And if you should ever leave me I will crumble

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nichtsistschwer
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And if you should ever leave me I will crumble

Beitragvon nichtsistschwer » 07.06.2016, 12:42:36

Kurzbeschreibung
Liebe tut weh. Einfach nur unfassbar weh. Dessen ist sich Romy mehr als schmerzlich bewusst, als sie sämtliche Zelte in ihrer Heimat abbricht um einen Neuanfang zu wagen.
In München soll alles anders ganz werden – besser. Worauf sich die junge Musicaldarstellerin da allerdings eingelassen hat wird ihr erst richtig klar als sie schon mittendrin steckt und es keinen Weg zurück mehr gibt.
Mit Willemijn Verkaik, Mark Seibert, Marle Martens, Alixa Kalasz, Anouk Roolker und Elisabeth Tour Cast 2014-2016

Ein ganz liebes Hallo an euch alle
Ich bin ganz neu hier dabei und wollte gerne mit euch diese Geschichte teilen.
Schon seit einer ganzen Weile schwirrt mir diese im Kopf herum, weshalb ich mich dazu entschieden habe sie nun endlich au Papier zu bringen. Auf dem Papier – aus dem Kopf, so in etwa habe ich mir das Ganze vorgestellt :)
Bevor ich euch allerdings den Prolog zum Lesen gebe, möchte ich noch einige Dinge loswerden.
Die Geschichte ist komplett frei erfunden. Alle Charakterzüge der Personen und deren Handlungen stammen voll und ganz aus meiner Fantasie. Alle Personen, die real existieren gehören natürlich nur sich selbst, ich habe sie mir lediglich für meine Geschichte «ausgeliehen». Die anderen Personen, habe ich selbst erschaffen und gehören somit mir.
Die Rechte des Musicals «Elisabeth» liegen ganz bei Sylvester Levay und Michael Kunze, sowie den VBW.
Der Titel meiner Geschichte ist inspiriert vom gleichnamigen Song «I will crumble» von Hewitt Huntwork aus dem Film «Wuthering Heights»

So, jetzt wünsche ich euch aber ganz viel Spass beim Lesen. Ich bin so gespannt und auch ein bisschen aufgeregt, wie diese bei euch ankommen wird und freue mich jetzt schon wahnsinnig über all eure Rückmeldungen
Passt auf euch auf eure nichtsistschwer


Prolog
Dicke schwere Regentropfen prasselten unerbittlich vom grau verhangenen Himmel. Rein gar nichts erinnerte an diesem nasskalten Märztag daran, dass schon bald der Frühling einziehen sollte. Es war ungewöhnlich kalt für diese Jahreszeit in München und fast alle Menschen auf der Strasse trugen noch ihre Wintermäntel. Das Wetter war so ungemütlich, dass man sich am liebsten unter einer warmen Decke im Bett hätte verkriechen wollen.

Dieser Gedanke ging auch der hübschen Blondine durch den Kopf, die sich auf dem Weg vom Hauptbahnhof zum Deutschen Theater befand. Der weinrote Mantel umschmeichelte ihre zierliche Figur vorteilhaft, was auch einigen Männern nicht ganz verborgen blieb und ihr den ein oder anderen interessierten Blick bescherte. Diese registrierte sie allerdings fast gar nicht. Viel zu sehr war sie damit beschäftigt ihren Regenschirm irgendwie so festzuhalten, dass sie nicht komplett nass wurde. Dieses Vorhaben stellte sich allerdings als schwieriger als gedacht heraus und wollte ihr auch eher schlecht als recht gelingen, da sie mit einem schwarzen Rollkoffer und einer Handtasche doch ziemlich schwer beladen war. Trotz ihres Mantels und des dicken grauen Wollschals fröstelte die junge Frau. Es war heute Nachmittag aber auch wirklich furchtbar kalt. Oder war es doch eher die Aufregung die ihr etwas zu schaffen machte?

Wie sehr hatte sie sich doch auf den Frühling gefreut, doch allem Anschein nach schien dieser noch in weiter Ferne zu liegen. Sie seufzte auf und liess ihren Blick über die Fussgängerzone wandern. Trotz des schlechten Wetters herrschte ein reges Treiben, welches Romy für einige Augenblicke von ihren Gedanken ablenkte. Eine Gruppe Schulkinder kreuzte ihren Weg und trotz der tief ins Gesicht gezogenen Mützen und Kapuzen konnte sie die strahlenden Kinderaugen erkennen. Die beiden Lehrerinnen, hatten ihre liebe Mühe, die Rasselbande einigermassen beieinander zu halten und Romy wurde unwillkürlich an ihre eigene Kindheit erinnert. Was war sie doch für ein kleiner Wildfang gewesen? Eine kleine Pippi Langstrumpf, wie sie von ihrer Oma liebevoll genannt wurde, wenn sie einmal mehr total verdreckt und klatschnass, aber mit einem breiten Lachen von draussen gekommen war. Heute allerdings war der jungen Frau dieses unbeschwerte, fröhliche und neugierige Mädchen fremd und sie glaubte fast, dass dieses nie ein Teil ihres Lebens gewesen war.

Tief sog sie die kalte Luft durch den Mund ein um sie dann wieder durch die Nase auszuatmen. Jetzt war sie also tatsächlich in München angekommen – ihrer neuen Heimat auf Zeit. Hier warteten nicht nur ein neues Stück und neue Kollegen, sondern auch der Neuanfang, nach dem sie sich schon so lange gesehnt hatte, auf sie. Ein dunkler Schatten huschte über das Gesicht der Blondine und ihre sonst so strahlend blauen Augen verdunkelten sich mit einem Schlag. Von Nahe betrachtet, hätte man sogar den leichten Graustich darin erkennen können.
Es gab so unglaublich vieles, was sie einfach nur noch hinter sich lassen und vergessen wollte. Erinnerungen und Bilder, die Romy schon so lange und seit ihrer überstürzten Abreise noch mehr quälten, traten wieder an die Oberfläche ihres Bewusstseins. Noch einmal atmete sie tief ein und schüttelte leicht ihren Kopf, fast so als ob sie die dunklen Gedanken ein für alle Mal aus ihrem Kopf verbannen wollte.

Alles würde hier in München ganz anders werden. Mit einem Wort umschrieben einfach besser. Endlich würde sie wieder in einem Musical spielen, die letzte Produktion war schon viel zu lange her und besonders in den letzten paar Wochen hatte sie ihren Job richtig vermisst. Schon zu Beginn ihres Studiums hatte sie gemerkt, dass sie auf dem Weg war ihren absoluten Traumberuf zu erlernen. Und mittlerweile brauchte sie die Bühne, auch wenn es sich etwas übertrieben anhörte, wie andere die Luft zum Atmen.
Das neue Stück, das hier auf die junge Musicaldarstellerin wartete, war der reinste Glücksgriff gewesen. Schon immer hatte dieses eine tragende Rolle in Romys Leben gespielt und ohne dieses Stück wäre vieles anders gekommen. Ausserdem war es genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen und einige ihrer Kollegen kannte sie bereits von früher. So auch ihre beste Freundin.

Ein glückliches Lächeln zauberte sich auf Romys Lippen und ihre Augen nahmen wieder ihre natürliche Farbe an, als sie an die Niederländerin dachte, die sie seit über sechs Jahren ihre beste Freundin nennen durfte.
Wie sehr sie sich doch auf Marle freute. Schon viel zu lange hatten sie beide sich nicht mehr richtig gesehen. Zwischendurch immer wieder ein, zwei Tage oder mal ein verlängertes Wochenende, aber mehr hatte aufgrund der Arbeit nie drin gelegen. Den Beruf, welchen sie beide ausübten, hatte eben auch seine Schattenseiten. So sehr Romy diesen auch liebte und das tat sie mit ganzem Herzen, sosehr verfluchte sie ihn zwischenzeitlich auch. Es gehörte nun einmal dazu, dass man viel und oftmals auch über einen längeren Zeitraum unterwegs war. So konnte man Weihnachten oder Ostern nicht immer zuhause bei seinen Liebsten verbringen, sondern arbeitete irgendwo in einer fremden Stadt. Ganz geschweige von all den Geburtstagen, Hochzeiten oder Taufen, die man deswegen verpasste. So kam es auch, dass man seine Verwandten und Freunde eben nur selten zu Gesicht bekam, besonders wenn diese dann auch noch denselben Beruf ausübten wie zum Beispiel Marle. Nicht selten arbeitete man in verschiedenen Städten oder gar verschiedenen Ländern. So hatte Marle bis vor kurzer Zeit noch in Shanghai auf der Bühne gestanden, während Romy in ihrer Heimat, der Schweiz, an einigen kleineren Projekten gearbeitet hatte.
Skype war zwar gut und schön und für zwischendurch auch eine tolle Erfindung, seine beste Freundin an seiner Seite zu haben konnte dadurch allerdings nicht ersetzt werden. In den nächsten paar Monaten würden sie beide nicht nur zusammen arbeiten, sondern auch zusammen wohnen, was das Ganze natürlich sehr viel einfacher gestaltete.
Seit kurzer Zeit war Marle zudem vergeben und Romy hatte noch keine Gelegenheit gehabt ihren neuen Freund kennenzulernen. Sie war richtig gespannt auf Kurosch, denn Marle hatte ihr schon vorgeschwärmt und schwebte auf Wolke 7. Seine beste Freundin so glücklich zu wissen tat unglaublich gut und half auch ein kleines bisschen gegen das Vermissen.

Nur noch wenige Meter trennten die Blondine von ihrem zukünftigen Arbeitsplatz und bald würde sie Marle nach vier langen Wochen endlich wieder in die Arme schliessen können. Die Gegend rund um das Theater war wirklich nicht sehr ansprechend. An der gut befahrenen Strasse platzierten sich Spielcasinos und einige etwas zwielichtige Einrichtungen. Umso glücklicher war sie deshalb, dass ihr neues Zuhause, welches sie sich mit Marle und zwei weiteren Kolleginnen teilen würde, etwas ausserhalb des Zentrums lag. Bereits vor vier Wochen hatte die junge Frau ihr Zimmer in der geräumigen Altbauwohnung bezogen. Die letzten paar Wochen bis zu ihrem Probebeginn hatte sie damit verbracht einige ihrer ehemaligen Studienkollegen in Wien zu besuchen, da sie es in ihrer Heimat keine Sekunde länger mehr ausgehalten hatte. Die Zeit mit ihren Freunden hatte ihr die nötige Ablenkung gegeben und sie hatte sich etwas erholen und sammeln können.

Romy war immer noch so in ihre Gedanken versunken, dass sie die Frau mit Kinderwagen fast zu spät gesehen hätte. Nur knapp konnte sie zur Seite springen und warf einen entschuldigenden Blick in Richtung der Mutter. Ihr abruptes Ausweichen hatte jedoch die Folge, dass sie keine Chance hatte den grossen Mann, der auf sie zukam, zu bemerken und voller Wucht mit ihm zusammenprallte.

Ein stechender Schmerz durchfuhr Romys Schulter und sie spürte wie sich etwas Heisses über ihren Bauch und ihre Beine ergoss. Vor lauter Schreck liess sie den Griff ihres Koffers los und ihr Regenschirm fiel zu Boden.
«Verdammt», hörte sie sich selbst sagen, während sie vorsichtig an sich herunterblickte. Bei der heissen Flüssigkeit, schien es sich dem Geruch und der Temperatur nach um Kaffee zu handeln. Der halbe Mantel, sowie ihre Jeans waren durchtränkt und die Haut unter ihren Klamotten fing fürchterlich an zu brennen. «Hast du dir weh getan?» drang eine sanfte Stimme in Romys Ohr, während sie ihre Lippen schmerzhaft verzog und ihren Blick zum ersten Mal zu ihrem Gegenüber hob.

Blau traf auf Grün.

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Gaefa
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Re: And if you should ever leave me I will crumble

Beitragvon Gaefa » 07.06.2016, 15:34:13

Hallo und herzlich Willkommen hier bei uns im Forum!

Direkt den Anfang einer vielversprechenden Geschichte posten - das nenne ich einen gelungenen Einstand!
Mir gefällt dein Schreibstil sehr gut und der Prolog liest sich angenehm und spannend. Die geschickten Andeutungen auf Romys Vergangenheit machen einen richtig neugierig, so dass man immer weiter lesen will, das gefällt mir gut. Die detaillierten Beschreibungen lassen die Geschichte direkt vor dem inneren Auge ablaufen. Ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht und würde mich freuen, nicht allzu lange auf den nächsten Teil warten zu müssen, denn du hast bereits jetzt bewiesen, dass Cliffhänger den Leser packen und neugierig auf die Fortsetzung machen - bei mir hast du es auf jeden Fall geschafft!
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armandine
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Re: And if you should ever leave me I will crumble

Beitragvon armandine » 08.06.2016, 20:35:11

Das lässt sich doch spannend an! Aber eine kurze Frage: Wo gibt es denn eine Fußgängerzone zwischen Hauptbahnhof und Deutschem Theater? ;-)

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nichtsistschwer
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Re: And if you should ever leave me I will crumble

Beitragvon nichtsistschwer » 12.06.2016, 18:05:47

Danke euch beiden für die lieben Zeilen! Ich hab mich sehr darüber gefreut und hier geht es nun auch schon weiter! Ich bin schon auf eure Rückmeldungen gespannt. Und um die Frage mit der Fussgängerzone zu beantworten, da hat dich Romy wohl ein bisschen verlaufen :P
Passt auf euch auf eure nichtsistschwer

1.Kapitel

Blau traf auf Grün.

Um genauer zu sein traf Blau auf Grün mit braunen Sprenkeln. Oder waren sie doch eher golden?
Im Grunde genommen, spielte es auch überhaupt keine Rolle, welche Farbe diese Augen haben mochten, denn so oder so waren sie einfach nur wunderschön. Soviel stand jedenfalls für die junge Musicaldarstellerin fest, die glaubte sich in den Tiefen dieses Grüns verlieren zu müssen.

Mit einem Mal schien alles um Romy herum nicht mehr existent zu sein und ihre Umgebung verschwamm mehr und mehr.
In diesem einen Moment gab es für sie keine Strasse mehr.
Es gab keine vorbeigehenden Menschen mehr.
Und es gab auch keinen Regen mehr.

In diesem einen Moment schien es für die Blondine nur noch dieses Paar grüne Augen zu geben, welches sie fasziniert betrachtete und versuchte sich jedes noch so kleine Detail genauestens einzuprägen. Es lagen so viele Emotionen in diesen Augen, zu viele, dass Romy sie in dieser kurzen Zeit alle hätte deuten können. Aber vor allem hatten die Augen etwas unglaublich sanftes und beruhigendes. Es kam der jungen Frau fast ein bisschen so vor, als ob ihr diese grünen Augen ein Versprechen geben wollten. Ein Versprechen, dass alles wieder gut werden würde und dass es so etwas wie Hoffnung für sie gab. Hoffnung auf einen Neuanfang und auf bessere Zeiten.

