Und noch einmal Milady :)

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Beitragvon ChristineDaae » 16.12.2007, 20:15:51

Erste! :D Der neue Teil ist wirklich gut :)
Nur: Ich glaube, es heißt nicht der Louvre, sondern das Louvre, oder?^^
Und bei Sébastien hast du den Accent falsch gesetzt. :wink:

Aber jetzt schnell weiter, ich will wissen, was Milady mit dem Kardinal besprochen hat... :D
Freue dich, wenn es regnet – wenn du dich nicht freust, regnet es auch.
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Beitragvon Sisi Silberträne » 16.12.2007, 20:37:14

Das Museum heißt das Louvre, aber ich glaub der Königspalast damals war schon der Louvre... bin nicht sicher.
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Beitragvon armandine » 17.12.2007, 03:04:46

Es heißt in beiden Fällen "der", den sächlichen Artikel gibt es im Französischen gar nicht...

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Beitragvon Sisi Silberträne » 17.12.2007, 10:27:45

Ja, aber man kann oft nicht genau dem Original entsprechend übersetzen. Zum Beispiel findet man bei einem modernen französischen Roman in der deutschen Übersetzung mit Sicherheit die Anrede "Sie" statt, wobei die Franzosen sich natürlich auch heute noch mit "vous" also Ihr/Euch anreden.
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Beitragvon armandine » 17.12.2007, 16:07:18

Stimmt natürlich. Ich wollte damit auch nur zum Ausdruck bringen, dass im Fall des Louvre auch in einem deutschen Text der dem Französischen entsprechende Artikel "der" benutzt wird. Insofern lag unssere atorin aarchtig. Mit dem Accent hat Christine recht. :lol:

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Beitragvon Marie Antoinette » 18.12.2007, 18:19:52

Danke euch allen! :)

Und schon gehts wieder weiter...


