Unausgesprochen - Wicked die Hexen von Oz

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Sunny
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Unausgesprochen - Wicked die Hexen von Oz

Beitragvon Sunny » 24.01.2011, 16:50:31

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Inhalt: "Doch auch dies bleibt unausgesprochen, wie so vieles im Lande Oz." - Es ist Nacht in der Smaragdstadt und die Gedanken, die man tagsüber mit verschiedenen Tätigkeiten zu verdrängen versucht und die einen doch nie loslassen, drängen sich an die Oberfläche.
Genre: Drama
Alterempfehlung: P12, Slash
Anmerkung: Ein älterer Oneshot von mir, der mir sehr am Herzen liegt.



Unausgesprochen

Die Welt verdunkelt sich um einige weitere Nuancen in jenen Augenblicken, in denen die Sonne hinter dem Horizont und zuvor hinter den hohen Bauten dieser vom Leben gespeisten und dennoch ausgehungerten Stadt verschwindet. Menschen ziehen durch die Straßen; ihre Schritte fest und zielgerichtet, doch mit jedem Zentimeter, den sie zurücklegen, entfernen sie sich immer mehr von ihrem eigentlichen Ziel, nach dem wir uns alle tief in unserem Inneren mit ungeheurer Sehnsucht verzehren: dem Ewigwehrenden, dem Dauerhaften, dem Unendlichen.

Sie laufen Nichtigkeiten hinterher – Sex, Geld, Macht, Glück im Spiel, abendliche Veranstaltungen zum Amüsement einiger Stunden, doch aufgesetztes Lachen hallt durch die Theatersäle, durch die Straßen, fortwährend erspäht man ängstliche Blicke, das Klammern einer Frau an den Arm ihres Ehemannes, den sie seit Jahren kennt und dennoch ist er ihr so fremd geworden, dass er kaum noch dem ihr eingeprägten Bilde zu entsprechen scheint, was sich andersherum vermutlich genauso wiederspiegelt.

Heimlich, wenn der ihr Versprochene und dem sie versprochen ist durch seine Arbeit nicht zu Hause sein kann, besucht ein anderer sie, kriecht unter ihre Decke und erwärmt in ungezügelter Lust ihren Körper, so wie es ihr Mann nicht mehr kann und eigentlich wünscht sie sich nur die grenzenlose und ungeteilte Begierde des Menschens an ihrer Seite zurück, die sich in den vergangenen Jahren beinahe spurlos verlor, nur ab und zu erblickt sie noch das heiße Glimmern in seinen Augen, das erlischt, noch bevor sie die Hände nach ihm ausstrecken konnte. Weinend sitzt sie daheim, nachdem ihr Liebhaber das Haus verlassen hat, hasst diesen Mann, hasst ihren Mann und am allermeisten hasst sie sich selbst, weil sie nicht den Mut besitzt für ihre Liebe zu kämpfen. Die Liebe zu ihm, dem sie versprochen ist.

Die Ehe ist ein hohles Wort, gesprochen in der Gewissheit und vor Gottes Augen (dies sei nur für jene festgehalten, die an den Namenlosen glauben), dass sie nicht halten kann. Liebe und Verlangen vergehen, auch wenn ein jeder nach dem Ewighaltendenden sucht, ist uns allen klar, tief in unserem Inneren, das wir es nie bekommen können. Die Sehnsucht ist ein Empfinden, welches Linderung auf Dauer untersagt und verweigert. Sie muss geschürt und immer wieder neu entfacht werden um zu bestehen. Unser Leid besteht darin, dass wir ohne sie nicht leben können, hält uns ihr Schmerz doch erst am Leben und lässt uns an den Taten festhalten, die wir zu tun gedenken. Durch sie wissen wir, dass wir noch Gefühle haben.