Romy war sich nicht sicher ob sie es sich nur einbildete, und vielleicht, sehr wahrscheinlich sogar, täuschte sie auch. Aus irgendeinem Grund liess sie jedoch das Gefühl nicht los, dass es dem fremden Mann nicht anders zu gehen schien als ihr. Jedenfalls machte er keine Anstanden den Blick zu unterbrechen.
Mit einem Mal liess sie ihr Zeitgefühl im Stich und sie konnte nicht sagen, ob sie in dieser Position, sich gegenseitig in die Augen schauend, minutenlang verharrten oder ob es sich doch nur um einen Bruchteil von Sekunden handelte.

Erst als ein älterer Herr mit einem schwarzen Dackel an der Leine, dessen dicker Hundebauch fast den Boden berührte, seinem Ärger lautstark Luft machte, dass es sich jemand erlaubte einfach die Strasse zu versperren, wurde Romy langsam zurück in die Realität geholt.
Sie registrierte die vorbeifahrenden Autos wieder.
Die Menschen, die sich ungeduldig an ihnen beiden vorbeidrängten.
Und auch den Regen, der kalt und nass auf ihre Haut prasselte und ihre Kleidung mehr und mehr durchnässte.

«Was war das?»

In Romys Gehirn begann es zu rattern. Die unterschiedlichsten Gedanken gingen ihr durch den Kopf, als sie den Unbekannten für einige Sekunden etwas genauer betrachtete.
Sie schätzte ihn auf etwa Mitte dreissig, jedoch gehörte Schätzen nicht unbedingt zu ihren Stärken. Der Mann war gross und überragte sie um mindestens zwei Köpfe. Er hatte blonde, leicht gelockte Haare und sein Gesicht hatte etwas Besonderes an sich, etwas was die Menschen dazu brachte ihn ein zweites Mal anzusehen. Doch das Faszinierendste an ihm waren definitiv seine grünen Augen, die sie ab der ersten Sekunde in ihren Bann gezogen hatten. Je länger sie den fremden Mann ansah, desto sicherer war sie sich auch, dass sie ihm irgendeinmal in ihrem Leben schon begegnet war. Allerdings wusste sie beim besten Willen nicht, wo sie ihn einordnen sollte. Wahrscheinlich war sie in diesem Moment auch einfach zu durcheinander um auch nur einen klaren Gedanken fassen zu können, jedenfalls kam es ihr ein bisschen so vor.

Noch immer stand der blonde Mann vor ihr, ohne irgendetwas zu sagen. Er sah sie einfach nur an.
Romy spürte seinen intensiven Blick auf ihr ruhen und fühlte sich mit einem Mal unbehaglich in ihrer Haut. Ein immer lauter werdendes Rauschen drang in ihre Ohren und sie fühlte wie ihre Wangen heiss wurden.
Rasch unterbrach sie den Blickkontakt und legte ihren Fokus wieder auf den schmutzigen Mantel. Mit aller Macht versuchte sie sich auf den riesigen Kaffeefleck zu konzentrieren und so gut es eben ging die Anwesenheit dieses Mannes auszublenden.

Schlagartig wurde der jungen Frau jedoch bewusst, wie lächerlich sie sich gerade verhielt, schliesslich war sie keine zwölf mehr. «Verdammt Romy, reiss dich zusammen», fuhr sie sich selbst an und zwang sich erneut zu dem unbekannten Mann aufzusehen. Sie räusperte sich leicht, um etwas auf die immer noch unbeantwortete Frage zu erwidern, als dieser sich mit einem Mal aus seiner Starre löste. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren oder ihr einen letzten Blick zuzuwerfen drängte er sich an ihr vorbei und war so plötzlich wie er aufgetaucht war, wieder in den Strassen Münchens verschwunden.

Ungläubig sah Romy ihm nach und brauchte ein paar Momente um sich wieder etwas zu sammeln. Warum um alles in der Welt klopfte ihr Herz denn auf einmal wie verrückt? Für gewöhnlich war sie nicht gerade der Typ Frau, der in einem solchen Ausmass auf einen Mann reagierte. Und erst recht nicht, in ihrer jetzigen Situation. Oder klopfte ihr Herz vielleicht gar nicht wegen dieses Mannes sondern viel mehr wegen des Schrecks des Zusammenstosses? Schnell beschloss sie diesen Gedanken zur Seite zu schieben und ihm keine grössere Beachtung mehr zu schenken.

Nur langsam kühlten sich ihre heissen Wangen etwas ab und sie bückte sich schnell um den Regenschirm, der immer noch auf dem Bürgerstieg lag, aufzuheben. Dieser würde ihr jetzt auch nicht mehr viel nützen und wohl oder übel musste sich Romy damit abfinden, das letzte Stückchen des Weges in ihren nassen und verdreckten Klamotten zurückzulegen.

Heute war aber auch wirklich der Wurm drinnen. Bereits heute Morgen war das Glück nicht auf ihrer Seite gewesen und so hatte ihr Flug aus Wien über zwei Stunden Verspätung gehabt. Im Stress war sie dann am Flughafen prompt in die falsche U-Bahn gestiegen und am anderen Ende von München gelandet. Und als ob all das nicht schon genug gewesen wäre, musste sie auch noch von so einem Typ über den Haufen gerannt und mit Kaffee überschüttet werden. Nicht einmal entschuldigt hatte er sich bei ihr. Ohne ein Wort zu verlieren hatte er sie einfach so stehen gelassen. Im Regen. Kaffeeüberschüttet.
So ein Vollidiot aber auch.

Romy schloss für einige Sekunden ihre Augen, während sie sich zwang tief durchzuatmen und sich nicht allzu sehr in die ganze Sache herein zu steigern. Heute war ihr erster richtiger Tag in München und diesen wollte sie ungern in schlechter Erinnerung behalten. Und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dann waren diese wunderschönen Augen doch fast so etwas wie eine Entschädigung für den Zusammenstoss gewesen.
Obwohl sie eigentlich hätte verärgert sein sollen, zeichnete sich ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen ab. Wieso hatte sie sich vorhin bloss wie irgend so ein verliebter Teenager in einem kitschigen Hollywoodstreifen gefühlt? «Lass es einfach!», ermahnte sie sich selbst und nahm die letzten paar Meter des Weges zu ihrem zukünftigen Arbeitsplatz in Angriff.

Keine halbe Minute später hatte Romy ihr Ziel auch schon erreicht und stand vor dem Deutschen Theater. Obwohl sie noch nie hier gespielt hatte mochte sie das Haus sehr gerne und es gehörte für sie definitiv zu den schönsten Theater in Deutschland. Wie sehr freute sie sich doch darauf, in den nächsten paar Monaten hier allabendlich auf der Bühne stehen zu dürfen und gleichzeitig ihr Deutschlanddebut zu geben.
Die junge Musicaldarstellerin hatte sich bereits darauf eingestellt, in den ersten paar Wochen nicht viel mehr von München zu Gesicht zu bekommen als die vier Wände des Theaters. Denn während der Probezeit lebte man praktisch im Theater, das gehörte zu ihrem Beruf nun einmal dazu.

Die offizielle Probezeit für das Stück war längst vorbei, «Elisabeth» hatte schliesslich bereits im letzten Jahr für einige Wochen in Shanghai und anschliessen auch in Essen gespielt, bevor das Stück nach München gekommen war. Seit etwas mehr als einer Woche war «Elisabeth» nun fest im Deutschen Theater eingezogen, der vorläufig letzten Station dieser Tour. Bis Ende Dezember würde das Musical fest hier spielen, ob und wie die Tour danach weiterging, stand zum jetzigen Zeitpunkt noch in den Sternen.

Aufgrund eines kommenden Ausfalls im Damenensemble stiess Romy nun hier in München zur «Elisabeth-Truppe» dazu. Nach ihrer zweiwöchigen Probezeit würde sie die Ensemblerolle von Elisabeths Friseuse «Fanny Feifalik» übernehmen, damit ihre Kollegin Lena in ihren wohlverdienten Mutterschaftsurlaub gehen konnte.

Eigentlich war es nicht viel mehr als ein Zufall gewesen, dass Romy zu ihrer Rolle in «Elisabeth» gekommen war. Schliesslich hatte die junge Musicaldarstellerin anfangs gar nicht vorgehabt zur Audition zu gehen oder auch nur in einem Musical zu spielen. Viel mehr hatte sie sich vorgenommen an einigen kleineren Projekten zu arbeiten, auch wenn das nicht unbedingt nur ihre Entscheidung gewesen war.
Ein langes und intensives Telefongespräch mit Marle hatte Romy aber dann doch ein bisschen die Augen öffnen können und sie dazu ermutigt doch noch zum Vorsingen zu gehen.

Als sie dann schliesslich die Zusage für das Musical bekommen hatte, war diese der Startschuss für den Aufbruch in ein neues Leben gewesen. Ein Leben ohne den Schmerz, den Kummer und die vielen Tränen. Ein Leben ohne ihn.
Jetzt, wo sie so vor dem Theater stand, konnte sie es gar nicht mehr nachvollziehen, wie sie so lange auf die Musicalbühne hatte verzichten können und das obwohl sie ihren Beruf so vermisst hatte. Wie konnte es bloss so weit kommen?

«Die Antwort darauf kennst du selbst am besten», ging es ihr durch den Kopf, schliesslich war diese auch der Grund für ihren überstürzten Aufbruch aus der Schweiz gewesen. Ein dicker Kloss bildete sich in Romys Hals, doch sie zwang sich ihn herunterzuschlucken und nicht weiter über die Vergangenheit nachzudenken. Noch einmal atmete die junge Musicaldarstellerin tief durch. München würde ihr Neuanfang werden.

«Alles wird gut», wiederholte sie den Gedanken wie ein Mantra immer wieder, als sie schliesslich das Theater durch den Bühneneingang betrat.

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Re: And if you should ever leave me I will crumble

Beitragvon Gaefa » 12.06.2016, 21:53:00

Ein schöner Teil! Mir gefällt dein Schreibstil, auch wenn einige Kommas vor Infinitiven mit "zu" den Lesefluss verbessern würden. Außerdem vermisse ich das "ß" bei einigen Wörtern...
Inhaltlich schaffst du es, einen im Bann zu halten. Es ist toll wie detailliert du alles beschreibst, auch wenn es den Nachteil hat, dass man sehr langsam vorankommt. Ich bin nach wie vor gespannt, was in ihrer Vergangenheit geschehen ist, immerhin hast du verraten, dass ein Mann (naja zumindest ein "er" ;) ) eine wichtige Rolle dabei spielt. Ich würde gerne bald mehr darüber erfahren - also schnell weiter!
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Re: And if you should ever leave me I will crumble

Beitragvon armandine » 16.06.2016, 16:23:04

Mir gefällt der neue Teil auch gut. Da bin ich ja auf Enthüllungen aus der Vergangenheit gespannt ;-).

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Re: And if you should ever leave me I will crumble

Beitragvon nichtsistschwer » 24.06.2016, 19:40:18

Auch dieses Mal vielen Dank für eure Rückmeldungen, ich hab mich sehr darüber gefreut!
Vielen Dank auch für den Tipp mit den Kommas, ich hoffe, dass ich das in den nächsten paar Kapiteln etwas besser umsetzen kann.
Zum "ß", das kennen wir hier in der Schweiz leider nicht :P
Die Enthüllungen aus der Vergangenheit werden kommen, das verspreche ich euch ;)
Und jetzt wünsche ich euch viel Spass mit dem neuen Kapitel!
Passt auch euch auf eure nichtsistschwer

2.Kapitel
Es war eine reine Wohltat nach der Zeit draussen im kalten Regen, endlich wieder nach drinnen an die Wärme zu kommen. Langsam aber sicher, hatte die junge Frau in ihren nassen Klamotten doch etwas gefroren und war froh, dass sie bald Gelegenheit haben würde, diese gegen trockene zu tauschen. Durch die Kälte waren ihre Finger etwas klamm und erschwerten ihr somit das Tippen einer Nachricht an Marle.

Die Niederländerin hatte ihrer besten Freundin versprochen, sie beim Eingang abzuholen, da sich die Blondine im Theater noch überhaupt nicht auskannte. Eigentlich hatten sie beide geplant, dass Romy bereits zur Nachmittagsshow im Theater hätte ankommen sollen, so dass sie sich das Musical mit Marle in der Rolle der Kaiserin hätte ansehen können. Die Verspätung ihres Fluges sowie die Fahrt mit der falschen U-Bahn, hatten ihren Plan allerdings ins Wasser fallen lassen. «Sprichwörtlich», dachte Romy, als sie ihren Blick zum wiederholten Mal an diesem Tag über ihre nasse Jeans gleiten liess.

Liebend gerne hätte sie Marle in der Titelrolle bewundert, da sie genau wusste, wie viel der Niederländerin diese Rolle bedeutete und wie viel Herzblut sie in jede einzelne Aufführung steckte. Ausser ein paar Kostproben via Skype und einigen Fotos, auf denen Marle die wunderschönen Kostüme trug, hatte die Blondine leider noch nicht mehr von ihrer besten Freundin als Kaiserin zu sehen oder zu hören bekommen. Ganz bestimmt würde sie aber in den nächsten paar Monaten einmal die Gelegenheit haben die verpasste Vorstellung nachzuholen.

Es dauerte wohl kaum zwei Minuten, nachdem Romy die Nachricht abgeschickt hatte, als auch schon eine lachende Frau, in einen Bademantel gehüllt und mit einem Perückenstrumpf auf dem Kopf, auf sie zugestürmt kam.
«Endlich hab ich dich wieder meine Liebste», Marle schlang ihre Arme fest um die Kleinere.
«Endlich hab ich dich wieder», erwiderte die Blonde lächelnd, hauchte der Niederländerin ein Küsschen auf die Wange und zog sie noch ein bisschen näher an sie heran. Eine ganze Weile lang verharrten die beiden Freundinnen in dieser vertrauten Umarmung und es schien fast so, als ob sie sich am liebsten gar nicht mehr losgelassen hätten.
«Ich hab dich so vermisst Marle».

Und das hatte Romy sie wirklich.
Das Wiedersehen führte ihr dies gerade nur zu deutlich vor Augen. Besonders in den letzten paar Wochen, die so unglaublich schwer für sie gewesen waren und die alles verändert hatten, hatte ihr die Nähe ihrer besten Freundin so sehr gefehlt. Es gab wohl kaum einen Menschen im Leben der Blondine, der sie so gut kannte und dem sie so bedingungslos vertraute wie Marle. Bereits während ihres Studiums am Konservatorium in Wien, hatte Romy lernen müssen, dass es oftmals nicht ganz so einfach war, in ihrem Business Freunde zu finden. Konkurrenzkampf, Leistungsdruck und Neid gehörten leider oftmals dazu, was ihr zu Beginn ihrer Karriere auch ziemlich zu schaffen gemacht hatten.