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Der große Ballsaal des Louvre erstrahlte in all seiner Pracht, als am Abend des neunten September 1626 die Geburtstagsfeierlichkeiten für den Ersten Minister Seiner Majestät Seiner Eminenz Kardinal Richelieus eröffneten wurden.
Die letzten zwei Tage waren ohne besondere Vorkommnisse vergangen. Die letzten Vorbereitungen für die Geburstagsfeier waren getroffen worden und zu Miladys großer Verwunderung schien der Kardinal das Attentat erstmal vergessen zu haben. Er sprach nicht mehr davon und obwohl Athos nach wie vor als Beschuldigter sein Dasein im Verlies des Kardinalspalastes fristete, wurde erstmal von weiteren Verhören oder gar Folterungen abgesehen.
Milady vermutete, dass es nur eine Maßnahme Richelieus war, um sie nach dem auf sie selbst verübten Anschlag durch Rochefort, Julien und die anderen Kardinalswachen versöhnlich zu stimmen, stellte aber keine Fragen.
Constance Bonacieux war ebenfalls unter den zahlreichen Gästen und glaubte, zu träumen. Nachdem sie zufällig zwei Tage zuvor auf den Kardinal gestoßen war der wusste, wer sie war, war sie schon wie auf Wolken geschwebt, aber ihre ganze Schwärmerei war noch schlimmer geworden, als ein Tag später plötzlich zwei schwarzrot Uniformierte vor der Weinhandlung Bonacieux aufgetaucht waren. Erst hatte Constance mit etwas schlimmem gerechnet, aber die Leibgardisten hatten nur den Auftrag erhalten, ihr einen Brief zu überbringen – die Einladung zu der Feier. Auf Anordnung des Kardinals höchstpersönlich.
Zum Glück war ihr Onkel nicht dagewesen… der hätte sie bestimmt aus ihren Träumerein herausgerissen...
Wieder zurück im Louvre hatte sie vor lauter Begeisterung mal wieder einen Fehler nach dem anderen gemacht, was der zweiten Hofdame der Königin, einer Herzogin mit Vornamen Cathérine, die nur ein paar Jahre älter war als Constance selbst, aufgefallen war.
Sie hatte Constance zur Seite genommen und sie aufgefordert, ihr im Vertrauen zu erzählen, was ihr durch den Kopf ging. Und das hatte Constance getan, zwar ängstlich, dass Cathérine sie deswegen auslachen oder mit ihr schimpfen würde, … aber das genaue Gegenteil war der Fall. Cathérine hatte ihr doch tatsächlich angeboten, ihr eines ihrer Kleider für den Ball auszuleihen und ihr noch einiges gesagt, auf das sie achten musste.
„Es braucht ja für einen Abend keiner zu wissen, dass du nur eine Zofe der Königin bist…“
Und dann, letztendlich: „Keine Sorge, das bleibt unter uns… ich weiß wie es ist wenn man heimlich in jemanden verliebt ist, der unerreichbar scheint…“
Constance hätte zu gerne gewusst, wen Cathérine meinte, aber fragen durfte sie das natürlich nicht.
Sie war zutiefst erleichtert darüber, dass nicht alle Hofdamen der Königin so fürchterlich waren wie Niniane. Und wenn die Standesunterschiede nicht wären – vielleicht hätte sie sich dann auch mit Cathérine anfreunden können…
Weitere Bedenken waren ihr eingefallen. Wie konnte sie nur ihrem Onkel verheimlichen, dass sie zu den Geburtstagsfeierlichkeiten des Kardinals ging? Pascal Bonacieux gehörte nämlich zu denen, die Seine Eminenz nicht leiden konnten… Aber auch dafür hatte Cathérine eine Lösung gefunden, die darin bestand dass Constance einfach sagte, sie musste an dem Abend im Palast arbeiten, weil aufgrund der Feierlichkeiten jeder einzelne Angestellte benötigt wurde und nach der Feier sollte Constance einfach bei ihr übernachten.