Die Liebe kann in keinen Alltag eintauchen, sie braucht das Neue, nie Gelebte um bestehen zu können. Doch der Alltag kehrt ein, egal wie lange man sich dagegen sträubt. Mit dem Alltag kehrt auch die Sehnsucht nach etwas anderem, oder nach dem zuvor, zurück. Das Ende ist also schon vor dem Anfang festgeschrieben. Die Menschen neigen dazu, diesen unumstößlichen Fakt nicht mit offenen Augen zu sehen. Sie hoffen, und am Schluss sind sie am Boden zerstört, weil das Ende so unaufhaltbar kam. Sie weinen, schreien, sind verzweifelt; beten und Betteln um das Vergangene festzuhalten, das doch schon längt zwischen den Fingern zerronnen ist.

Was ist mit der Freundschaft, wenn der Liebe kein Glück vorbehalten ist? Ihr ist dies ebenfalls nicht. Freundschaften beginnen, erleben einen Höhepunkt (vielleicht auch mehrere) und einen Fall aus höchster Höhe, abgerundet durch einen schmerzhaften Aufschlag, der einem die Luft aus der Lunge presst und alles zerspringt, woran man einmal glaubte. Treffen Liebe und Freundschaft zusammen, dann ist das Fiasko beim Fallen des Vorhanges riesengroß, kaum zu überwinden. Plötzlich ist man alleine und von jeder Menschenseele verlassen. Plötzlich ist man innerlich zerbrochen und es gibt nicht die geringste Hoffnung auf Heilung.

Aber habe ich dieses Schicksal nicht selbst gewählt indem ich alles hinter mir gelassen habe? Ich habe es getan und bereue es jeden Tag, weil ich dir nun so schrecklich fern bin. Dein glockenklares Lachen dringt an meine Ohren, wenn die Nacht sich wie ein dunkler Schleier um mich legt. Meine Existenz ist in diesem Land weitverbreitet, als Hexe wurde ich ausgerufen, und dennoch scheine ich unsichtbar zu sein. Niemand sieht mich, auch wenn mich täglich viele Menschen ansehen. Doch sie erkennen, wenn sie geschäftig und eilig durch die Straßen der Smaragdstadt gehen, in mir weder die gesuchte Hexe, noch die eigenständige Person, die ich bin. Sie erkennen mich nicht als Elphaba Thropp.

Glinda, du bist meine Freundin, meine Liebe und meine Sehnsucht, die einzige Person die mich je wirklich gesehen hat und du bist der Grund, warum es mir jeden Tag das Herz zerreißt, warum ich so stark darum kämpfen muss nicht die Fassung zu verlieren! Ich möchte zu dir zurückkehren, dich in meine Arme nehmen und dir sagen, dass es mir leid tut, dass ich dich liebe. Doch ich kann nicht, ich kann nicht mehr zurück. Ich habe mich entschlossen zu kämpfen, zu fliehen, unterzutauchen, mich gegen den ach so großartigen und schrecklichen Zauberer von Oz aufzulehnen um für die Unterdrückten einzustehen (zu denen ich durch meine grüne Haut wohl auch gehöre). Ich kann nicht zurück, unbeachtet dessen, was ich tief in meinem Inneren möchte (Ich möchte dich, nur dich, deine Arme und Hände spüren, deinen Duft einatmen, deine Stimme hören!), denn ich habe meine Entscheidung getroffen, so wie du die deine.

An jenem Abend, im höchsten Turm des Palastes des Zauberers habe ich dir in die blauen Augen gesehen, die verschleiert von Tränen waren, doch dein Entschluss stand fest: „Ich werde nicht mit dir auf diesem verzauberten Besen davon fliegen!“, gabst du mir stumm zu verstehen. „Verzeih mir.“ Deine Hände strichen schmerzlich sanft und entschuldigend über meine Schultern, als du den Umhang darum festzogst. Du weintest, als ich dich ein letztes Mal in die Arme schloss und du tatest es noch immer, als ich dir einen allerletzten Blick zuwarf und dann fort vom Palast, aus dem hohen Rundbogenfenster hinaus in die Nacht flog, den kalten Wind auf meinem Gesicht spürte, der meine niemals vergossenen Tränen mit eisigem Griff gefrieren ließ.