Die Niederländerin und die Schweizerin hatten sich 2009 bei «Tanz der Vampire» in Wien kennenglernt. Romy hatte damals noch mitten in ihrem Studium gesteckt, als sie eine Rolle im Ensemble des Erfolgsmusicals ergattern konnte. Dank dieses Stücks hatte Romy nicht nur ihre ersten wertvollen Erfahrungen auf der Musicalbühne gesammelt, sondern gleichzeitig auch ihre beste Freundin kennengelernt. Auf Anhieb hatten die beiden Frauen sich richtig gut verstanden und aus Kolleginnen wurden Freundinnen. Beste Freundinnen.
Romy war damals unglaublich froh darüber gewesen, in Wien mit Marle eine solch enge Vertraute gefunden zu haben. Gerade der Start in der fremden Stadt, war doch etwas holprig gewesen und sie hatte ihre Familie und ihre Freunde in der Schweiz schrecklich vermisst. Heimweh hatte damals ganz oben auf ihrer Tagesordnung gestanden und ihrem Sechzehnjährigen-Ich schwer zu schaffen gemacht.

Seit Romy denken konnte, hatte das Vermissen einen hohen Stellenwert in ihrem Leben gehabt.
Dieses ungute Gefühl, das man nicht richtig greifen konnte, aber trotzdem irgendwie überall zu sein schien. An einigen Tagen stärker als an anderen. Und an einigen Tagen fast gar nicht existent.
Dieses Gefühl, dass den gesamten Körper durchströmte - von den Zehen bis in die Haarspitzen.
Dieses Gefühl, das einem wünschen liess, dass alles anders wäre, aber gleichzeitig Gewissheit gab, dass dies nicht sein würde.

Dieses Gefühl, welches Romy ihre ganze Kindheit und einen Teil ihrer Jugend quälte kam nicht von ungefähr. Bereits als sie zwei Jahre alt gewesen war, hatte ihre Mutter ihren Vater und sie verlassen. Ein paar alte Fotos und einige Erinnerungen, die aber im Verlaufe der Zeit immer mehr verblassten, waren das Einzige, was der jungen Musicaldarstellerin von ihrer Mutter geblieben waren.
Und obwohl ihr Vater einen ganz fantastischen Job gemacht hatte, er schenkte ihr seine ganze Liebe und unterstützte seine Tochter in all ihren Vorhaben, so hatte sie doch bis zu ihrem vierzehnten Lebensjahr immer das Gefühl gehabt, dass ihr etwas fehlte.

Tief in ihrem Inneren gab es diese tiefe, dunkle Leere.
Diese Leere, die weder ihr Vater, noch ihre wunderbaren Grosseltern oder ihre Freunde hatten füllen können.

Nur langsam lösten sich die beiden Freundinnen aus ihrer innigen Umarmung und Marle musterte ihr Gegenüber aufmerksam von Kopf bis Fuss. In ihren dunkelbraunen Augen lag Besorgnis und es versetzte der Blondine einen Stich ins Herz, ihre beste Freundin so zu sehen. Gerade als Marle Luft holte um etwas zu sagen, kam sie ihr deshalb zuvor.
«So ein Vollpfosten hat mich umgerannt und mit Kaffee überschüttet», Romy verdrehte ihre blauen Augen und versuchte grimmig zu gucken, was Marle ein leises Lachen entlockte.
«Das ist mir gar nicht aufgefallen. Aber jetzt wo du’s sagst», die Miene der Brünette verdunkelte sich ein wenig und das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht.
«Nicht?», Romy runzelte die Stirn und versuchte ihr ein Lächeln zu schenken, was ihr jedoch nicht so wirklich gelingen wollte und ziemlich kläglich ausgesehen haben musste. Sie wusste ganz genau, worauf ihre beste Freundin anspielte. Schon immer hatte diese sie wie ein offenes Buch lesen können, so wie es Romy bei ihr konnte.

So wusste sie auch, dass sie Marles Frage früher oder später nicht mehr würde ausweichen können. Trotzdem hoffte sie darauf, diese wenigstens noch etwas aufschieben zu können. Die Niederländerin griff nach Romys Hand und drückte diese leicht. «Du siehst blass aus. Und du hast noch mehr abgenommen». Schnell wich die Angesprochene den dunkelbraunen Augen aus und biss sich auf die Unterlippe.
Nur zu gut wusste sie, wie sehr sich ihre beste Freundin in der letzten Zeit um sie gesorgt hatte und sofort schlich sich bei ihr ein schlechtes Gewissen ein.
Marle war sogar drauf und dran gewesen aus Shanghai in die Schweiz zu fliegen. Im letzten Moment hatte Romy, sie gerade noch davon abhalten können, jedoch nicht ohne ihr das Versprechen zu geben, täglich mindestens einmal gemeinsam zu telefonieren und doch noch für die Rolle im Ensemble vorzusingen.

«Es tut mir Leid, dass ich dich als Kaiserin verpasst habe», Romy versuchte die so vertraute Stimmung zwischen ihnen beiden etwas aufzulösen, da sie genau wusste, dass Marle die richtigen Hebel drücken würde um alles aus ihr herauszubekommen. In diesem Moment konnte die junge Frau jedoch beim besten Willen nicht darüber reden. Es ging einfach nicht. Vor allem, wie ihre beste Freundin noch nicht die ganze Wahrheit kannte.
«Das spielt doch jetzt überhaupt keine Rolle. Ich bin einfach nur froh, dass ich dich endlich wieder in meiner Nähe habe», Marle zog Romy erneut in eine Umarmung. «Ich auch», unweigerlich musste Romy hart schlucken.
Was würde es für eine unglaubliche Erleichterung sein, wenn sie sich hier und jetzt, alles was sie so sehr belastete, einfach ihrer besten Freundin anvertrauen und sich von der Seelen reden würde?

«Nein»

Es war weder der richtige Zeitpunkt, noch war das Theater der richtige Ort für ein solches Gespräch.
Sanft löste sich die Blondine aus Marles Armen und blickte sie wieder an. «Meinst du ich kann mich hier irgendwo umziehen?». Marle lächelte sie an und griff nach ihrem Rollkoffer. Natürlich war ihr nicht entgangen, dass ihre Freundin ihr ausgewichen war. Sie kannte diese jedoch auch so gut, dass sie wusste, dass sich die Schweizerin ihr anvertrauen würde, wenn sie so weit wäre.
«Komm mit! Ich zeig dir alles». Die beiden Freundinnen gingen den Gang in Richtung Garderoben, als sich Marle noch einmal nach ihrer Freundin umdrehte.
«Ich bin für dich da Romy. Immer».

Die Begrüssung ihrer neuen Kollegen, sowie von der gesamten Crew fiel sehr herzlich aus und Romy wurde mit offenen Armen empfangen. Nicht immer war es ganz einfach als «Neue» in ein schon bestehendes Team zu kommen, doch in dieser Hinsicht machten es ihr ihre neue Kollegen sehr leicht. Sie alle pflegten einen freundschaftlichen, schon fast familiären Umgang miteinander, was für die enge und intensive Zusammenarbeit eines Stückes immer von Vorteil war.

Nach einem grossen Stück Schokoladenkuchen, einer Tasse heissem Kaffee und einer trockenen Jeans hatte sich Romys Laune erheblich gesteigert. Dass Schokolade glücklich machte und gut für die Seele war, beweis dies nur zu deutlich. Das nette Beisammensein in der Kantine wurde damit unterbrochen, dass sich alle auf die Abendshow vorbereiten mussten, die bereits in etwas mehr als einer Stunde beginnen würde.
Während sich ihre Kollegen mehr und mehr in ihre Rollen verwandelten, hatte Romy ein paar Minuten Zeit um sich etwas frisch zu machen. Gemeinsam mit Sophie, dem Dance Captain von «Elisabeth», würde sie sich heute die Abendshow, von der ihnen etwas weniger vertrauten Seite, dem Publikum, ansehen. Sophie war der Meinung gewesen, dass dies der perfekte Start in Romys Probezeit, die bereits morgen beginnen würde, wäre.
Nach einer letzten Umarmung von Marle, machten sich die beiden auf den Weg in den Theatersaal. Obwohl es der Beruf der Blondine war, auf der Bühne zu stehen und den Besuchern eine Geschichte zu erzählen, so war es trotzdem immer noch jedes Mal etwas ganz besonderes, wenn sie sich selbst ein Stück ansah. Der Grossteil der Plätze war bereits belegt und schon als Romy die Bühne mit dem Profil der Kaiserin Elisabeth erblickte, merkte sie, wie sehr ihr das Theater doch gefehlt hatte. Die ganze Atmosphäre hatte einfach etwas Magisches an sich. Etwas was sie bereits faszinierte, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war und sie bis zum heutigen Tag nicht mehr losgelassen hatte.

Nachdem eine weibliche Ansagestimme die Besucher aufgefordert hatte die Mobiltelefone auszuschalten, wurde es mit einem Mal dunkel im Saal und die Gespräche im Publikum erstarben langsam. «Geniess die Show mit unserer tollen Cast!», flüsterte Sophie Romy noch zu, als auch schon eine laute tiefe Stimme durch den Theatersaal donnerte.
Die Stimme gehörte dem Richter, der Nacht für Nacht den toten «Luigi Lucheni», Elisabeths Mörder, verhörte und nach den Hintergründen seiner Tat befragte. Stets beantwortete dieser die Frage damit, dass er die Kaiserin ihretwillen umgebracht habe und der Tod selbst sein Hintermann beim Mord an der Kaiserin gewesen sei. Elisabeths Zeitgenossen wurden auf der Drehbühne nach vorne gefahren und spätestens ab diesem Moment war Romy komplett vom Geschehen auf der Bühne gefesselt.

Mit einem Mal wurde die Feile heruntergelassen und ein blonder Mann, ganz in weiss gekleidet, ging an ihr herunter und trat auf die Bühne. Der «Tod». Er wurde von einem Darsteller verkörpert, welchen Romy noch nicht persönlich hatte kennenlernen können, da er nicht in der Kantine dabei gewesen war.

Das Herz der jungen Musicaldarstellerin schien einen Takt auszusetzen setzte und sie versteifte sich ruckartig auf ihrem Sitz, was von Sophie nicht unbemerkt blieb und ihr einen fragenden Blick einheimste. Romy schüttelte jedoch nur ihren Kopf und sah wieder nach vorne auf der Bühne.

Sie musste sich täuschen. Ganz bestimmt spielte ihr, ihr Verstand nur einen Streich, so wie er es ihr in den letzten Wochen schon öfters getan hatte. Romy schloss kurz ihre Augen und atmete tief in den Bauch herein um sie im nächsten Moment wieder zu öffnen und festzustellen, dass sie sich dieses Mal nicht getäuscht hatte.

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Re: And if you should ever leave me I will crumble

Beitragvon armandine » 26.06.2016, 22:44:40

Das ist ja echt ein Kliffhanger ;-). Spannend!
Darg ich ein bisschen Kritik anbringen: Jetzt hast du es mit den Kommas streckenweise zu gut gemeint, da sind jetzt welche an Stellen, wo sie nicht hingehören ;-).
Außerdem ist dir glaube ich ein Versehen bei diesem Satz unterlaufen (in dem Absatz vor dem einzelnen "Nein"): Bei "vor allem, wie ihre beste Freundin noch nicht die ganze Wahrheit kannte." müsste es wohl "weil" statt "wie" heißen?
Aber das sind Kleinigkeiten, es liest sich prima!

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Re: And if you should ever leave me I will crumble

Beitragvon Gaefa » 03.07.2016, 23:59:41

Ich kann mich nur anschließen! So ein gemeines Ende. Wer ist denn bloß der Tod??
Im vorletzten Absatz ist ein "setzte" zu viel. Ein paar Kommas fehlen nach wie vor, aber es liest sich trotzdem gut.
Ich mag deinen Erzählstil sehr und habe mich mit den beiden gefreut, dass sie sich endlich wieder gesehen haben! Bitte schnell weiter.
~*Niemand nimmt mir meine Träume und schließt meine Sehnsucht ein, wo es Liebe gab und Freiheit wird mein Herz für immer sein*~

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Re: And if you should ever leave me I will crumble

Beitragvon nichtsistschwer » 06.07.2016, 22:14:46

Vielen lieben Dank für eure Rückmeldungen, das hat mich sehr gefreut!
Danke für eure Hinweise, ich werde das natürlich noch verbessern!
Um euch nicht so lange zappeln zu lassen geht es nun hier weiter und die Frage wird gelüftet, wer denn hier der Tod ist ;)

3.Kapitel
Vor ein paar Monaten hatte es angefangen.
Zu Beginn war es nur selten gewesen, doch dann hatte es sich mehr und mehr gehäuft, bis schliesslich eine Zeit gekommen war, in der es ganz besonders schlimm gewesen war. So hatte Romy den dunkelhaarigen Mann beispielsweise an der Bushaltestelle, an der Supermarktkasse oder sonst irgendwo auf der Strasse gesehen. Jedes Mal aufs Neue war ihr Puls schlagartig auf hundertachtzig gewesen und sie hatte gemerkt, wie die pure Panik in ihr aufgestiegen war. Doch jedes Mal, wenn sie sich dann gezwungen hatte, ein zweites Mal in dessen Richtung zu blicken, sich nichts anmerken zu lassen und seine Gegenwart zu ertragen, dann war der Mann verschwunden gewesen.
Mit jeder solchen Situation, hatte die junge Musicaldarstellerin mehr und mehr das Gefühl gehabt, dass sie völlig wahnsinnig werden würde, und sich dann schliesslich eingestehen müssen, dass sie sich das Ganze nur einbildete. Dass ihr Verstand ihr bloss einen Streich spielte und dieser dunkelhaarige Mann ein Produkt ihrer Fantasie war. Eine Mischung aus ihrem grössten Alptraum und ihrem sehnlichsten Wunsch. Und ganz egal, wie sehr sie sich indiesen schweren Wochen auch angestrengt hatte, es war unmöglich gewesen ihn zu vergessen. Ganz egal wo sie sich gerade aufgehalten hatte, überall hatte sie nur ihn gesehen.

Ihn
Den Mann, den sie so wahnsinnig geliebt hatte. Und gleichzeitig auch der Mann, der ihr das schlimmste angetan hatte, was sie sich jemals hätte vorstellen können.

Die Tatsache, dass ihr Verstand die Blondine in letzter Zeit oft im Stich gelassen hatte, liess sie auch jetzt, hier im Theater, daran zweifeln, ob sie sich das Ganze nicht auch dieses Mal nur einbilden würde. Bereits, ab dem ersten Moment, als der Tod-Darsteller von oben die Feile betreten hatte, hatte sie das Gefühl gehabt, dass ihr jemand die Kehle zuschnüren würde. Doch gleichzeitig hatte sie sich mit dem Gedanken, dass sie sich irren musste, ein klein wenig beruhigen können. Wie gross war schliesslich schon die Chance, dass sie den Unbekannten so wiedertreffen würde?
Als der blonde Mann dann aber ins Publikum geblickt hatte, waren all ihre Zweifel verschwunden gewesen. Dieser Mann im weissen Kostüm, war niemand anderes als der Mann, der sie heute Nachmittag vor dem Theater über den Haufen gerannt und mit Kaffee überschüttet hatte. Sich dies einzugestehen, liess ihren gesamten Körper unter höchster Spannung stehen und sie versteifte sich in ihrem Sessel, während sie mit heissen Wangen auf die Bühne starrte und versuchte irgendwie ihre Gedanken zu ordnen.