„Das ist doch das kleinste Problem… wenn du schon einmal die Gelegenheit hast, als Gast an einer der Hoffeierlichkeiten teilzunehmen, musst du diese auch verwirklichen. Vor allem nachdem, was du mir erzählt hast…“
Sie hatte Constance vielsagend angelächelt und Constance hatte das Lächeln erwidert. Ja, es war richtig gewesen, sich Cathérine anzuvertrauen.
Bevor sie den Festsaal betrat, betrachtete sich Constance noch einmal prüfend in den verspiegelten Wänden des Flurs. Obwohl Cathérine ihr gesagt hatte dass sie in ihrem golden-blauen Kleid wie eine Prinzessin aussah, wollte sie das eigentlich nicht sein. Sie wollte eigentlich lieber so ähnlich aussehen wie Milady de Winter. Was würde die wohl für ein Kleid tragen? Und die wichtigste Frage von allen – wer war sie eigentlich?
„Woran denkst du denn schon wieder, Constance?“ fragte Cathérine.
„An gar nichts“, Constance fühlte sich ertappt und sah verlegen zu Boden.
- „Gut möglich. Dann frag ich anders.“ Die junge Herzogin lächelte verschmitzt. „An wen?“
Constance erzählte ihr von Milady, verzichtete aber darauf, den Namen zu erwähnen. Cathérine nickte wissend.
„Das ist Anne de Rochefort, sie ist eine Cousine von Hauptmann Rochefort von der Leibgarde Seiner Eminenz…“
„Madame de Rochefort?“ iederholte Constance. Irgendwie machte das doch keinen Sinn… warum hatte sie sich denn als „Milady de Winter“ vorgestellt und Cathérine sprach von ihr als eine Verwandte des schrecklichen schwarzrot uniforrmierten Hauptmanns? Und wieso sollte denn eine Verwandte von Rochefort dauernd in der Nähe des Kardinals sein?
„Ja, sie ist…“ setzte Cathérine an, etwas zu sagen, brach jedoch ab.
Im gleichen Augenblick bahnte sich nämlich einer der Leibgardisten Richelieus einen Weg durch die Menge der Ballgäste, die respektvoll zur Seite wichen als handele es sich nicht um einen Wachposten, sondern um Seine Eminenz höchstpersönlich.
„Mademoiselle Constance Bonacieux?“ vergewisserte sich der Leibgardist und blieb direkt vor ihr und Cathérine stehen.
Constance sah Cathérine fragend an. Diese sah jedoch ebenfalls verwundert drein.
„Ja, die bin ich“, bestätigte Constance dann unsicher.
- „Dann habe ich Euch aufzufordern, mir zu folgen“, erwiderte der Uniformierte.
„Was?!“
In ihrer Aufregung war dieser Ausruf Constance nur herausgerutscht, innerlich verfluchte sie sich selbst. Das war ja wieder eine völlig dumme Reaktion gewesen… so würde doch kein Mitglied des Hofes reagieren.. da fragte man so würdevoll man konnte „Worum geht es?“oder irgend etwas ähnliches…
Nein, dachte Constance, ich werde wohl nie eine feine Dame werden… obwohl mir Cathérine doch zusätzlich dazu dass sie mir das Kleid geliehen hat, ein paar Verhaltensregeln beigebracht hat… mir fehlt einfach jede Klasse… Oh je, ich gäbe ja eine schöne Herzogin von Richelieu ab…
Dann fiel ihr ein Grund ein, was der Wachposten möglicherweise von ihr wollte.
„Ich bin hier völlig zu Recht“, fuhr sie aufgeregt fort weil sie jetzt dachte, dass der Wachposten sie vielleicht herauswerfen wollte, „ich hab eine Einladung bekommen und…“
„Nun beruhigt Euch doch“, sagte der Uniformierte, „niemand bezweifelt, dass Ihr unberechtigt hier seid, Mademoiselle. Im Gegenteil… Ich habe nämlich Befehl erhalten, Euch zu Seiner Eminenz zu bringen. Der Kardinal würde sich gerne mit Euch unterhalten.“ erklärte er dann den Grund für sein Auftauchen vor den beiden Frauen.
