Inhalt: Ein Wicked Ficlet, angesiedelt in Elphabas Kindheit. Das war eine spontane Idee, die mir beim Lesen von anderen Wicked Geschichten gekommen ist.
Rating: PG
Genre: Silent
Disclaimer: Wicked gehört nicht mir, ich leih mir die Figuren nur mal so zum Spaß aus.
Dedication: für Coco, die mir betagelesen hat, und für Kitti, die sehr inspirierend sein kann
~~~~~~~~
Wenn die Wolken weinen
von Sisi
Fröhliches Kinderlachen erfüllte den kleinen Spielplatz. Einige Mädchen und Jungen, nicht älter als zehn, tollten ausgelassen zwischen den Geräten umher. Sie hatten viel Spaß beim rutschen, schaukeln, oder auch nur fangen spielen. Nur ein Mädchen war allein. Es war nicht wie die anderen, und sie ließen es niemals mitspielen.
Für ihre neun Jahre war Elphaba groß, sie überragte die gleichaltrigen Kinder um etwa einen halben Kopf. Sie hatte schwarzes seidig glänzendes Haar und ebenso dunkle Augen, mit einer gesunden hellen Hautfarbe wäre sie ein hübsches Kind gewesen. Doch sie war grün seit ihrer Geburt. Deswegen saß sie allein abseits, in einem Buch lesend, während die anderen Jungen und Mädchen spielten.
„Das Spinatgesicht liest ja schon wieder“, rief da eines der Kinder, ein blonder Junge, woraufhin diejenigen in Gelächter ausbrachen, die ihn gehört hatten.
Elphaba reagierte nicht, sie hatte es sich abgewöhnt. Die Kommentare schmerzten jedoch trotzdem tief in ihrem Inneren. Während sich andere Kinder Spielsachen wünschten, wollte sie nur wie ein Mensch behandelt werden, nicht wie eine Aussätzige. Wie ein Ungeheuer.
Plötzlich wurde ihr das Buch aus der Hand gerissen. Der blonde Junge machte sich damit davon. „Hol es dir doch, wenn du kannst, Spinatgesicht!“
„Gib es wieder her!“ schrie sie, ihm hinterher rennend. Doch bevor sie ihn erreichte, warf er es einem seiner Freunde zu. Sie änderte daraufhin ebenfalls die Richtung. Als ihre Lektüre zum vierten Mal den Besitzer wechselte, wurde sie es leid. „Was wollt ihr überhaupt damit? Ihr versteht ja doch nur Bilderbücher.“
Sie ließ sich in die Wiese sinken, wartete darauf, dass den Jungen das Spiel langweilig wurde, und sie ihr das Buch wieder gaben. Doch bevor das geschah, begann der Himmel zu grollen. Sie hatte die herauf ziehenden dunklen Wolken gar nicht bemerkt, und jetzt konnte es jeden Moment zu regnen beginnen. Es war Zeit zu gehen. Seufzend sah sie sich nach ihrer Lektüre um.
„Suchst du das da?“
Der blonde Junge von vorhin hob das Buch in die Höhe. Er war mittlerweile die Leiter zur Rutsche empor geklettert. Mit einem bösen Grinsen warf er es in die Krone des nahen Baumes, wo es sich zwischen ein paar Ästen verfing, und rutschte hinab, wo seine Freunde standen.
Elphaba überwand rasch die Leiter, und versuchte von der Plattform der Rutsche aus nach dem Buch zu greifen. Doch dafür war sie nicht groß genug, gut eine halbe Armeslänge fehlte. Die Kinder unten lachten schallend über ihre jämmerlichen Versuche sich möglichst lang zu machen.
„Na du Spinatgesicht, bist du etwa zu klein?“ spöttelte ein untersetzter dunkelhaariger Junge, und ein blondes Mädchen kicherte.
Der Himmel grollte erneut bedrohlich. Jetzt begann es auch zu regnen. Jeder einzelne Tropfen brannte wie Feuer auf Elphabas bloßen Armen und in ihrem Gesicht, doch sie wollte nicht aufgeben. Das Buch durfte nicht kaputt gehen, ihr Vater würde sonst sehr böse mir ihr werden.