Oh ja, liebste Glinda, du hast mich noch nie weinen gesehen, denn stets wenn ich es tat, hielt ich das salzige Nass hinter meinen grünen Lidern verschlossen. Sobald es meine verfluchte Haut berührt brennt es wie Feuer, so sehr, dass es mir die Sinne rauben würde und diese Schwäche konnte ich mir damals nicht eingestehen. Würdest du mich jetzt sehen, dann wäre alles anders. Ich weine, und heiße den Schmerz willkommen, das Verlieren meiner Sinne bringt mir Erlösung, wenn mich die Erinnerungen an vergangene Tage zu sehr quälen.

Einerseits sind es die Erinnerungen an das Unrecht, das mit Doktor Dillamond geschehen ist, an den Zauberer, der mit Schrecken dieses Land regiert, doch kaum ein Mensch will das sehen (und dennoch sind es genügend um dem Wunsch ihn zu stürzen in einer kleinen Gruppe im Hintergrund der Geschehnisse in diesem Lande nachgehen zu können), und letztendlich auch an die makabere Akaber. Und kommen all diese Erinnerungen in mir hoch, so folgen jene, die dich umschließen; jene, die mich schon in jeder Stunde seit unserer Trennung nicht loslassen wollen und ich bin nicht bereit sie wie der Geruch frischgebackenen Brotes, der Morgens durch die Straßen zieht, verfliegen zu lassen. Sie sind mir ein letzter Halt in dieser Welt, in der überall Grausamkeit regiert.

Dennoch versuche ich sie oft und so gut wie möglich zu verdrängen, denn ihnen wohnt eine ganz eigene Grausamkeit inne. Sie machen mich angreifbar, verwundbar; sie machen mich schier verrückt. Glinda, mein Liebes, wie viel würde ich darum geben, die Uhr zurückdrehen zu können! Bis in die Zeit hinein in der wir ungestört auf unseren Betten in der Shiz Universität saßen, miteinander geredet und gelacht haben, als du mich jeden Tag mit deinen zarten Händen berührtest und meine Blicke sich zärtlich mit deinen verfingen. Doch ich kann es nicht, das dämliche Grimmerie zeigt mir keine magischen Worte, die das vollbringen würden! Ich durchblättere es jeden Abend aufs Neue, in der Hoffnung etwas Hilfreiches zu finden, doch nie ist meine Suche mit Erflog gekrönt.

Glinda, ich sitze alleine in meiner notdürftig eingerichteten Wohnung auf meinem Schlaflager, das Mondlicht erreicht durch das Fenster kaum den Boden zu meinen Füßen. Der Kerzenstümmel wird noch ein paar Minuten brennen bis der Docht vollends aufgebraucht ist. Das sanfte Licht wird verlöschen und ich werde keinen Schlaf finden können. Ebenso wenig wie irgendeine Ablenkung von den Gedanken an dich. Du bist in meinem Kopf, in meinem Herz, du bist mein Gefühl.

Ich selbst habe die Einsamkeit gewählt und doch wünschte ich, dass du nach mir suchst und mich findest, denn ich kann den Weg zurück zu dir nicht beschreiten, aber du - Du! - Liebste, du… .

Du wirst mich schon vergessen, mich, das grüne, eigenartige, komische, merkwürdige, abstoßende grüne Mädchen aus Munchkinland, das viele Jahre in Quadlingen zubrachte, das weiß ich. Ich bin es nicht wert, dass du meiner gedenkst und mich in Gedanken behältst! Du wirst den winkischen Prinzen Fiyero heiraten, so wie du es mir einst gesagt hast. Ihr werdet glücklich und du eine hochangesehene Frau werden. Deine erhabene Schönheit wird nie verblassen, selbst im Alter nicht. Du wirst wachsen und aufblühen, du wirst deinen Weg gehen und mich vergessen.