Wieder tauschten Constance und die Herzogin verwunderte Blicke.
Dann hatte sich Constance einigermaßen gefasst.
„Wenn das der Wunsch Seiner Eminenz ist“, erwiderte sie, „werde ich natürlich mitgehen.“ erwiderte sie, nickte Cathérine grüßend zu, folgte dem Uniformierten und versuchte sich nichts mehr anmerken zu lassen.
Schon wieder gingen ihr Fragen über Fragen durch den Kopf. Warum war sie eigentlich zu den Geburtstagsfeierlichkeiten eingeladen worden und warum wollte der Kardinal sie sprechen? Vor wenigen Tagen hatte sie noch bezweifelt, dass Seine Eminenz überhaupt wusste, wer sie war… und jetzt das?
Während sie durch die Menge geführt wurde, wurde Constance jedoch von ihren vielen Fragen abgelenkt, denn sie hörte viele kritische Stimmen, die zum Teil die an einem solchen Anlass üblichen Lobeshymnen überstimmten. Diejenigen, die dem Kardinal nichts abgewinnen konnten, ließen sich nichteinmal durch die im Saal verstreuten rotschwarz Uniformierten beirren.
„Seine Eminenz entstammt eigentlich nur einer sehr niederen Adelsfamilie.“
„Aber Ludwig ist doch eigentlich nur ein Schattenkönig. Der Kardinal hat die wahre Macht. Längst führt er das Regiment hier am französischen Königshof.“
„Eigentlich hat er einen zweifelhaften Ruf. Er soll verschlagen, raffgierig und verschwenderisch sein…“
„Von der einen Sache ganz zu schweigen…“
„Es ist schon unfassbar… die Bevölkerung ist zum Teil so arm und der Kardinal trägt roben aus goldbesticktem roten Brokat und Ringe aus reinem Silber… So viel Prunk und das alles für ihn…“
Der Wachposten, der Constance durch die Menge führte, hörte die Bemerkungen wohl auch, ließ sich aber davon nicht beirren, wie sie bemerkte. Wahrscheinlich hatte er selbst auch keine besonders hohe Meinung von Seiner Eminenz.
„Wir sind am Ziel“, bemerkte er plötzlich und trat zur Seite.
Sie waren an der Seite des Ballsaals angekommen, wo der Kardinal stand – umgeben von weiteren Wachen und zu seiner Rechten Milady de Winter. Oder Anne Rochefort? Wie auch immer – jedenfalls trug sie eine dunkelgrüne Robe.
Dieses Mal beachtete Constance das, was Cathérine ihr geraten hatte. Automatisch verfiel sie in eine zeremonielle, formvollendete Reverenz und hielt ihren Kopf gesenkt, bis der Kardinal sie aufforderte:
„Erhebt Euch, Mademoiselle Bonacieux.“
Constance leistete der Aufforderung Folge. Richelieu sah sie freundlich an und fuhr fort:
„Oder soll ich Euch einfach nur Constance nennen? Wie auch immer, es freut mich sehr, Euch zu sehen und dass Ihr der Einladung gefolgt seid.“
„Nicht doch, Eure Eminenz“, wehrte Constance verlegen ab, „die Freude ist ganz auf meiner Seite. Ich darf Euch meine aufrichtigsten Glückwünsche zu Eurem Ehrentag aussprechen…“ Ihr fiel noch etwas anderes ein. „Und herzlichen Dank für die Einladung.“ Ihr Blick traf den von Milady. Die lächelte sie ebenfalls freundlich an und sagte: „Guten Abend, Constance.“
- „Guten Abend…“ Constance überlegte wie sie sie anreden sollte und entschied sich dann doch für „… Madame de Rochefort.“
Milady wunderte sich. Woher wusste denn Constance nur von ihrer „Tarnidentität“?
„Nichts zu danken“, erwiderte der Kardinal jetzt wieder an Constance gewandt und jetzt lächelte er sogar. „Ich habe Euch nicht ohne Grund eingeladen, Mademoiselle. Ich wollte Euch etwas fragen.“