Romy war der festen Überzeugung gewesen, und sie hatte auch ein klein wenig darauf gehofft, dass sie diesem blonden Mann nie wieder in ihrem Leben über den Weg laufen würde. Die Begegnung hatte sie irgendwie aus dem Konzept gebracht.
Diese grünen Augen hatten sie aus dem Konzept gebracht.
Diese grünen Augen, die ihr gefühlt bis auf den Grund ihrer Seele hatten sehen können.
Und diese Tatsache war es schliesslich auch gewesen, die sie so erschreckt und ihr Angst gemacht hatte. Und auch jetzt machte ihr diese Tatsache nicht weniger zu schaffen, denn so wie es gerade schien, würde dieser Mann doch tatsächlich ihr neuer Kollege werden.

Noch immer beobachtete Sophie die Schweizerin, die wie gebannt auf die Bühne sah, fast so, als ob ihr ein Geist erschienen wäre. Die Dunkelhaarige wusste, dass Romy und der Tod-Darsteller sich noch nicht kennengelernt hatten, denn beim Kuchenessen in der Kantine, war er nicht dabei gewesen war. Vorsichtig, für den Fall, dass sie Romy erschrecken würde, beugte sie sich zu ihr rüber und flüsterte ihr «das ist Mark», ins Ohr, wofür ihr die Blondine lediglich ein leichtes Nicken schenkte.

Mark.
Auf einmal machte es in Romys Gehirn Klick.
Natürlich.
Der ihr scheinbar unbekannte Mann, mit dem sie im Regen zusammengestossen war, war niemand anderes als Mark gewesen. Schon als sie ihn draussen gemustert hatte, war sie das Gefühl nicht losgeworden, dass sie ihn von irgendwo kennen musste. Und jetzt endlich konnte sie ihn auch einordnen.
Ihre Begegnung heute Nachmittag war nicht ihre erste gewesen, sie beide waren sich tatsächlich schon einmal über den Weg gelaufen. Zu dieser Zeit war Romy jedoch noch fast ein Kind gewesen, und Mark konnte sich ganz bestimmt nicht mehr an sie erinnern, schliesslich war ihre Begegnung damals auch nur flüchtig gewesen und sie hatte sich in den vergangenen Jahren doch ziemlich verändert.
Aus dem kleinen Mädchen war eine junge Frau geworden.

Die Blondine hoffte darauf, dass der Zusammenstoss ihrem Umgang als Kollegen nicht weiter im Weg stehen würde und sie beide sich ganz normal kennenlernen konnten, denn es würde vieles einfacher gestalten.
Ob Mark wohl die Begegnung im Regen ansprechen würde? Würde er vielleicht irgendeinen Witz darüber machen? Oder sich bei ihr entschuldigen? Schliesslich war sein Abgang wirklich nicht die feine Art gewesen. Je mehr Romy jedoch über die Situation nachdachte, desto unsicherer wurde sie. Denn sie konnte seine Reaktion beim besten Willen nicht einschätzen.

Ab dem Moment, in dem Roberta als junge Elisabeth auf die Bühne gerannt kam und ihren Vater erschreckte, schaffte es Romy doch noch, sich irgendwie auf das Stück einzulassen und ihre Gedanken vorerst beiseite zu schieben. Ihre Kollegen lieferten wirklich eine fantastische Show ab und es erfüllte die Schweizerin mit Stolz, dass sie schon bald mit all diesen tollen Menschen die Bühne teilen durfte.

Dass das Publikum nicht weniger begeistert von der Vorstellung war als Romy, das zeigte sich ganz deutlich beim Schlussapplaus, der an diesem Abend schier endlos lange andauern wollte. Nur zu gut wusste die junge Musicaldarstellerin, dass der Applaus in ihrem Beruf für all die harte Arbeit auf und hinter der Bühne entschädigte, und es wohl kaum was schöneres gab, als zum Schluss eines Stückes in die begeisterten Gesichter der Zuschauer zu blicken.

Während das Orchester die Abschlussmusik zum Besten gab, leerte sich der Saal mehr und mehr und auch die beiden Musicaldarstellerinnen machten sich erneut auf den Weg zu ihren Kollegen hinter der Bühne.
Romy war ganz froh darüber, dass Sophie sie nicht auf ihre Reaktion bezüglich Mark ansprach und so verabschiedeten sie sich sich voneinander. Während sich Sophie auf den Weg zur Garderobe von Thomas machte, der den erwachsenen Kronprinzen spielte, so schlug Romy die andere Richtung ein.
Bevor sie gemeinsam mit ihren Mitbewohnerinnen in ihr neues Zuhause fahren würde, wollte sie unbedingt noch jemandem im Theater einen kleinen Besuch abstatten, da vor der Show keine Zeit mehr dafür gewesen war.

Die Schweizerin klopfte an die Garderobentür der Elisabethdarstellerin, als auch schon ein fröhliches «Herein», ertönte. Vorsichtig öffnete sie die Türe und blickte auch schon in ein Paar blaue strahlende Augen.
«Romy! Wahnsinn wie die Zeit vergeht», Roberta, die immer noch in ihrem Kostüm steckte, nahm die Blondine fest in ihren Arm.
«Das letzte Mal als ich dich gesehen habe, warst du gefühlt noch dieses kleine blonde Mädchen, das ich in Thun kennengelernt habe. Ich glaub ich werde tatsächlich alt», die Italienerin löste sich ein Stückchen von Romy um sie besser betrachten zu können und lächelte sie herzlich an.

Thun.
Romys Heimat.
Der Ort, an dem sich das Leben der Blondine im Sommer 2006 um hundertachtzig Grad gedreht hatte.
Zum Guten.
Jedoch war Thun auch der Ort, von dem sie jetzt, neun Jahre später, weggelaufen war.

Romy biss sich auf die Unterlippe um die dunklen Gedanken, die schon wieder die Oberhand zu gewinnen drohten, zu vertreiben. Ein kleines Lächeln erhellte das Gesicht der Schweizerin, als sie an den Moment zurückdachte, als sie die Italienerin kennengelernt hatte.
Sie war damals gerade vierzehn Jahre alt gewesen, als sie ihre gesamten Sommerferien und auch den grössten Teil ihrer Freizeit damit verbracht hatte, ihren Vater auf die Arbeit zu begleiten.

Romys Liebe und Begeisterung zur Musik und auch ihr Talent, hatte sie von ihrem Vater in die Wiege gelegt bekommen. Als Dirigent und Pianist hatte er seine grosse Leidenschaft an seine Tochter weitergegeben und diese war wahrscheinlich auch einer der Gründe, dass ihr Verhältnis so innig war. Als ihr Vater schliesslich die Musikalische Leitung der Thunerseespiele übernommen hatte, hatte sich Romys sonst schon grosse Faszination für Musicals nur noch mehr verstärkt. So gut wie jeden Abend, hatte sie ihn zur Arbeit begleitet und die Zeit während der Vorstellung, entweder im Publikum, im Orchestergraben oder hinter der Bühne verbracht. Diese verschiedenen Blickwinkel einer Show mitanzusehen war wahnsinnig spannend für das Mädchen gewesen und hatten ihren Berufswunsch mehr und mehr gefestigt.

Im Sommer 2006, hatte Romy so nicht nur Roberta kennengelernt sondern es war noch etwas anderes passiert. Etwas wovon die damals vierzehnjährige Schweizerin nicht zu träumen gewagt hätte. Durch die Arbeit ihres Vaters war auf einmal eine Person in ihr Leben getreten, die das Loch, das schon so unendlich lange in ihr klaffte, gefüllt hatte.
Einfach so.
Mit einem Mal war eine ganz besondere Frau an ihrer Seite gewesen und Romy hatte sich mit einem Mal komplett gefühlt. So als ob sie diesen Teil, den sie schon so lange vermisst und nach dem sie sich so gesehnt hatte, endlich gefunden hatte.

«Du bist doch nicht alt Robby. Und als ich euch in Oberhausen besucht habe, war ich fast fertig mit meinem Studium», Romy grinste Roberta an. Während sich die Italienerin von der Kaiserin zurück in sich selbst verwandelte, plauderten die beiden Frauen miteinander. Es gab schliesslich jede Menge zu erzählen.
«Jetzt wo ich dich wieder in meiner Nähe habe, könntest du mir wieder diesen leckeren Kuchen backen weisst du noch? Als ich damals in Thun Geburtstag hatte, hast du den mitgebracht», Roberta strahlte Romy an. «Du meinst Rüblitorte oder?», erwiderte Romy mit einem Zwinkern. Als ob es gestern gewesen wäre, konnte sie sich daran erinnern, wie die Elisabethdarstellerin damals auf diesen Nachtisch abgefahren war. «Genau! Die mit dem Zuckerguss und den kleinen Marzipankarotten oben drauf», schob Roberta ein und setzte ihr breitestes Lächeln auf.
«Wenn du schön brav bist, überleg ich mir das», meinte Romy grinsend.

«Wie geht’s eigentlich deinem Papa?», Roberta kämmte sich durch ihre braunen Haare und wandte ihren Blick wieder Romy zu. Schon immer hatte sie den Vater der Schweizerin sehr gemocht. Die Arbeit mit ihm hatte wahnsinnig viel Spass gemacht und sie hatte in Thun jede Menge von ihm gelernt. Damals hatte sie noch ganz am Anfang ihrer Karriere gestanden und war die Zweitbesetzung der Kaiserin Elisabeth gewesen. Dass sie dieselbe Rolle heute, mit ihrer ganzen Erfahrung, die sie in den letzten Jahren gesammelt hatte, noch einmal spielen durfte, bedeutete ihr eine Menge. Immer noch dachte die Italienerin gerne an die Zeit in Thun zurück und Romys Vater war ihr in besonders guter Erinnerung geblieben.
Romys Gesicht erhellte sich, als sie auf ihren Vater angesprochen wurde. «Ihm geht’s gut. Sehr gut sogar. Bestimmt wird er mich hier in München einmal besuchen kommen», sie lächelte Roberta an. «Oh, das wäre richtig schön», Roberta seufzte. «Und bestimmt kommt W...», die aufgehend Garderobentür und eine Männerstimme unterbrach das Gespräch der beiden Frauen.

«Können wir los?», Mark trat in die Garderobe der Elisabethdarstellerin und zuckte, genau gleich wie Romy, kaum merklich zusammen. Der blonde Frankfurter hatte fest damit gerechnet, Roberta alleine anzutreffen. Und am wenigsten hatte er damit gerechnet, dass er die junge Frau, mit der er heute Nachmittag zusammengestossen war, so wiedersehen würde. Und jetzt stand diese, so als ob es das Normalste auf der Welt wäre, in der Garderobe seiner engsten Freundin.
«Ja, ich bin gleich soweit», die Dunkelhaarige strahlte Mark an und blickte dann zu der Blondine.
«Das ist übrigens Romy, unsere neue Kollegin», die Italienerin schob sie ein Stückchen in Marks Richtung.

«Ich bin Mark», er streckte ihr seine Hand hin, die Romy etwas zögerlich ergriff.
«Romy», etwas unsicher blickte sie zu Mark, der vor ihr stand und sie erneut einfach nur ansah. Fast genauso, wie vorhin vor dem Theater, doch etwas war anders als vorhin.
Nicht, dass sie beide nicht draussen im Regen standen, das war es nicht.
Es war etwas anderes. Etwas, dass die junge Musicaldarstellerin beunruhigte.

Die unglaubliche Sanftheit in seinen Augen war verschwunden und einer unbedeutenden Leere gewichen.

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Re: And if you should ever leave me I will crumble

Beitragvon Gaefa » 07.07.2016, 17:31:23

Danke für den neuen Teil!
Ich muss zugeben, dass ich etwas verwirrt zurückbleibe. Die Reaktion auf Mark war doch etwas seltsam... Warum war sie in ihn verliebt, kennt ihn aber nicht und trotzdem hat er ihr das schlimmste angetan?? Das bleibt leider rätselhaft und erschließt sich mir nicht ganz. Passt aber gut zu ihren wirren Gedanken!
Bei dem Zusammentreffen hab ich fast gedacht, dass er aus dem Theater ist - das "musste" so sein. Ich finds gut. Auch spannend, endlich etwas mehr über Romys Vergangenheit zu erfahren. Interessant, dass sie so viele dort gut kennt.
Ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht und was mit Romy und Mark so passiert. Bitte bald den nächsten Teil!
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Re: And if you should ever leave me I will crumble

Beitragvon nichtsistschwer » 14.07.2016, 16:56:20

Vielen lieben Dank für deine Rückmeldung, das hat mich sehr gefreut! :)
Hui, Verwirrung war nicht meine Absicht, ich hoffe ich kann das hier bisschen erklären ;) Also, Mark war nicht der Mann, der Romy etwas angetan hat und in den sie verliebt war, im aktuellen Kapitel wird das alles (hoffentlich) noch etwas klarer. Den Mann, den Romy öfters geglaubt hat zu sehen ist dunkelhaarig und Mark ist ja bekanntlich blond :P Aber wie geschrieben, Romy kennt Mark schon von früher, von wo werdet ihr noch erfahren :P

Was alles so in Romys Vergangenheit passiert ist, erfahrt ihr mehr und mehr in den nächsten Kapiteln. So und jetzt geht es hier auch schon mit dem neuen Teil weiter! Ich bin schon sehr gespannt auf eure Rückmeldungen :D

4.Kapitel
«So, ich wär dann soweit», Roberta hatte sich ihren Rucksack geschnappt und blickte zu ihren Kollegen, die wie angewurzelt voreinander standen. Mit gerunzelter Stirn betrachtete sie die beiden aufmerksam. Weder Romy noch Mark, machten Anstalten ihren Händedruck zu unterbrechen und musterten einander ohne etwas zu sagen.
Etwas verwirrte die Italienerin an dieser Szene. Es war die Art, wie Mark die Schweizerin ansah, die sie nachdenklich stimmte. Obwohl sie den Tod-Darsteller schon wirklich lange und auch gut kannte, hatte sie es noch nie erlebt, dass er jemanden so angesehen hatte.

«Kommt ihr beiden mit, oder wollt ihr so stehen bleiben?», die Stimme der Elisabethdarstellerin riss Romy aus ihren Gedanken und sie war froh, dass somit die nicht wirklich angenehme Situation zwischen ihr und Mark, nach einer gefühlten Ewigkeit, endlich aufgelöst wurde. Die Garderobe wirkte mit einem Mal zu klein für sie beide. Viel zu klein.

