So, wieder mal Zeit für einen neuen Teil. Der ist für Ariliana, weil sie immer so fleißig liest und kommentiert Und es wäre sehr nett, wenn andere, die hier mitlesen (falls das jemand tut) sich auch mal dazu äußern könnten, wie sie die Story finden
7. Kapitel
Es vergingen mehrere Monate, bis ich Joe wieder sah. Artie hatte ihn auf unsere Silvesterfeier eingeladen, da die beiden, wie ich jetzt wusste, alte Freunde waren.
Die Feier begann und ich traf, seit Monaten zum ersten Mal, alte Freunde wieder, junge Frauen, die vor Jahren mit mir zur Schule gegangen waren und auch frühere Liebhaber. Es tat so gut, nach Monaten ununterbrochener Arbeit wieder einen Abend lang mit Bekannten zu reden, zu lachen und einfach Spaß zu haben.
Joe Gillis tauchte allerdings zunächst nicht auf. Wahrscheinlich war das klüger von ihm, denn ich war alles andere als begeistert, dass er mich mit „Blind Windows“ allein gelassen hatte. Dieses Drehbuch war der Hauptgrund für die harten Arbeitszeiten meiner letzten Wochen. Aber meine Ausdauer hatte sich gelohnt: Sheldrake hatte meine Vorarbeit zu lesen bekommen und war ganz begeistert von der Story. Wenn ich Glück hatte, konnte ich Joe doch noch von einer Zusammenarbeit überzeugen, aber da gab es einen Haken: Die letzten Wochen hatte ich mehrfach versucht, ihn zu erreichen, aber er war wie vom Erdboden verschluckt. Langsam war ich mit meinem Latein am Ende, wie ich ihn erreichen sollte. Aber wütend war ich trotzdem noch auf ihn – mich einfach mit dem Drehbuch sitzen zu lassen! Er konnte gar nicht so viel zu tun haben, dass eine Zusammenarbeit unmöglich gewesen wäre. Schließlich hatte ich ihn seit Monaten nicht in den Paramount Studios gesehen.
»Hey, Gillis!«, rief Artie plötzlich. »Wir hatten dich schon aufgegeben!«
Ich drehte mich um und sah Joe im Eingang stehen. Noch vor einer Minute wäre ich in dieser Situation zu ihm gegangen und hätte ihm gründlich die Meinung gesagt, aber auf einmal war ich einfach nur froh, ihn zu sehen.
Erleichtert lächelnd ging ich auf Artie und ihn zu, um meine Pflicht als Gastgeberin zu tun und ihn zu begrüßen.
Artie musterte gerade Joes Mantel und pfiff anerkennend durch die Zähne.
»Wow, Joe, woher ist das denn?«
Joe lächelte nur und antwortete mit einem geheimnisvollen Schulterzucken. Als er den Mantel auszog, kam ein ebenfalls brandneues, modisch geschnittenes Hemd zum Vorschein. Artie hob anerkennend die Augenbrauen.
»Und von wem hast du das geliehen? Adolphe Menjou?«
Joe lachte.
»Fast, aber ohne Zigarre.« Er sah sich um und wechselte abrupt das Thema. »Es ist ziemlich voll hier dieses Jahr!«
Artie nickte bestätigend. »Ich habe alle eingeladen, die in meinem neuen Film mitspielen und noch eine Menge anderer Leute...«
Ich mischte mich in das Gespräch ein.
»Joe, wo hast du gesteckt? Ich habe in deiner Wohnung angerufen, bei deinem Ex-Agent... Beinahe hätte ich dich schon übers Detektivbüro suchen lassen«, fügte ich scherzhaft hinzu.
Joe grinste und zwinkerte mir zu. »Gute Idee. Die wissen immer, wo ich bin...«
Aber auf meine Frage antwortete er nicht.
Später am Abend begann ich wieder ein Gespräch mit Joe und erzählte ihm von meinem ersten Erfolg mit „Blind Windows“ bei Sheldrake.
Joe atmete erleichtert aus. »Halleluja!«
Ich lächelte ironisch.
»Während du dir Vicuna-Hemden gekauft hast«, mein Blick blieb an seinem Hemd hängen, »habe ich zumindest die Vorarbeit geleistet. Jetzt hätten wir eine Menge Arbeit, wir müssen–«
Joe unterbrach mich.
»Betty, du vergisst etwas: Ich habe dir die Rechte gegeben. Ich habe mit der ganzen Sache nichts zu tun.«
»Nichts damit zu tun?«, echote ich ungläubig. »Du hattest jedenfalls die erste Idee. Bitte, Joe! Wir könnten damit so einen Erfolg landen...«
Joe schüttelte den Kopf.