Weil ihr nichts Besseres einfiel, sprang sie in die Höhe, und schaffte es tatsächlich nach ihrer Lektüre zu greifen. Diese löste sich aus dem Geäst, sodass das Mädchen abstürzte, als es keinen Halt mehr hatte. Der Aufprall auf dem Boden schmerzte weniger als das Regenwasser auf der verfluchten grünen Haut.
Die Neunjährige rappelte sich in die Höhe, sie mied die gehässigen Blicke der anderen Kinder, die jetzt begannen mit Ästen und kleinen Steinen nach ihr zu werfen. Sie spürte die aufprallenden Geschosse kaum, jedoch die Demütigung umso mehr. Und sie konnte nirgendwo hin fliehen, zu Hause erwartete sie keine Hilfe. Ihre Mutter lebte nicht mehr, ihrem Vater war sie egal, er hasste sie regelrecht.
„Nicht ich bin das Monster, sondern ihr...“, sagte sie tonlos. Ihre Stimme zitterte vor Schmerz, doch sie versuchte sich keine Blöße zu geben.
Das blonde Mädchen, das helle rosige Haut und strahlend blaue Augen besaß, lachte silberhell auf. „Ach ja? Falls es dir nicht aufgefallen ist, sehen wir normal aus. Nur du bist ein Spinatgesicht.“
„Ja, ein Spinatgesicht!“ stimmte der untersetzte Junge ein, und gleich darauf riefen alle anderen Kinder wieder und wieder dieses Wort, verbalen Faustschlägen gleich. Ihre Stimmen klangen immer lauter, und immer schriller. Sie weideten sich am Leid des Mädchens, das sie so peinigten.
Elphaba ertrug das Geschrei nicht mehr, sie presste sich verzweifelt die Hände auf die Ohren. Das Buch fiel zu Boden. Ein letztes böses Lachen, und die Kinder verschwanden, sie liefen nach Hause, wo sie von ihren Eltern versorgt wurden, trockene Kleidung und ein heißes Getränk bekamen.
Das grünhäutige Mädchen sank kraftlos zu Boden. Mittlerweile brannten die einzelnen Tropfen nicht mehr, sondern Elphabas ganzer Körper schien in Flammen zu stehen. Vielleicht, wenn sie Glück hatte, brachte die Allergie sie um, dann musste sie all die Demütigungen nicht mehr länger ertragen. Ihren Vater würde es ohnehin nicht kümmern, wenn sie auf einmal nicht mehr da war.
„Elphie? Wo bist du?“
Die Stimme ließ sie schwach den Kopf heben. Sie erkannte ihre kleine Schwester Nessarose, die mit ihrem Rollstuhl mühsam über den nassen Weg heran kam.
„Hier, Nessa... ich bin hier.“
Elphaba rappelte sich erneut auf die Beine. Sie konnte kaum stehen, weil ihre Glieder bei jeder Bewegung unsagbar schmerzten. Der eine Mensch auf der Welt, der sie gern hatte, gab ihr jetzt wieder Kraft. Auch mit Nessarose hatte es das Schicksal nicht gut gemeint, sie wusste wie es war, anders zu sein, denn sie hatte nie einen Schritt getan. Obwohl es sie sehr anstrengte, war sie den Weg hierher gekommen, um ihre große Schwester zu suchen.
Elphaba hob das Buch auf, und ging so schnell sie konnte hinüber zu Nessarose, um den Rollstuhl unter die Plattform der Rutsche zu schieben, wo es trocken war. Sie konnte nicht mehr. Ihr Kopf sank auf die Schulter ihrer Schwester. Diese legte vorsichtig den Arm um sie, und sie warteten zusammen auf das Ende des Gewitters. Sie beschützten einander vor den Gemeinheiten der Welt.
Mit dem nachlassenden Regen vergingen auch langsam die brennenden Schmerzen. Doch Ereignisse wie dieses würde es noch oft geben, das wusste Elphaba genau. Sie war anders, und würde es bleiben. Aber so lange es jemanden gab, der sie mochte wie sie war, würde sie alles ertragen.
Mit einem leichten Seufzten steckte sie das völlig durchnässte Buch in den Beutel von Nessaroses Rollstuhl, und schob ihre kleine Schwester zurück nach Hause. Einige wenige Sonnenstrahlen durchbrachen bereits die dunklen Wolken.