«Ich wollte sowieso gerade los», Romy löste ihre Hand ruckartig von Marks, drückte Roberta ein Küsschen auf die Wange und blickte ein letztes Mal zu dem blonden Mann, der seinen Blick schnell von ihr abwand, ehe sie die Garderobe fast schon fluchtartig verliess.
«Bis bald», Roberta lächelte der Schweizerin hinterher, die auch schon aus ihrer Garderobe verschwunden war, ehe sie sich wieder Mark zuwandte.
«Was war das denn? Ihr kennt euch doch», wollte sie nun mit einem Lächeln von ihm wissen und sah ihn prüfend an.
«Das kann man wohl so sagen», die Worte verliessen schneller Marks Lippen, als dass er sich über deren Bedeutung Gedanken gemacht hatte.

Die unbekannte Frau von heute Nachmittag, war tatsächlich seine neue Kollegin. Doch wie konnte Roberta von ihrer Begegnung wissen? Hatte Romy ihr etwa davon erzählt?
Mark spürte einen leichten Schmerz in seinen Schläfen, der immer stärker zu werden drohte. Er musste dringend nach draussen an die frische Luft, hier drinnen war es einfach viel zu stickig.

«Wo bist du denn mit deinen Gedanken?», Roberta löschte das Licht der Garderobe und schob Mark aus dem kleinen Raum hinaus.
«Du hast gesagt, dass ich sie kennen würde?», Mark blickte die Italienerin fragend an, während er versuchte irgendwie seine Gedanken zu ordnen.
«Du erinnerst dich wirklich nicht mehr an sie?», Roberta zog ihre Augenbraue hoch während sie Mark prüfend betrachtete. Er war heute aber auch wirklich komisch drauf. Jedenfalls seit seiner Begegnung mit der Schweizerin.
«Mark, das ist Willemijns Romy».

Bei diesem letzten Satz fiel auch bei dem blonden Frankfurter endlich der Groschen und er konnte sich, wenn auch nur vage, an ihre erste Begegnung erinnern. Und die war nicht, wie gedacht, draussen im Regen gewesen, sondern in Stuttgart bei der Premiere von «Wicked – Die Hexen von OZ». Das blonde Mädchen hatte damals Willemijn zusammen mit ihrem Ehemann begleitet, und jetzt, fast zehn Jahre später, war Romy tatsächlich auch Musicaldarstellerin geworden und zudem seine neue Kollegin.

«Ich habe sie fast nicht erkannt». Mark und Roberta gingen nebeneinander Richtung Stagedoor. Heute Abend waren sie beide ziemlich spät dran, denn sonst gehörten sie immer zu den ersten, die das Theater verliessen.
«Das hab ich gemerkt», die Dunkelhaarige grinste ihn vielsagend an.
«Sie hat sich schon ziemlich verändert», fügte Mark mit ernster Miene hinzu und wand seinen Blick wieder von der Italienerin ab.
«Stimmt. Der kleine Sonnenschein ist erwachsen geworden».

In der Zwischenzeit hatte Romy so schnell wie möglich Robertas Garderobe hinter sich gelassen, und die Garderobe ihrer Mitbewohnerinnen angesteuert. Ihre Wangen glühten und sie spürte, wie sie die erneute Begegnung mit Mark ein weiteres Mal an diesem Tag aus dem Konzept gebracht hatte.
Sie konnte nicht genau sagen, wie sie sich ihr erneutes Zusammentreffen vorgestellt hatte, aber mit dem was sich vorhin abgespielt hatte, hatte sie nicht gerechnet.
Wieder hatten sie beide kein Wort miteinander gewechselt, und es hatte eine nicht definierbare Stimmung in der Luft gelegen. Und dann war schliesslich etwas vorgefallen, was sie zutiefst beunruhigt hatte.
Seine grünen Augen.
Es war ihr fast so vorgekommen, als ob diese das Versprechen, dass sie ihr heute Nachmittag gegeben hatten, gebrochen hätten.

Die Blondine, war so sehr in ihre Gedanken vertieft, dass sie Anouk, die schon komplett bereit zum Gehen, an der Wand vor ihrer Garderobe lehnte, fast übersehen hätte.
«Da bist du ja», ein Lächeln bereitete sich auf ihrem Gesicht aus. «Mädels! Romy ist da. Wir können los», rief die blonde Niederländerin ihren beiden Kolleginnen, die sich noch in ihrer Garderobe fertig machten, zu.
Und so verliessen die vier Musicaldarstellerinnen schliesslich, genau wie Roberta und Mark ein paar Minuten zuvor, das Theater durch die Stagedoor.

Aufgrund des schlechten Wetters, warteten heute Abend nicht ganz so viele Fans wie gewöhnlich auf die Musicaldarsteller. Noch immer regnete es, allerdings etwas weniger stark als am Nachmittag und die Blondine betrachtete das ganze Treiben mit ein bisschen Abstand.
Für sie war es teilweise immer noch etwas ungewohnt, dass es tatsächlich Menschen gab, die sich über ein Autogramm freuten oder gerne ein Foto mit ihnen machen wollten. Der Austausch mit den Fans, war immer etwas sehr Schönes und die vielen lieben Worte, die hier ausgetauscht wurden, gaben jedes Mal aus Neue wieder eine Menge Energie und Motivation, um Abend für Abend auf der Bühne zu stehen.

Romys Blick glitt zu dem blonden Mann, der fleissig mit seinen grösstenteils weiblichen Fans Fotos machte und ihnen ihre Autogrammwünsche erfüllte.
Sie atmete tief die frische Luft ein, und wand ihren Blick mit einem tiefen Seufzen schliesslich wieder von ihm ab.

«Lass uns nach Hause fahren Süsse», Marle hackte sich bei ihrer besten Freundin ein und gemeinsam mit Alixa und Anouk machten sie sich auf den Weg zur U-Bahn. Beim Gehen, drehte sich Romy ein letztes Mal um, bevor sie das Theater hinter sich liess. Doch die Stelle, an der bis vor ein paar Sekunden noch Mark gestanden hatte, war leer.

Die WG der vier Musicaldarstellerinnen, lag etwa zwanzig Minuten vom Theater entfernt. Sie war der reinste Glückgriff gewesen, und lag im dritten Stock eines Altbauhauses in einem grünen ruhigen Aussenquartier und bestand aus fünf grossen hellen Zimmern, sowie einem wunderschönen Balkon.

Die Suche nach einem passenden Mietobjekt hatte sich als nicht ganz einfach herausgestellt. Schliesslich mussten gleich die Wünsche von vier Frauen berücksichtigt werden, und jede hatte da so ihre ganz eigenen Vorstellungen gehabt.
Anouk zum Beispiel hatte auf eine Badewanne bestanden, während es Alixa gewesen war, die unbedingt einen Balkon haben wollte. Ganz oben auf Marles Liste für die perfekte Wohnung, standen geräumige Zimmer mit hohen Decken und Parkettboden, die in München gar nicht so einfach zu finden gewesen waren. Einzig Romy, hatte die Wohnungssuche fast ganz ihren Mitbewohnerinnen überlassen. Badewannen, Balkone oder hohe Decken, waren ihr nicht wirklich wichtig gewesen. Für sie zählte einzig und allein, dass die Wohnung möglichst weit von ihrer Heimat entfernt lag.

In der WG angekommen waren die Frauen noch viel zu aufgekratzt um sich sofort schlafen zu legen, was der übliche Zustand einer Abendshow war. Aus diesem Grund setzten die vier sich, bereits in gemütliche Klamotten gekuschelt, ins Wohnzimmer um bei einem Glas Weisswein ihre Wohnung ganz gemütlich einzuweihen.

Anouk war die erste, die ihr Weinglas erhob und in die Gesichter ihrer Freundinnen blickte.
«Ich würd sagen: Herzlich Willkommen Romy und auf eine tolle Zeit».
«Auf eine tolle Zeit», erwiderte Alixa und stiess ihr Glas gegen die drei anderen.
«Auf Romy», Marle grinste und schaute ihre beste Freundin an.
«Auf München», meinte nun auch die Blondine mit einem Lächeln, während sie in Gedanken schnell noch ein «auf das alles besser wird», hinzufügte.

Nach einer spontanen Runde Pizza, zwei Flaschen Weisswein und vielen lustigen Gesprächen, lösten die vier Musicaldarstellerinnen die gemütliche Runde langsam auf. Zwar hatten alle bis auf Romy morgen frei, am Montag war immer spielfrei, doch sie wollten trotzdem zeitig aufstehen um noch gemütlich miteinander zu frühstücken, bevor es für die Schweizerin, dann ins Theater ging.

Die Temperaturen in München, sanken in jener Märznacht weit unter fünf Grad und es goss erneut wie aus Kübeln. Etwas ausserhalb des Stadtzentrums in einer geräumigen Altbauwohnung schreckte eine junge blonde Frau schweissgebadet aus dem Schlaf hoch.
Im ersten Moment, hatte sie keine Ahnung, wo sie sich gerade befand, und sie brauchte ein paar Minuten um sich wieder etwas zu sammeln und ihren Atem zu normalisieren.

«Es war nur ein Alptraum», versuchte sie sich selbst zu beruhigen, doch es wollte ihr nicht wirklich gelingen und an Schlaf war für die Blondine nicht mehr zu denken. Sie setzte sich in ihrem Bett auf, zog die Knie an ihren Körper und legte ihre Arme darum.
Mit einem Mal fühlte sie sich einfach nur unglaublich schwach und einsam. Es war nicht das erste Mal, dass sie von diesen quälenden Alpräumen aus dem Schlaf gerissen wurde. Und auch jetzt, wo sie weit weg von ihm war, wollte er ihr einfach keine Ruhe lassen.
Während sie es durch den Tag einigermassen schaffte, auf andere Gedanken zu kommen, so holten sie die dunklen Erinnerungen spätestens in der Nacht wieder ein. Die Erinnerungen an Tristan.

Tristan war Romys erste grosse Liebe gewesen. Hals über Kopf hatte sie sich in ihn verliebt und war bereit gewesen, ihm alles was sie hatte zu geben.
Er war der Mann gewesen, mit dem sie den Rest ihres Lebens hatte verbringen wollen. Für den sie sämtliche ihrer Träume und Bedürfnisse zurückgesteckt hatte. Doch ihre ganze Liebe war einfach nicht genug für ihn gewesen.
Statt ihr nur einen Bruchteil von dem was sie ihm gab zurückzugeben, hatte er ihr alles genommen.
Den Glauben an die bedingungslose und wahre Liebe.
Das Vertrauen in sich selbst und in das Leben.

Nur zu deutlich hatte er ihr zu spüren gegeben, wie weh die Liebe tun konnte und wie machtlos man gegen sie war. Die Erlebnisse waren für die Blondine so unglaublich schmerzhaft gewesen, dass sie sich geschworen hatte, sich nie mehr in ihrem Leben zu verlieben oder sich so sehr auf einen anderen Menschen einzulassen.

Die junge Musicaldarstellerin fröstelte, als sie ihre Augen schloss und vergeblich versuchte die schmerzhaften Bilder aus ihrem Kopf zu verbannen. Romys Atem beschleunigte sich erneut und sie konnte den kalten harten Boden förmlich unter ihren nackten Füssen fühlen, als sie von einer Welle dunkler Erinnerungen eingeholt wurde.

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Re: And if you should ever leave me I will crumble

Beitragvon armandine » 16.07.2016, 14:56:11

Aha, so langsam kriege ich ein bisschen Druchblick. Ich finde, du hast einen sehr spannenden Schreibstil, man freut sich immer auf die nächste Wendung oder Erklärung.
Wenn ich etwas als Kritik anmerken darf (und das ist rein eine persönliche Präferenz): Du wählst mir ein bisschen zu oft die Haarfarbe als Beschreibungsmerkmal für eine Person. Wendungen wie "Die Blondine" oder "die Brünette" sind vielleicht ab and zu als Abwechslung ok, aber nicht alle zwei oder drei Absätze. Aber das ist natürlich Meckern auf ziemlich hohem Niveau ;-).

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Re: And if you should ever leave me I will crumble

Beitragvon nichtsistschwer » 21.07.2016, 16:46:57

Oh, ich habe mich richtig über die Rückmeldung gefreut! Und es freut mich natürlich sehr, dass dir mein Schreibstil gefällt und ich hoffe, dass auch das neue Kapitel deinen Geschmack trifft ;)
Vielen Dank auch für die Kritik, da bin ich immer sehr dankbar dafür! Hier geht es jetzt mit dem 5. Kapitel weiter :) Viel Spass damit und ich bin gespannt auf eure Rückmeldungen :D

5.Kapitel
Romy rannte.

So schnell, wie ihre Beine sie nur irgendwie tragen konnten.
Sie hatte weder ein genaues Ziel vor Augen, noch achtete sie auf ihre Umgebung.
Das Einzige was in diesem Moment für sie zählte war, dass sie weg musste.
Weit weg.
Weit weg von Tristan.

Ihre Lungen brannten wie Feuer und zwangen die Blondine so ihr Tempo zu verlangsamen und schliesslich kurz stehen zu bleiben. Wie ein aufgescheuchtes Reh blickte sie sich panisch um, während die ersten heissen Tränen ihre Wangen hinunterrannen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie diese noch unter Verschluss halten können, der Schock über die unvorhersehbare Situation war einfach zu gross gewesen, doch nun brachen sämtliche Dämme.

Immer noch suchten ihre blauen Augen die unmittelbare Umgebung ab, doch Romy schien alleine zu sein. Jedenfalls konnte sie weit und breit niemanden erkennen. Trotz dieser Tatsache liess ihre Angst allerdings nicht nach.
Ganz im Gegenteil.
Mit jeder Sekunde die verstrich, nahm ihre Panik noch mehr zu.

Ganz vorsichtig berührte Romy ihre rechte Schläfe und zuckte heftig zusammen. Als sie an ihren zitternden Fingern die rote Flüssigkeit entdeckte, hätte sie am liebsten einfach nur losgeschrien.
All die Verzweiflung, ihre Angst und nicht zuletzt auch ihre Schmerzen herausgeschrien, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt und ausser einem heiseren Keuchen wollte ihr kein Ton über die Lippen kommen.

Hektisch schnappte die junge Frau nach Luft und blickt langsam an sich herunter. Ausser ihrem Schlafanzug trug sie nichts weiter. Noch nicht einmal Schuhe hatte sie sich angezogen. Sie war einfach nur losgerannt.
Wie in Trance griff sie in die Hosentasche ihrer Pyjamahose und fühlte unter ihren kalten Fingern einen harten Gegenstand, den sie wie einen Rettungsanker umklammerte, während sie ihn vorsichtig herauszog.