»Du erinnerst mich ziemlich an mich, früher, als ich gerade hier angekommen war. Ich war auch so optimistisch, so voller Ideen und Hoffnung. Ich dachte, ich gehe jetzt einfach in ein Studio und werde über Nacht berühmt. Aber es hat nicht so geklappt, wie ich es gern gehabt hätte. Außerdem habe ich zu viele Optimisten so schnell wieder von hier verschwinden sehen, wie sie gekommen sind. L.A. ist knallhart, Betty. Das habe ich als harte Lektion lernen müssen und das wirst du auch lernen müssen, wenn du „Blind Windows“ wirklich weiter bearbeiten willst. Es ist alles nicht so schön einfach, wie es bisher scheint.«
Ich seufzte. »Joe, ich weiß genau, dass es nicht einfach ist. Ich habe jetzt monatelang gearbeitet, um zumindest eine erste Anfangsarbeit zu schaffen. Aber zu zweit können wir es machen! Wir haben wirklich eine Chance.« Mein Blick blieb an ihm hängen. »Du bist zu gut, um einfach aufzugeben. Du kannst es, ich weiß das. Du musst es nur versuchen.«
Joe erwiderte meinen Blick und zum ersten Mal sah ich so etwas wie Hoffnung in seinen Augen. Das machte seine Augen viel schöner... Nein. Das sollte ich nicht einmal denken. Ich war schließlich mit Artie verlobt! Ich schüttelte diese Gedanken ab und ergriff die Chance, ihn weiter zu überreden.
»Ich liebe „Blind Windows“, aber ich weiß, dass ich es allein nicht schreiben kann. Ich bin einfach nicht gut genug. Bitte hilf mir, Joe! Meinetwegen auch per Telefon. Oder ich kann zu dir kommen. Ich habe fast jeden Abend frei...«
»Moment«, unterbrach Artie uns lachend. »Weißt du noch – ich bin der Typ, der den Ring gekauft hat!«
Ich lächelte. »Schon klar. Das hier ist rein geschäftlich. Aber es ist sehr wichtig für mich...« Ich unterbrach mich und sah Joe fest in die Augen. »Bitte – als Neujahrsgeschenk für mich?«
Joe zögerte. Wir sahen eine Weile dem Treiben um uns herum zu.
Schließlich seufzte er ergeben.
»Weißt du – im neuen Jahr habe ich etwas mehr Zeit.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Genau genommen habe ich richtig viel Zeit. Ab sofort.«
Ich lachte erleichtert.
»Das ist super, Joe, vielen Dank!« Ich fiel ihm um den Hals, ließ ihn aber schnell wieder los, als ich Arties Blick bemerkte. Um meine eigene Verwirrung zu überbrücken, stellte ich mich neben Artie und nahm seine Hand.
»Artie, kann ich bei dir mal telefonieren?«, fragte Joe. Artie nickte.
»Klar. Das Telefon ist unter der Bar.«
»Danke.« Joe drehte sich um, zögerte aber noch kurz. Sein Blick wanderte von mir zu Artie. »Könnte ich vielleicht für ein paar Wochen bei euch bleiben, bis ich eine neue Wohnung habe?«
»Wenn es dir nichts ausmacht, auf der Couch zu schlafen...«
Joe lächelte dankbar. »Kein Problem.«
Damit drehte er sich um und ging, um zu telefonieren. Ich sah ihm nach. Wen er jetzt wohl anrief?
Joana, eine alte Freundin, riss mich as meinen Gedanken. »Nur noch zwei Minuten bis Mitternacht!«, rief sie übermütig und ich lief mit Artie und den anderen nach draußen, um die Feuerwerke nicht zu verpassen.
Alle Augen wanderten zwischen der Uhr und dem klaren Dezembernachthimmel hin und her. Aus dem Augenwinkel sah ich Joe drinnen an der Bar stehen. Er wirkte beunruhigt. Ich runzelte die Stirn und wollte hineingehen, um den Grund zu erfahren. Aber dazu kam es nicht.
»Drei – zwei – eins – frohes neues Jahr!«, rief es plötzlich von irgendwoher und im gleichen Moment schien der Himmel zu explodieren in einem Regen von Feuerwerken. Es sah wirklich fantastisch aus. Artie drückte mich an sich und flüsterte mir etwas ins Ohr, das ich nicht verstehen konnte, so laut waren alle anderen. Ich erwiderte seinen Kuss und kämpfte mich anschließend zwischen allen anderen durch, wünschte jedem ein frohes neues Jahr und schaffte es schließlich ins Wohnzimmer. Dort war jetzt niemand – bis auf Joe. Er stand neben dem Telefon. Ich hatte ihn noch nie so bleich gesehen. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht.
»Joe?«, sprach ich ihn an, etwas unsicher, wie er reagieren würde. Er schien mich gar nicht gehört zu haben. Ich ging zu ihm und legte ihm eine Hand auf den Arm. Er zuckte zusammen und sah mich an.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich. Die Antwort war mir längst klar, ohne dass er etwas sagte. »Was ist passiert, Joe?«, wollte ich wissen. Er gab keine Antwort und starrte mich an, als hätte er mich noch nie gesehen. Plötzlich, zu meiner Überraschung stieß er mich zur Seite, sodass ich fast gegen die Bar fiel, griff sich seinen Mantel und eilte hinaus. Ich sah ihm ungläubig nach. Was war nur passiert?