen, wie sie sich fühlten, wie vom Schicksal zueinander bestimmt, der Unendlichkeit nah, das vollkommene Paar, schließlich dachte ich so auch einmal, als ich und Kevin noch zusammen waren. In diesem Moment wünschte ich mir so sehr, dass es noch einmal so wäre, wie es am Anfang der Liebe war, das ich und Kevin denken würden, wir wären das vollkommene Paar.
„Wo bist du gerade mit deinen Gedanken?“ unterbrach Uwe meine Vorstellungen,
Er schaute mich besorgt von der Seite an.
„Irgendwo, nur nicht hier,“ antwortete ich und auf einmal wurde ich von einer bleiernen Müdigkeit erfasst.
„Wenn du willst, kannst du heute gerne bei mir bleiben,“ bot mir Uwe an und ich nahm dieses Angebot gerne an.
Ich wollte erst protestieren, als er mir sein Bett überlies, lies es dann aber sein und hüllte mich dankbar in die warmen Decken, die mir bereit gelegt wurden.
„Gute Nacht meine Süße,“ sagte Uwe und schloss behutsam die Schlafzimmertüre.
„Gute Nacht Uwe,“ sagte ich noch, obwohl er mich schon lange nicht mehr hören konnte und ergänzte noch einmal für mich selbst und für Kevin, der mich nun erst recht nicht hören konnte: „Könnte es doch nur wieder sein, wie es am Anfang der Liebe war.“
Mit diesen Worten fiel ich in einen sehr unruhigen Schlaf