Als Romy ihr iPhone erblickte merkte sie, wie sich ihr Herzschlag erneut um ein Vielfaches beschleunigte. Es war fast ein bisschen so, als ob sie tief in ihrem Inneren geahnt hätte was heute Abend passieren würde, als sie dieses eingesteckt hatte.
Nach etlichen Versuchen, schaffte sie es schliesslich die Tastensperre zu deaktivieren und drückte mit zitternden Fingern die Kurzwahl auf der ersten Taste.

Ein Piepen ertönte an ihrem Ohr.
Erst einmal.
Dann noch ein zweites Mal.

«Geh endlich ran», fügte sie in Gedanken hinzu, als endlich eine erlösende Stimme ertönte.
«Mam», Romys Stimme brach und ihr zierlicher Körper wurde von einem heftigen Weinkrampf geschüttelt.

Zeitgleich richtete sich eine dunkelhaarige Frau kerzengerade auf ihrer Couch auf, während sie ihr Gesicht schmerzerfüllt verzog. Bis vor ein paar Sekunden hatte sie sich noch mit ihrem Ehemann einen alten schnulzigen Liebesfilm angesehen, ehe die vertraute Zweisamkeit durch das Klingeln ihres Telefons unterbrochen geworden war. Bereits beim ersten Klingeln hatte sie ein ungutes Gefühl gehabt. So etwas wie eine schreckliche Vorahnung, dass etwas nicht stimmen würde. Schon immer hatte die Niederländerin ein feines Gespür für solche Situationen gehabt und spätestens ab dem Moment, als sie eine verzweifelte Stimme hörte, wurde ihr bewusst, dass sie sich auch dieses Mal nicht geirrt hatte.

Ohne, dass sie es hätte kontrollieren können stieg Panik in ihr auf und jegliche Farbe wich aus ihrem Gesicht während sie völlig verkrampft da sass.
«Kleines, was ist los?», die Brünette hielt ihr iPhone so fest umklammert, dass ihre Knöchel weiss hervortraten und ihr Ehemann sie entsetzt ansah.

«Ich… Ich…», die Stimme der Schweizerin brach erneut.
«Liebes?», mit einem Mal klang Willemijns Stimme fast genauso verzweifelt, wie die von Romy. Dass sie genau jetzt, in diesem Moment in dem die junge Frau sie so dringend zu brauchen schien, nicht in ihrer Nähe war sondern gut 700 Kilometer entfernt, liess sie fast wahnsinnig werden. Vor genauso einem Moment hatte sie sich schon immer gefürchtet. Besser gesagt seit dem Zeitpunkt, an dem sie die damals Vierzehnjährige kennengelernt hatte.

Seit die Musicaldarstellerin im Sommer 2006 Romy kennengelernt hatte, hatte sie sich verändert.
Das Mutter-Sein hatte sie verändert.
Von diesem einen Moment an war sie nicht mehr alleine nur für sich verantwortlich gewesen, sondern auch noch für eine zweite Person.
Sie war vorsichtiger, verantwortungsbewusster und auch sensibler geworden. Aber vor allem hatte sie am eigenen Leib erfahren, was es bedeutete mit dem Herz einer Mutter zu lieben. Und obwohl sie Romy nicht neun Monate unter ihrem Herzen getragen hatte, so liebte sie die junge Frau wie ihr eigenes Fleisch und Blut.

Für die Niederländerin war es damals so etwas wie Liebe auf den ersten Blick gewesen.
Nicht in dem Sinne, wie sie sich in ihren Ehemann verliebt hatte, es war eher so gewesen, als ob sie einen Teil von sich selbst in diesem Mädchen wiedergefunden hätte. Von diesem einen Moment an hatte sie gewusst, dass sie alles in ihrer Macht stehende tun würde um für Romy da zu sein. Dass sie bereit war ihr all ihre Liebe zu schenken und dass sie beide sich brauchen würden.
Dass Romy sie brauchen würde.
Und dass sie selbst Romy brauchen würde.

Kurzerhand hatte sie so etwas wie die Mutterrolle für das blonde Mädchen eingenommen und so all die schönen und auch die etwas weniger schönen Seiten davon erfahren.
Sie konnte sich noch gut darin erinnern, wie sie halb krank vor Sorge gewesen war, als Romy das erste Mal mit ihren Freundinnen ausgegangen war. Oder dass sie immer gleich das Schlimmste vermutete, wenn sich ihr Mädchen einmal nicht sofort bei ihr meldete.
Willemijn wusste sehr wohl, dass sie sich oftmals ein bisschen zu viele Gedanken machte was Romy anging, doch wahrscheinlich lag dies einfach an der Tatsache, dass sie so vieles im Leben der Schweizerin verpasst hatte.

Sie war nicht dabei gewesen, als Romy ihre ersten Schritte gemacht hatte.
Sie war nicht dabei gewesen, als Romy ihre ersten Worte gesprochen hatte.
Und sie war auch nicht dabei gewesen, als Romy die Welt entdeckt hatte.

Doch jetzt war sie da.
Seit etwas mehr als acht Jahren, war sie nun an Romys Seite.
Sie war Diejenige gewesen, die dabei gewesen war, als das Mädchen zu einer jungen Frau herangewachsen war und ihren grossen Traum verwirklicht hatte.

«Ich bin weggelaufen». Ein Schluchzen drang in Willemijns Ohr, welches ihr fast das Herz zu zerreissen drohte und sämtliche Gedankengänge unterbrach.
«Schatz. Ganz ruhig. Wo bist du? Ist jemand bei dir?», die Niederländerin erhob sich von der Couch, sie konnte unmöglich einfach so tatenlos sitzen bleiben. Sie musste sich bewegen. Sie musste etwas tun. Und vor allem musste sie dringend zu ihrem Kind.

«Ich weiss nicht… Ich…», die Blondine suchte nach Worten, während sie sich angestrengt erneut umsah. In ihrer Panik hatte sie überhaupt nicht auf ihre Umgebung geachtet, die ihr beim besten Willen nicht bekannt vorkommen wollte. Es war bereits richtig dunkel und ausser den Umrissen von ein paar Tannen konnte sie nichts erkennen.
Eigentlich kannte Romy Thun wie ihre Westentasche, schliesslich hatte sie hier den Grossteil ihres Lebens verbracht, doch wahrscheinlich war der Schock einfach zu gross, dass sie sich auf irgendetwas hätte konzentrieren können. Einzig und allein Willemijns Stimme war es, die sie spüren liess, dass sie überhaupt noch bei Bewusstsein war.

«Er… Er hat mir wehgetan».

Der Satz traf Willemijn unvorbereitet wie einen Faustschlag mitten in die Magengegend und sie musste sich erneut hinsetzten, weil sie das Gefühl hatte, dass ihre Beine unter ihr nachgeben würden.
Es gab wohl keine Vorstellung, die eine Mutter, und in diesem Fall sie, so sehr schmerzte wie diese. Das Weinen am Telefon wurde wieder heftiger, was es ihr fast unmöglich machte, Romy zu verstehen.

«Lievling», Bart strich seiner Ehefrau sanft über die Schulter. Von der ersten Sekunde, in der Willemijn den Anruf entgegengenommen hatte, hatte er gewusst, dass etwas passiert sein musste. Und ihre Reaktion hatte ihm seine Vermutung nur bestätigt. Die Musicaldarstellerin drückte fest seine Hand und blickte ihn verzweifelt an.
«Ich ruf jetzt Paul an», flüsterte er ihr zu, während er auch schon aus dem Wohnzimmer verschwunden war.

«Liebes, hör mir zu. Bart ruft jetzt deinen Papa an. Er ist gleich bei dir, hörst du?»
«Mama, ich…».
«Du musst jetzt ganz stark sein, ja? Und du musst dich jetzt noch einmal umsehen und mir beschreiben was du siehst.»
Während Willemijn mit aller Kraft versuchte Romy irgendwie zu beruhigen und hilfreiche Informationen von ihr zu bekommen, rief Bart bei Romys Vater in der Schweiz an. Irgendwie schafften die vier es so auch, dass der Schweizer seine Tochter, gut dreissig Minuten später, wie ein Häufchen Elend, irgendwo am Ufer des Thunersees fand.


Romy atmete tief durch und öffnete ihre Augen wieder. Eine einzelne Träne suchte sich ihren Weg über ihre Wange und sie spürte wie sich ein dicker Kloss in ihrem Hals bildete. Obwohl die furchtbaren Ereignisse jetzt schon gut fünf Monate zurücklagen, so waren sie doch noch immer so unglaublich real und sie hatte das Gefühl wieder an dieser abgelegenen Stelle des Thunersees zu stehen. Ganz alleine in ihrer unglaublichen Panik.

Die ersten paar Tage danach waren die reinste Hölle gewesen.
Sie hatte kein Wort gesprochen.
Sie hatte nichts gegessen.
Und sie hatte auch keine Sekunde schlafen können.
Es war fast so gewesen, als ob sie überhaupt gar nicht mehr existiert hätte.

Natürlich hatte Willemijn es sich nicht nehmen lassen, und war noch in der Nacht zusammen mit Bart, der seine Frau in ihrem Zustand auf keinen Fall alleine ans Steuer gelassen hatte, von Holland in die Schweiz gefahren. Obwohl sich die Musicaldarstellerin eigentlich von ihrer schweren Rücken-OP hätte schonen sollen, war es für sie nicht in Frage gekommen, ihre Tochter in dieser schweren Zeit einfach alleine zulassen.

Während Bart, sich nach drei Tagen wieder auf den Weg nach Hause gemacht hatte, seine Arbeit hatte es einfach nicht zugelassen noch länger zu bleiben, so hatte sich Willemijn kurzerhand für die nächsten paar Wochen Zuhause bei Romys Vater einquartiert um sich zusammen mit ihm um die Blondine zu kümmern.

Mit sehr viel Geduld, der richtigen Portion Fingerspitzengefühl und jeder Menge Liebe, hatte sie es schliesslich geschafft Romy wieder etwas aufbauen zu können und ihr ein bisschen von dieser unglaublichen Schwere zu nehmen. Sie war es schliesslich auch gewesen, die mit ihr über die furchtbaren Ereignisse gesprochen hatte, ihr Vater war der Meinung gewesen, dass eine Frau in dieser Situation einfach die bessere Gesprächspartnerin war. So verheilte Romys Platzwunde an ihrer Schläfe mit jedem Tag ein bisschen mehr, während die seelischen Narben zurückblieben.

Obwohl es die Blondine ihrem Vater und Willemijn zu diesem Zeitpunkt nicht so richtig hatte zeigen können, so war sie einfach nur unglaublich froh über deren Anwesenheit gewesen. Sie wusste sehr wohl, wie gross die Sorge der beiden gewesen war und dass sie sich auch jetzt immer noch ihre Gedanken machten. Es hatte ihr fast das Herz zerrissen, Willemijn weinen zu hören, wenn diese geglaubt hatte, dass sie schlafen würde. Sie wusste, dass die Niederländerin und auch ihr Vater sich grosse Vorwürfe gemacht hatten, doch Romy wusste auch, dass weder ihr Vater noch Willemijn oder sonst irgendjemand, das Geschehene hätte verhindern können.

Sie war zu blind gewesen.
Zu naiv.
Und viel zu verliebt.

Ein Blick auf ihr iPhone, das sie auf ihrem Nachtisch liegen hatte, verriet Romy, dass es kurz nach drei Uhr war. Sie hatte nicht viel mehr als eine Stunde schlafen können, doch das war sich die junge Musicaldarstellerin bereits gewohnt. Seit jenen schrecklichen Momenten, waren ihr mehr als ein oder zwei Stunden Ruhe pro Nacht einfach nicht vergönnt. Da half ihr auch keine heisse Milch mit Honig, Beruhigungstropfen oder die CD mit ihren Lieblingsliedern, die Willemijn ihr vor ein paar Jahren eingesungen hatte.

Die Blondine hatte das Gefühl, es keine Sekunde länger mehr alleine in ihrem Zimmer auszuhalten. So schlüpfte sie kurzerhand unter ihrer Bettdecke hervor und schlich ganz vorsichtig, um ihre schlafenden Mitbewohnerinnen nicht aufzuwecken, aus ihrem Zimmer.

Ein paar Sekunden zögerte sie, ehe sie fast geräuschlos die Türklinke zu Marles Schlafzimmer herunterdrückte.
«Marle», flüsterte sie sanft und tapste auf leisen Sohlen ans Bett ihrer besten Freundin. In der Dunkelheit konnte sie nicht mehr als ihre Umrisse erkennen. Sanft strich sie ihr über die Schulter.
«Marle?».
Die Niederländerin gab ein unverständliches Grummeln von sich, ehe sie versuchte ihre Augen ein Stückchen zu öffnen.
«Hm?», eine verschlafene Stimme erklang und Romy bemerkte, wie Marle kurzerhand ihre Bettdecke aufhob.

Der Einladung, sich neben sie ins Bett zu legen, kam die Blondine nur zu gerne nach und so kuschelte sie sich eng an ihre beste Freundin.
Ein paar Minuten lagen sie beide einfach nur ganz ruhig nebeneinander, und Romy glaubte schon, dass Marle wieder eingeschlafen sein musste, als diese ihr sanft über den Rücken strich.

«Du kannst nicht mehr einschlafen, oder?»
«Mhm.»
«Es ist wegen Tristan, oder?», die Stimme der Brünette war nicht mehr als ein Flüstern und doch spürte sie, wie sich der Körper ihrer Freundin mit einem Mal versteifte und so drückte sie sich noch ein Stückchen näher an sie. Wieder vergingen einige stumme Minuten ehe sich Romy umdrehte, so dass sie beide ihre Gesichter zugewandt hatten.

Obwohl es dunkel im Schlafzimmer war, konnte die Blondine Marles dunkelbraune Augen erkennen, die sie so voller Liebe und Verständnis ansahen, dass ihr ganz warm ums Herz wurde und es mit einem Mal förmlich aus Romy heraussprudelte.

