Sicher höre ich deine Meinung gern Um Meinungen zu hören, stell ich die Story ja schließlich hier rein
Und hier eine Fortsetzung, viel Spaß
16. Kapitel – Ich will nicht sehen, was zwischen uns steht
Der Wecker schrillte.
Ich schreckte hoch und ließ mich dann wieder in die Kissen fallen. Genervt tastete ich nach dem Wecker, griff nach ihm und warf ihn gegen die Wand.
Von dem lauten Splittern schrak ich hoch und fluchte laut, als mir klar wurde, was ich gerade getan hatte. So ein Mist! Jetzt würde ich mir einen neuen Wecker kaufen müssen.
Als mir aber einfiel, was heute für ein Tag war, zog ich mir stöhnend wieder die Bettdecke über den Kopf. Vor diesem Tag hatte mir schon seit fast zwei Wochen gegraut.
Die Semesterferien waren vorbei. Ich musste wieder zum Unterricht erscheinen. Dort würde ich zwangsläufig Marco sehen, Anna – und Mike.
Was mich vor einigen Wochen noch in freudige Erwartung versetzt hätte, erfüllte mich jetzt... Ich möchte fast sagen, mit Angst und Schrecken.
Ich konnte mir nichts Alptraumhafteres vorstellen, als in Musiktheorie zwischen Anna und Mike zu sitzen und zu tun, als wäre nichts passiert.
Ich stand mit einem tiefen Seufzer auf und ging ins Bad.
Eine heiße Dusche entspannte mich etwas, aber eine wirkliche Hilfe war auch das nicht.
Eine halbe Stunde später verließ ich ohne Frühstück, aber mit meiner Tasche das Haus und summte auf dem Weg zur S-Bahn leise vor mich hin, um meine Stimme aufzuwärmen.
Mich verwunderte fast, dass dieser Tag nicht anders war als jeder normale Wochentag sonst auch. Die S-Bahn kam pünktlich, ich stieg zwischen gähnenden, Zeitung lesenden Beamten auf dem Weg zur Arbeit und lärmenden Schulkindern ein und stieg an der üblichen Station aus.
Königsplatz.
Ich ging durch die Station nach oben, überquerte die Luisenstraße, ging über den Königsplatz und bog in die Arcisstraße ein. Nichts Neues.
Der gleiche Weg wie immer.
Aber ein ungewohnter Schauer lief mir über den Rücken, als ich die Stufen zur Hochschule hinaufstieg. Ich hoffte, Mike würde krank sein, aber ich wusste, dass diese Hoffnung sich nicht bewahrheiten würde.
Ich zuckte zusammen, also jemand mich von hinten umarmte.
»Hi, Rike!«
Aber es war zum Glück nur Anna. Ich hatte wohl etwas zu laut aufgeatmet, denn sie sah mich verwundert an. »Alles klar?«
»Ja, sicher«, antwortete ich etwas zu schnell. Sie hob skeptisch die Augenbrauen.
»Ich dachte nur, du wärst Mi– Marco«, erklärte ich und hoffte, dass meine schauspielerischen Fähigkeiten ausreichten.
Sie taten es.
»Ach dieser Idiot!«, ging sie darauf ein. »Wusstest du, dass Melissa jetzt auch mit ihm Schluss gemacht hat? Geschieht ihm vollkommen recht, wenn du mich fragst!«
Erleichtert über das Thema ging ich darauf ein und über Marco herziehend gingen wir in Improvisation.
Ich hatte Mike noch nicht gesehen und hielt auch nicht gerade Ausschau nach ihm. Ich war froh, wenn er mich nicht bemerkte. Aber während ich Jessica und Vincent, zwei Studenten aus dem Jahrgang über mir, bei einer Improvisation zusah, fragte ich mich zunehmend, wo er war.
Verstohlen sah ich mich um und begegnete Marcos Blick. Schnell sah ich wieder auf Jessica.
Unauffällig stieß ich Anna in die Seite.
»Was?«, flüsterte sie und schob einen schon ziemlich vollgekritzelten Zettel zu mir herüber.
Ich suchte eine freie Ecke und schrieb hastig,
hast du Mike heute schon gesehen? Wo ist er denn?
Sie las schnell und flüsterte mit einem Blick zu der Professorin: »Ich weiß auch nicht. Er hat gestern gemeint, er hat keine Lust auf Impro und kommt vielleicht erst zu Musiktheorie nach.«
»Und was ist mit Stepptanz?«, murmelte ich ohne die Lippen zu bewegen mit Blick auf Vincent.
»Keine Ahnung, sag ich ja«, erwiderte Anna leise und wandte sich wieder ihren Notizen zu.
Im Stepptanz musste ich nicht fürchten, Mike zu begegnen, weil Frauen und Männer getrennt unterrichtet wurden. Bisher hatte ich das nie gemocht; ich fragte mich regelmäßig, was mit dieser lächerlichen Trennung erreicht werden sollte.
Aber heute war ich dankbar – selbst wenn Mike nicht da war, konnte ich so auch Marco aus dem Weg gehen.
Nach über zwei Stunden schweißtreibenden Trainings ging ich mit Anna zu den Umkleiden.
»Was machst du eigentlich am Wochenende?«, wollte sie wissen, als wir die Tanzkleidung gerade wieder einpackten.
Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern.
»Weiß noch nicht so genau. Wieso?«
»Naja...«, sie zögerte, »ich dachte, wir könnten mal wieder was zusammen machen. Ich weiß nicht, wie lange es her ist, dass wir zu zweit was unternommen haben, mal ganz ohne die Jungs. Wie wär's?«
»Das wäre echt super, Anna!« Ich war begeistert. So könnte ich bald wieder mal etwas mit ihr machen, ohne befürchten zu müssen, Mike über den Weg zu laufen.
»Schön«, lachte sie. »Und, was machen wir? Shoppen geht ja sonntags nicht«, bedauerte sie.
»Nein, stimmt«, seufzte ich. »Aber du hast ja auch am Mittwoch schon um drei Schluss, oder? Können wir dann noch gehen? Ich hab neulich so einen süßen Pullover gesehen, dazu muss ich unbedingt deine Meinung hören.«
»Ja, das wäre gut, Ich brauche auch dringend eine neue Jeans.«
»Klar, ich helf dir beim Aussuchen. Und«, mir fiel das Ereignis von heute früh ein, »ich brauch einen neuen Wecker.«
Plaudernd gingen wir weiter. Ich begann gerade zu glauben, dass ja doch alles wie früher war – als plötzlich jemand um die Ecke kam.
Und die Erinnerung war wieder da.