Ich werde weiter im Widerstand kämpfen bis ich irgendwann sterbe, vielleicht werde ich früher oder später durch blutrünstige Folter umgebracht, weil die Soldaten mich doch gefunden haben. Und wenn mein letzter säuerlicher Atemhauch die Lungen verlässt, werden meine Gedanken nur um dich kreisen und darum, wie sehr ich dich liebe, denn ich kann dich niemals vergessen. Mein Körper wird in Zwiespältigkeit erstarren. Das Gesicht zweigeteilt. Einerseits werde ich lächeln, denn du wirst mich wieder einmal unbewusst in deinen Bann ziehen, wenn ich noch einmal die schönsten Erinnerungen an dich durchleben werde, und andererseits werde ich weinen, denn du wirst nie um meine Gefühle wissen. Jeden Brief, den ich schrieb, habe ich anschließend verbrannt. Die geschriebenen Worte „Ich liebe dich“ und „Verzeih mir“ verschwanden im Feuer, doch ihre Bedeutung lastet mir schwer auf dem Herzen.

Oh Glinda, ich kenne mich mit der Liebe nicht aus, und doch weiß ich, dass ich dich liebe. Ebenso wie ich weiß, dass meine Haut grün ist und nichts diese unmenschliche Farbe hinweg spülen kann. Bin ich verflucht? Bin ich die in Fleisch und Blut gekleidete Sünde - so wie es mein Vater stets dachte und nach all den Jahren immer noch denkt? Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Mein Leben scheint tatsächlich verflucht, denn ich habe den einzigen Menschen, der mir etwas bedeutet und dem ich je etwas bedeutet habe, alleine zurückgelassen, in einer Welt voll Grausamkeit, vor der ich dich nun nicht mehr beschützen kann. Vielleicht hätte ich dich gegen deinen Willen über meine Schulter werfen und dich mit mir nehmen sollen! Ist es egoistisch, wenn ich so denke (, oder glorreich, weil ich dich beschützen will)? An und für sich ist die Antwort auf diese Frage auch egal, denn ich hätte nie dergleichen getan, ich würde es auch nie tun. Ich könnte dich nicht zwingen mit mir zu gehen, ich konnte es nicht und werde es auch nie können.

Sag, Glinda, mein Liebes, denkst du noch an mich oder hast du mich schon vergessen?

Doch diese Frage bleibt genauso wie die Worte „Ich liebe dich“ unausgesprochen, denn wer weiß ob ich dich je wiedersehen werde, meine Schöne.

Das Kerzenlicht verlischt und auch der Mond verschwindet hinter einer Wolke, sodass es im Raum dunkel wird. Nur leicht schimmert ein grünes Licht in der Ferne, dort wo das Zentrum der Smaragdstadt liegt, dort wo inmitten des Straßennetzes der Palast des Zauberers den Mittelpunkt von dieser Stadt und vom gesamten Land Oz bildet. Dort, wo Glinda, wenige Wochen nach ihrem Schulabschluss, in einem der großen Zimmer am Fenster steht und der Hexe gedenkt. Beide Frauen sind unwissend, wie sehr ihre jeweiligen Gedanken um die andere kreisen und wie nah sie sich eigentlich sind! Die Liebe ist ein Gefühl, das so viele Emotionen in sich birgt, doch im Falle der Hexe und der heranwachsenden Zauberin bringt sie Schmerz und Trauer, da sie unausgesprochen und ungelebt ist.

Haben diese beiden, wie die Frau, die ihren Mann betrügt und sich dennoch nur nach ihm sehnt, nicht den Mut für ihre Liebe zu kämpfen? Nein, sie hätten ihn, doch ihnen sind die Hände gebunden, ganz so, als würde ein Außenstehender die Fäden in der Hand halten. Doch auch dies bleibt unausgesprochen, wie so vieles im Lande Oz.


The End

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Marie Antoinette
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Re: Unausgesprochen - Wicked die Hexen von Oz

Beitragvon Marie Antoinette » 24.01.2011, 19:12:12

eine schöne Geschichte... :))

Wünschte, dass ich auch so schreiben könnte... aber da bin ich Lichtjahre davon entfernt :D


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