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Re: And if you should ever leave me I will crumble

Beitragvon armandine » 25.07.2016, 15:33:28

Das klingt ja echt übel, was ihr da passiert ist. Wieder so ein gemeiner Cliffhanger! ;-)

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Re: And if you should ever leave me I will crumble

Beitragvon Gaefa » 26.07.2016, 09:58:04

Zwei sehr spannende und fesselnde neue Teile! Mir gefällt dein Schreibstil auch sehr gut. Ich lese jedes Mal gebannt die Fortsetzung - vor allem diese beiden Teile hatten es in sich. Wie Willemijn genau zu der Mutterrolle kam, ist mir noch nicht bewusst, aber sonst ist alles soweit sehr schlüssig. Ich hoffe sehr, dass sich Romys Leben zum Guten wenden wird und ihr die vielen Freunde im Theater helfen. Es ist gut, dass sie so tolle Freundinnen und Mitbewohnerinnen hat, so dass sie nicht allein sein muss. Wie die Geschichte mit Mark weitergeht, interessiert mich auch sehr. Bitte bald den nächsten Teil!
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Re: And if you should ever leave me I will crumble

Beitragvon nichtsistschwer » 26.07.2016, 16:57:55

Vielen lieben Dank euch beiden für eure Zeilen, das hat mich wirklich sehr gefreut :)
Cliffhanger sind doch was tolles, nicht :P
Wie Willemijn genau zur Mutterrolle kam, wie sich Romys Leben verändert, und auch wie es mit Mark weitergeht, werdet ihr alles noch erfahren :)
Es freut mich aber sehr, dass das Interesse da ist und so will ich euch auch gar nicht länger auf das nächste Kapitel warten lassen ;) Ich bin schon gespannt auf eure Rückmeldungen :D

6.Kapitel
Der nächste Morgen kam mit einem Mal urplötzlich und sowohl für Romy, als auch für Marle viel zu schnell. Bis in die frühen Morgenstunden hatten die beiden Freundinnen, in die schützende Dunkelheit des Schlafzimmers und die Nähe der jeweils anderen gehüllt, miteinander gesprochen. Wobei es doch eher die Schweizerin gewesen war die geredet hatte, während die Niederländerin ihr die meiste Zeit über einfach nur zugehört hatte. Vollkommen erschöpft waren ihnen dann, kurz vor dem Klingeln des Weckers, doch noch kurz die Augen zugefallen.

Es war ein intensives Gespräch gewesen, welches die beiden Musicaldarstellerinnen miteinander geführt hatten.
Ein Gespräch mit vielen Tränen, die sowohl die Blondine, als auch die Brünette, vergossen hatte.
Ein Gespräch, welches Marle zutiefst erschüttert hatte, und sie ihre beste Freundin in einem völlig anderen Licht sehen liess.
Und nicht zuletzt war es auch ein Gespräch gewesen, welches die beiden Frauen noch enger zusammengeschweisst hatte.

Es war Romy alles andere als leicht gefallen, sich ihrer Freundin voll und ganz anzuvertrauen. Die Erinnerungen an jene furchtbare Momente schmerzten einfach noch zu sehr, doch gleichzeitig hatte sie auch gespürt, wie mit jedem Wort, welches ihre Lippen verlassen hatte, ihr Herz ein kleines Stückchen leichter geworden war. Schon immer hatten sie beide miteinander über alles sprechen können, und sie wusste, dass ihre Geheimnisse nirgendwo so gut aufgehoben waren, wie bei jener Niederländerin.

Gemeinsam hatten sie so auch schon die eine oder andere kleine Krise gemeistert, doch diese erschienen Romy in Anbetracht ihrer jetzigen Situation einfach nur unbedeutend.
Alle Rückschläge, die sie während ihres Studiums hatte einstecken müssen und die sie teilweise an allem hatten zweifeln lassen, all die unwichtigen Streitereien oder das bisschen Liebeskummer, hätte nicht auch nur ansatzweise mit dem mithalten können, was sie gerade durchmachen musste.

Noch immer lagen die beiden Freundinnen eng aneinander gekuschelt im Bett der Niederländerin. Beide waren noch viel zu müde, um auch nur einen einzelnen Muskel zu bewegen, während sie versuchten langsam in die Gänge zu kommen.
«Es tut mir Leid, dass du wegen mir nicht schlafen konntest», Romy musterte Marle aufmerksam. Die Niederländerin hatte dunkle Ringe unter ihren Augen und sah ziemlich mitgenommen aus, worauf sich bei der Blondine sofort ein schlechtes Gewissen einschlich. Vielleicht hätte sie die Wahrheit doch besser für sich behalten sollen.

«Nicht dafür Romy», noch einmal zog sie ihre Freundin in eine feste Umarmung. Sie konnte es nicht leugnen, dass sie sich ein bisschen wie nach einer durchzechten Partynacht fühlte. Allerdings war das leichte Dröhnen in ihrem Kopf nichts gegen die Schwere in ihrem Herzen, die sich seit ihrem gemeinsamen Gespräch, dort eingenistet hatte.

Natürlich hatte sie als Romys beste Freundin, von der Trennung von Tristan gewusst. Schliesslich war sie auch eine derjenigen gewesen, die versucht hatte, die junge Frau danach so gut es eben ging, wieder aufzubauen. Schon damals hatte sie im Gefühl gehabt, dass Romy ihr etwas verschwieg, doch niemals hätte sie mit dem gerechnet, was ihr diese Nacht anvertraut worden war.

Nie hatte Marle so genau verstanden, was ihre beste Freundin an Tristan gefunden oder was sie in ihm gesehen hatte. Seit ihrer ersten Begegnung war sie nicht so richtig warm mit ihm geworden, allerdings war es auch nicht so gewesen, dass sie sonderlich viel miteinander zu tun gehabt hätten. Jedoch war es ihr immer ein bisschen so vorgekommen, als ob dieser eifersüchtig auf ihrer Freundschaft zu Romy gewesen wäre.
Eifersüchtig, dass Romy und sie sich so nah standen. Fast so, als ob er Angst gehabt hätte, dass seine Freundin sich dadurch von ihm entfernen könnte.

Vielleicht hätte sie das Geschehene irgendwie verhindern können, wenn sie früher irgendetwas unternommen hätte. Doch hätte, wäre und könnte waren nichts weiter als irgendwelche feigen Worte, die im Nachhinein sowieso nichts mehr hätten ausrichten können.
Denn obwohl Marle nicht Tristans grösster Fan gewesen war, so hatte sie gespürt, wie glücklich ihre beste Freundin an seiner Seite gewesen war.
Jedenfalls zu Beginn deren Beziehung.

Nach ein paar Monaten allerdings, hatte die Niederländerin gemerkt, wie sich ihre beste Freundin verändert hatte.
Wie all die wunderbaren Eigenschaften, in denen sie beide sich so ähnlich waren und die Marle so liebte, mehr und mehr verblasst waren.
Wie die Blondine sich Tristan völlig unterordnet und sogar für kurze Zeit ihren Job an den Nagel gehängt hatte, um ihn noch mehr bei der Karriere mit seiner Band zu unterstützen.
So war es schliesslich auch gekommen, dass der Kontakt zwischen der Schweizerin und ihr spärlicher geworden war, was ihr sehr zu denken gegeben hatte. Dass ihre Sorge nicht unbegründet gewesen war, hatte sich nun nur zu deutlich bestätigt.

«Ich bin froh, dass wir geredet haben. Und ich bin unglaublich froh, dass du jetzt hier in München bist. Bei mir», lange blickte die Niederländerin in die müden Augen der Schweizerin. Ihr Blick war matt und Marle wusste, dass es wohl noch eine ganze Weile dauern würde, bis sie wieder das Funkeln in ihren Augen sehen würde. Jedoch war sie sich noch nie einer Tatsache so sicher gewesen, wie dieser, dass sie alles in ihrer Macht stehende tun würde, um Romy wieder zum Strahlen zu bringen.

Bei Marles Worten schlich sich ein Lächeln auf die Lippen der Blondine, während sie deren Umarmung liebevoll erwiderte. Eine solche Freundin an seiner Seite zu haben, war wirklich mehr wert als sämtliches Geld der Welt.
«Ich bin auch froh, dass ich hier bin. Bei dir».

Nach einer kalten Dusche, welche die junge Musicaldarstellerin etwas erfrischt hatte, und einem ausgiebigen Frühstück, welches sie mit ihren Mitbewohnerinnen genossen hatte, ging es für Romy auch schon wieder ins Theater.
Ihre Vorfreude wuchs mit jedem Schritt, den sie sich ihrem neuen Arbeitsplatz näherte und trotz des regnerischen Wetters umspielte ein Lächeln ihre Lippen, denn wenigstens wurde sie heute Morgen von einer unfreiwilligen Kaffeedusche verschont.

Als kleines Mädchen hatte die Schweizerin davon geträumt Balletttänzerin zu werden und auf den grössten Bühnen dieser Welt zu tanzen. Mit acht Jahren jedoch, hatte sie sich zusammen mit ihren Grosseltern West Side Story angesehen und sofort ihr Herz ans Musical verschenkt. Tagelang hatte sie von nichts anderem mehr gesprochen, die Szenen mit ihren Freundinnen nachgespielt, und die Stücke auf dem Klavier gespielt.
Als ihr Vater schliesslich ein paar Jahre später, die Musikalische Leitung der Thunerseespiele übernommen hatte und sie hautnah bei der Entstehung eines Musicals dabei gewesen war, von den ersten Proben bis hin zu den Aufführungen, hatte sie das nur noch mehr bestärkt.

Romys erster Tag im Theater bestand ausschliesslich daraus, dass sie das ganze Haus kennenlernte. Da Montag war herrschte so gut wie kein Betrieb, und so ging es dann am Nachmittag zusammen mit Sophie bereits das erste Mal auf die Bühne.
Jedes Theater und jede Bühne waren wieder komplett verschieden und es war immer von Vorteil, sich gleich von Anfang an, damit vertraut zu machen.

So schnell wie der erste Tag im Theater vorbei ging, so schnell vergingen auch die paar Nächsten.
Der Schweizerin tat es unheimlich gut, endlich wieder ihrer grössten Leidenschaft nachzugehen und obwohl das Training hart war, machte es ihr unglaublich viel Spass und zeigte ihr nur zu deutlich, wie sehr ihr Beruf ihr doch gefehlt hatte. Die Blondine genoss es, sich in einer für sie doch noch eher unbekannten Stadt aufzuhalten, und besonders die Gesellschaft ihrer Mitbewohnerinnen liess sie für ein paar Stunden ihre ganzen Sorgen vergessen und einfach die gemeinsamen Momente geniessen.

Doch dann gab es auch die Momente, die nicht unbeschwert und leicht, sondern bedrückend und dunkel waren.
So hatte sie zum Beispiel am dritten Tag in München, wirklich geglaubt, Tristan in der U-Bahn zu sehen. Mit einem Mal hatte ihr ganzer Körper unter Strom gestanden, ihr Herzschlag hatte sich gefühlt verdoppelt und ihr Finger hatten sich mit aller Kraft an der Haltestange festgekrallt. Die Blondine hatte das Gefühl gehabt, dass ihr die Luft ausgehen würde und sie es keine Sekunde länger in diesem U-Bahn-Wagen aushalten würde. Fluchtartig war sie dann bei der nächsten Station ausgestiegen und musste sich erst einmal ein paar Minuten beruhigen.

Eigentlich war ihr sehr wohl bewusst, dass es fast unmöglich war, dass Tristan hier in München war, und natürlich war der Mann in der U-Bahn nur ein Fremder mit einer gewissen Ähnlichkeit zu ihm gewesen, doch trotzdem war da immer diese Vorsicht.

Auch die Nächte machten ihr nach wie vor zu schaffen. Oftmals schreckte sie völlig ausser Atem und schweissgebadet aus dem Schlaf hoch und schaffte es dann nur mühsam sich wieder etwas zu beruhigen, oder gar wieder einzuschlafen. Sogar Marle hatte sie durch ihr Weinen schon das ein oder andere Mal aufgeweckt, worauf sich die Niederländerin erstmal für unbestimmte Zeit in ihrem Schlafzimmer einquartiert hatte.

Die Brünette hatte es einfach nicht über ihr Herz gebracht, ihre beste Freundin in diesen schweren Stunden ganz alleine zu lassen und die Blondine war, auch wenn es ihr alles andere als Recht war, doch einfach nur froh darüber, jemanden an ihrer Seite zu haben.
Auch ihren beiden anderen Mitbewohnerinnen, Anouk und Alixa, war sie unheimlich dankbar, dass diese sie nicht mit irgendwelchen Fragen löcherten, sondern ihr einfach die Zeit gaben, die sie brauchte.

Und dann gab es noch etwas ganz anderes, was sie beschäftigte.
Grüne Augen, spuckten ihr seit ihrem ersten Tag in München im Kopf herum, und sie hatte überhaupt keine Ahnung wie sie diese je wieder da herausbekommen würde.

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Re: And if you should ever leave me I will crumble

Beitragvon armandine » 26.07.2016, 17:38:52

Das ist jetzt aber gemein, dass du uns mit Andeutungen sitzen lässt! ;-) Da will man ja sofort weiterlesen!
Nochmal eine kleine Kritik: MIt der Kommasetzung bei Nebensätzen solltest du dich noch einmal eingehender beschäftigen, diese Unsicherheiten stören manchmal den Lesefluss etwas.

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Re: And if you should ever leave me I will crumble

Beitragvon Gaefa » 26.07.2016, 21:34:21

Oh so schnell einer neuer Teil - das ist toll!
Er gefällt mir wieder sehr gut. Die verstehst es, zwischen detaillierten und gebündelten Erzählungen zu wechseln und das ist absolut nicht leicht (ich verlier mich selbst immer in Detailerzählungen...). Ich bin auch auf die nächste Begegnung mit den grünen Augen gespannt ;) Gerne wieder so schnell weiter (am liebsten würde ich direkt weiterlesen!)
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Re: And if you should ever leave me I will crumble

Beitragvon nichtsistschwer » 02.08.2016, 17:25:37

Vielen lieben Dank für eure Rückmeldungen :)
Ich will euch gar nicht viel länger auf den nächsten Teil warten lassen! Ich bin schon sehr gespannt was ihr davon haltet :D
Ich könnte mich auch stundenlange mit irgendwelchen Details aufhalten, aber manchmal muss man halt bisschen wechseln :P

7.Kapitel
Es war ein wunderschöner sonniger Apriltag und Romy konnte ihre zwanzigminütige Pause, die Sophie ihr gerade gönnte, sogar draussen an der frischen Luft verbringen. So hatte sich die Blondine auf einen Stein im Innenhof des Deutschen Theaters gesetzt, einen grossen Becher Kaffee in der linken und ihr iPhone in der rechten Hand, während sie gerade mit Willemijn telefonierte.

Sie genoss es, nach der kalten verregneten Zeit, endlich einmal wieder ein paar Sonnenstrahlen tanken zu können. An ihren ersten Tagen hier in München, hatte sich das Wetter definitiv nicht von seiner Schokoladenseite gezeigt, doch heute Nachmittag war kein einziges Wölkchen am stahlblauen Himmel zu sehen und es roch angenehm nach Frühling.

«Wir sehen uns dann bei deiner Premiere Schatz», die Schweizerin konnte die Vorfreude der Niederländerin förmlich durchs Telefon spüren, und ein strahlendes Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus.
«Mam, du weisst schon, dass ich bloss eine Rolle im Ensemble spiele und nicht die Kaiserin oder? Ich meine, du musst dafür nicht unbedingt aus London nach München kommen», meinte sie vorsichtig. Natürlich wäre es ihr am liebsten gewesen, Willemijn stets an ihrer Seite zu haben, doch sie wusste auch, dass dies aufgrund der Arbeit und der damit verbundenen Reiserei, eben nicht immer möglich war.

«Was heisst hier bloss eine Rolle im Ensemble?», wollte die Stimme am anderen Ende des Telefons mit gespielter Empörung wissen und Romy konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
«Natürlich werde ich kommen. Meine Urlaubstage habe ich bereits beim Theater eingereicht, der Flug ist auch schon gebucht und ich kann es kaum noch erwarten, dich endlich wieder auf der Bühne zu sehen. Und Romy? Elisabeth ist doch unser Ding», schob Willemijn noch hinterher.

Mit dem letzten Satz hatte die Niederländerin ins Schwarze getroffen.
Elisabeth war ihr Ding.
Dieses Stück war es schliesslich gewesen, welches sie beide 2006 zusammengeführt hatte.
Und obwohl es mittlerweile schon einige Jahre zurücklag, dachte die junge Musicaldarstellerin immer noch gerne an ihre gemeinsame Zeit in Thun zurück, die wohl zu den prägendsten und intensivsten, in ihre Leben gehörte. Sie beide hatten schon so unglaublich viele wunderschöne Momente miteinander teilen können, doch es gab eine Situation, die ihr ganz besonders im Gedächtnis hängen geblieben war, und jedes Mal, wenn sie sich daran erinnerte, war sie einfach nur dankbar. Dankbar, dass sie diese Frau kennen durfte.

«Bis morgen Mam», schnell hauchte Romy der Elisabeth-Darstellerin einen Kuss auf die Wange, schwang sich auf ihr Fahrrad und war schon fast losgefahren, als sie aus einem Augenwinkel feststellte, wie die angesprochene Brünette kaum merklich zusammengezuckt war. Sofort biss sich das blonde Mädchen auf die Unterlippe, wand ihren Blick von der Niederländerin ab und richtete ihn stattdessen etwas beschämt zu Boden.

Warum konnte sie nicht einmal in ihrem Leben zuerst nachdenken, ehe sie ihren Mund aufmachte?
Warum musste sie stets ihr Herz auf der Zunge tragen?
Schon oft hätte ihr das jede Menge Ärger und auch die ein oder andere unangenehme Situation erspart.
So wie auch die jetzige Situation.

Bestimmt würde Willemijn sie jetzt für komplett verrückt halten. Das Komische daran war allerdings, dass sie nicht sagen konnte, dass sie es bereute dieses Wort ausgesprochen zu haben. Es hatte sich in diesem Moment zwischen ihnen beiden, einfach so richtig angefühlt.
So selbstverständlich.

Romy wusste nicht, wie es war, eine Mutter zu haben, schliesslich war sie ohne eine aufgewachsen.
Sie hatte keine Ahnung wie es war, wenn eine Mutter einem eine Gutenachtgeschichte vorlas.
Sie hatte keine Ahnung wie es war, wenn eine Mutter einem die Haare zu einem Zopf flocht.
Und sie hatte auch keine Ahnung wie es sich anfühlte, wenn eine Mutter einem einfach nur in den Arm nahm.

All diese kleinen Dinge, die so unglaublich wichtig für die Entwicklung eines Kindes waren, hatte sie stets von ihrem Vater erfahren. Und obwohl er wirklich alles für seine Tochter getan hatte, und auch immer noch tat, gab es doch immer diesen Teil in ihr, der sich so sehr nach einer Mutter sehnte.
Je älter sie geworden war, desto mehr Gedanken hatte sie sich darüber gemacht, welche Gründe ihre Mutter wohl gehabt haben musste, dass sie sich entschieden hatte, ihre Familie einfach so im Stich zu lassen. Doch eine befriedigende Antwort darauf hatte sie bis heute nicht erhalten.

Aber dann hatte sich ihr Leben um gefühlte hundertachtzig Grad gedreht, als sie die niederländische Musicaldarstellerin kennengelernt hatte. Von der ersten Sekunde an, war es so gewesen, als ob sie Willemijn schon ewig kennen würde und sie hatte sich ihr so nahe gefühlt, obwohl sie beide sich eigentlich überhaupt nicht richtig gekannt hatten. Doch all das, hatte sie nun wahrscheinlich gerade aus einer kleinen Unüberlegtheit, einfach so kaputt gemacht.

Besagte Niederländerin war im ersten Moment der festen Überzeugung, dass sie sich verhört haben musste.
Romy konnte sie unmöglich mit «Mam» angesprochen haben. Oder irrte sie sich etwa doch nicht?
Sie wusste von Romy, dass ihre Mutter die Familie verlassen hatte, als diese noch ganz klein gewesen war. Ihr Vater hatte sie ganz alleine grossgezogen und Willemijn konnte aus tiefster Überzeugung sagen, dass er fantastische Arbeit geleistet hatte und die Blondine zu einem so wundervollen Mädchen erzogen hatte.

Die dunkelhaarige Musicaldarstellerin schluckte einmal leer, während ihre Gedanken Achterbahn fuhren.
Die letzten zwei Monate in Thun waren so intensiv gewesen, wie selten eine Zeit in ihrem Leben, und sie hatte all das Erlebte noch gar nicht richtig verarbeiten können.
Als ob es für sie nicht schon aufregend genug gewesen wäre, ihre erste Hauptrolle in einem Musical zu spielen, so war auch noch etwas anderes passiert.
Etwas, beziehungsweise, jemand, hatte ihr Leben gründlich auf den Kopf gestellt. Dieses blonde Mädchen mit strahlend blauen Augen, welches sie gerade mit «Mam» angesprochen hatte.

Die 14-jährige Tochter des Musikalischen Leiters der Thunerseespiele, hatte ihr Herz im Sturm erobert.
Sie war offen und ehrlich, voller Energie und Begeisterung, und Willemijn hatte gar nicht anders gekonnt, als sie einfach zu mögen.

Da Romy gerade Sommerferien hatte, begleitete sie ihren Vater fast täglich zur Arbeit, und verbrachte so auch jede Menge Zeit hinter der Bühne, wo sie beide sich näher kennengelernt hatten. Auf Anhieb hatte die Elisabeth-Darstellerin dieses Band zwischen ihnen beiden gespürt. Etwas, das man nicht in Worte fassen konnte, sondern das man einfach fühlen musste.

In diesem Mädchen erkannte die Niederländerin so unglaublich viel von sich selbst wieder. In ihrem Alter war sie genau gleich gewesen. Voller Lebensfreude – neugierig darauf, was das Leben alles für sie bereithalten würde, und vor allem voller Leidenschaft für die Musik.

Abend für Abend war die Schülerin bei den Darstellern hinter der Bühne gewesen, hatte beim Einsingen mitgemacht und in den kurzen Pausen, die Willemijn während einer Show hatte, hatten sie immer jede Menge Quatsch gemacht. Manchmal so viel, dass ihre Kollegin Roberta mehr als einmal fast ihren Auftritt verpasst hätte.

Und da sie beide sich so unglaublich gut verstanden hatten, hatte es sich auch ergeben, dass sie, wenn Willemijn etwas Freizeit hatte, viel miteinander unternommen hatten. Die Niederländerin war Romys Vater unglaublich dankbar, dass er ihr in dieser Hinsicht so viel Vertrauen geschenkt hatte.
So hatten sie beide wundervolle Stunden bei traumhaftem Wetter am Thunersee verbracht, Romy hatte ihr ihre Heimat gezeigt und sie hatten unglaublich viel miteinander geredet.

Die Brünette hatte gespürt, wie sie beide einander gut getan hatten, und sich die Vierzehnjährige ihr schliesslich mehr und mehr anvertraut hatte. Sie hatte mit ihr ihre Träume, Ängste und Sehnsüchte geteilt, und Willemijn wurde durch deren enorme Lebensfreude einfach angesteckt.

Schon immer hatte sie gut mit Kindern umgehen können und ihre Nichte und ihren Neffen liebte sie abgöttisch, doch trotzdem passte Nachwuchs nicht unbedingt in den Lebensplan, den ihr Ehemann und sie hatten.
Doch dann war da plötzlich Romy gewesen.
Einfach so.
Und es war ihr so vorgekommen, als ob dieses Mädchen sein ganzes Leben, nur auf sie gewartet hätte.

«Wille, es tut mir Leid. Das ist mir gerade irgendwie so rausgerutscht. Ich wollte nicht…», Romys Worte unterbrachen die Gedanken der Niederländerin.
Langsam und bewusst drehte sie sich in die Richtung der Stimme um, und musterte die Schweizerin durchdringlich.

Vor ihr stand dieses wunderschöne junge Mädchen, ja fast schon eine junge Frau, mit diesen durchdringlichen blauen Augen und ihr wurde ganz warm ums Herz.

«Komm her zu mir Schatz», Willemijn streckte ihre Arme nach ihr aus, und Romy, die mit einer ganz anderen Reaktion der Niederländerin gerechnet hatte, stellte blitzschnell ihr Fahrrad ab und schlang schon fast stürmisch ihre Arme um die Dunkelhaarige.

Liebevoll strich Willemijn Romy über die langen Haare und den Rücken, während sich ein Lächeln auf ihren Lippen ausbreitete.
«Es muss dir doch nicht leid tun. Ich war, besser gesagt ich bin, einfach nur sehr überrascht! Aber es hört sich wundervoll an», das Lächeln auf dem Gesicht der Musicaldarstellerin wurde etwas breiter und sie nahm Romy noch etwas fester in ihre Arme.

Die Niederländerin konnte die Gefühle, die sie in diesem Moment zu übermannen schienen, nicht so recht beschreiben. Noch nie hatte sie so etwas gefühlt, aber sie war sich ziemlich sicher, dass es sich so anfühlen musste, wenn eine Mutter den ersten Schrei ihres Babys hörte.
Und jetzt hielt sie dieses Mädchen in ihren Armen, dass ihr so unglaublich vertraut war, fast so wie ihr eigenes Fleisch und Blut.

«Ich verspreche dir, dass ich mein Bestes geben werde, dieser Rolle gerecht zu werden mein Schatz», flüsterte sie Romy ins Ohr, während sie ihren Griff instinktiv noch etwas verstärkte.


Jetzt, über acht Jahre später, konnte Romy sagen, dass Willemijn der Mutterrolle mehr als nur gerecht geworden war. Manchmal hatte sie diese für den Geschmack eines Mädchens, welches gerade mitten in der Pubertät gesteckt hatte, sogar fast schon ein bisschen zu ernst genommen.

Doch über all die Jahre, hatte sich die junge Musicaldarstellerin immer voll und ganz auf die Niederländerin verlassen können, und diese gehörte nun zu zu den engsten Vertauten in ihrem Leben.

Denn ganz egal wie sehr die Brünette auch in ihrem Beruf eingespannt war, wie oft sie von Stadt zu Stadt reiste, für ihren Ehemann Bart und für sie schien sie trotzdem immer irgendwie Zeit zu finden. Genau diese Eigenschaft war eine von zahlreichen, die Romy in den letzten Jahren an ihrer «Mutter» so schätzen und lieben gelernt hatte.
Viel zu oft machte Willemijn sich nämlich Gedanken, zu sehr an ihre Karriere, statt an ihre Familie und ihre Freunde zu denken, was in keinerlei Hinsicht stimmt. Es gab wohl kaum eine Person, die so bedingungslos für ihre Liebsten da war, wie sie es war.

Während ihres gesamten Studiums zur Musicaldarstellerin, hatte sie Romy immer wieder bestärkt und unterstützt, wo immer sie nur gekonnt hatte. Doch das wohl wichtigste war, dass sie bedingungslos auf die Schweizerin und deren Talent vertraut hatte, ganz egal, was für kleine Rückschläge diese gerade hatte einstecken müssen.

Bei der Erinnerung an diesen intensiven Moment zwischen ihnen beiden, bereitete sich ein warmes angenehmes Gefühl in Romys Körper aus.
«Ja, du hast recht. Elisabeth ist unser Stück. Ich freue mich übrigens sehr, dass du nach München kommst. Du fehlst mir», für einen kurzen Moment, schloss die Blondine ihre Augen und blickte gegen die Sonne. Angenehm kitzelten die Sonnenstrahlen ihre Nasenspitze und die junge Frau konnte die Sommersprossen förmlich spriessen fühlen.

Aufgrund ihrer Berufe, bekamen sich die beiden Frauen nicht allzu oft zu Gesicht, weshalb sie mindestens einmal am Tag miteinander telefonierten, um einander so auf dem Laufenden zu halten. Das war schon immer so gewesen, und es gestaltete die langen Trennungszeiten immer etwas angenehmer.

«Du fehlst mir auch mein Schatz. Aber schon bald bin ich wieder bei dir», Willemijns Stimme drang sanft in das Ohr der Schweizerin.
«Meinst du, du könntest…», Romy biss sich auf ihre Unterlippe, um nicht weiterzusprechen. Sie hatte eigentlich darauf gehofft, dass die Niederländerin noch ein oder zwei Tage länger in München bleiben konnte, damit sie noch etwas Zeit miteinander verbringen konnten. Gleichzeitig wusste sie aber auch, dass diese nicht übermässig viele Urlaubstage zur Verfügung hatte, und es auch noch andere Menschen im Leben der Niederländerin gab.

«Um deine Frage zu beantworten. Da lässt sich bestimmt was einrichten», fügte die Niederländerin lächelnd hinzu.
«Wie wusstest du…», weiter kam Romy gar nicht als sie schon durch ein Lachen unterbrochen wurde.
«Ich kenne doch mein Mädchen! Ich bin jetzt im Theater, ich ruf dich heute Abend wieder an ja?».
«Alles klar, bis dann. Und ich freue mich auf dich Mam!», damit wurde das Telefongespräch der beiden Frauen beendet und die Blondine strahlte vor sich hin.

Für Romy war es immer etwas ganz besonderes, jemand vertrautes im Publikum zu wissen und in dieser Hinsicht hatte sie Willemijn noch nie enttäuscht. Obwohl sie noch nicht in vielen Produktionen mitgespielt hatte, so war sie an ihren grossen Tagen ihrer Karriere nie alleine gewesen, und die Niederländerin war stets an ihrer Seite gewesen.

Langsam erhob sich die Schweizerin von dem Stein, auf dem sie gerade noch gesessen hatte, trank den letzten Schluck ihres Kaffees und ging schliesslich wieder ins Theater hinein. Der Weg zu den Proberäumen führte an sämtlichen Garderoben vorbei, doch heute Nachmittag war es noch sehr ruhig und der grosse Betrieb würde erst in ein paar Stunden losgehen.

Ohne, dass es ihr so richtig bewusst gewesen wäre, blieb sie einen kurzen Moment vor einer der Garderobentüren stehen.

Es war ausgerechnet diese, eines blonden Mannes mit grünen Augen. Romy atmete tief durch, mit einem Mal erschien ihr die Luft hier drinnen doch relativ stickig. Ob sie und Mark sich wohl irgendwann einmal verstehen würden? Klar, sie beide hatten nicht unbedingt den besten Start gehabt und auch in den letzten Tagen hatten sie nicht gerade viel miteinander zu tun gehabt, doch irgendwie wurde die Blondine das Gefühl nicht los, dass er ihr absichtlich aus dem Weg ging.


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