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Beitragvon Sisi Silberträne » 18.12.2007, 18:30:56

Was will er fragen???

Das ist mal wieder eine sehr fiese Stelle, um aufzuhören -.-

Kleine Anmerkung: erstmal klingt recht umgangsprachlich, erst einmal würde besser wirken.
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Beitragvon ChristineDaae » 19.12.2007, 16:00:51

Super! :D
Nur eine Sache:

„niemand bezweifelt, dass Ihr unberechtigt hier seid, Mademoiselle.

Da war wohl ein Denkfehler drin! :wink: Und bitte schnell weiter :D
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Beitragvon Marie Antoinette » 23.12.2007, 16:27:12

Danke, ihr zwei! :D

So, jetzt noch ein kurzer Teil... zu Weihnachten gibts dann sieben Seiten... *schonmal vorwarn*

----------------------------------------------------------------------------


Etwas später spazierte Constance, die sich von den Feierlichkeiten abgesondert hatte, alleine durch die Gärten des Louvre und dachte über Richelieus Vorschlag nach. Sie hatte erst angenommen, dass er es nicht ernst meinte, aber er konnte sie überzeugen und Constance hatte sofort aus voller Überzeugung zugestimmt.
„Nur zu schade, dass ich es nicht ganz alleine entscheiden kann“, hatte sie dann noch hinzugefügt und klang dabei etwas niedergeschlagen, „aber Ihre Majestät die Königin hat in dieser Sache das letzte Wort.“
Daraufhin hatte der Kardinal sofort vorgeschlagen, an Constances Stelle mit der Königin zu sprechen.
Auf einmal wurde sie von einer ihr wohlbekannten Stimme aus den Gedanken gerissen.
„Das kann doch nicht Euer Ernst sein, Kardinal Richelieu!“
Constance kannte nur zwei Leute, die Seine Eminenz so ansprachen. Sie lief in die Richtung aus der die Stimmen gekommen waren und achtete darauf, dass niemand sie sah. Auf Höhe einer der steinernen Springbrunnen entdeckte sie tatsächlich den Kardinal und Königin Anna, die sehr wütend zu sein schien.
„Natürlich ist es mein Ernst, Majestät. Wo liegt das Problem?“
Richelieu war im Gegensatz zu Anna so ruhig wie immer.
„Es ist einfach ausgeschlossen“, ereiferte sich Anna weiter, „dass Constance aus ihrer Stellung im Palast entlassen wird und in Eure Dienste tritt.“
„Und warum?“ fragte der Kardinal.
„Das fragt Ihr noch?“ Anna schüttelte fassungslos den Kopf. „Nach diesen ganzen Gerüchten, die man über Euch hört, ist es geradezu schädlich für Constance, in den Palais de Cardinal umzuziehen.“
Schlagartig verdüsterte sich die Miene Richelieus.
„Ihr redet von Gerüchten?!“ rief er, trat einen Schritt vor und packte den Arm der Königin, die viel zu überrascht war, um zu reagieren. „Ausgerechnet Ihr?! Über Euch gibt es ebenfalls genug Gerede, und wenn die Mademoiselle davon erfährt… Gibt es nicht ein Sprichwort das besagt, wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen?“
Anna wurde auf einmal leichenblass. Sie stellte sich eine einzige Frage. Was weiß er?!
„Eure Eminenz…“ murmelte sie und versuchte sich loszureißen, „Ihr tut mir weh! Lasst mich los!“ Sie versuchte, ihre Fassung zurückzugewinnen. „Ich werde Constance von Euch fernhalten, egal wie.“
„Indem Ihr sie notfalls einsperrt?“ Richelieu dachte vorerst nicht daran, die Königin loszulassen.
„Ich weiß nicht. Im Kardinalspalast ist jedenfalls der falsche Platz. Dort ist sie viel schlechter aufgehoben als hier. Und überhaupt… Warum braucht Ihr denn ausgerechnet jetzt eine Magd? Wegen der Verwandten des Hauptmanns Eurer Leibgarde? Warum hat sie denn nicht ihre eigene Zofe mitgebracht?“
„Ich muss mich doch vor Euch nicht rechtfertigen“, behauptete der Kardinal. „Man wird nämlich sehen, wer länger seinen Rang im Staate Frankreich behalten wird. Ihr, oder vielleicht doch…?“
Richelieu führte den Satz nicht zu Ende.
„Was wollt Ihr damit sagen?“
Unsicherheit und etwas Angst schwangen in Annas Worten mit.
„Das wird sich herausstellen“, antwortete der Kardinal, ließ Anna urplötzlich los und ging seines Weges.

-----------------------------------------------------------------------

In ihrem Versteck hatte Constance ebenfalls einen gewaltigen Schrecken bekommen. Was hatte denn Richelieu nur gemeint? Und warum war er auf einmal so wütend geworden?
Sehr schnell wich der Schreck jedoch einem anderen Gefühl. Sie wurde traurig und verzweifelt. Hatte sie sich doch ihrem Traum etwas näher gesehen und jetzt hatte Königin Anna ihr Veto eingelegt… der Traum war dadurch wohl zerstört. Und weswegen? Wegen irgendwelcher seltsamer Gerüchte…
Warum musste eigentlich jedes Mal, wenn etwas, das sie sich wünschte, zum Greifen nahe zu sein schien, jede Hoffnung wie eine Seifenblase zerplatzen? Constance wartete noch etwas ab, bis Anna ebenfalls davonging, dann ging sie zum Springbrunnen, setzte sich auf den Rand und beobachtete, wie ihre Tränen ins Wasser tropften. Die Freude an dem Abend auf dem Ball war ihr fürs erste vergangen.

-----------------------------------------------------------------------

Gleichzeitig stürmte der Kardinal wieder den Korridor zun Ballsaal entlang. Da er sich unbeobachtet fühlte, ließ er seiner Wut auf die Sturheit Ihrer Majestät in einem Fluch ihren Lauf.
„Aber, aber“, bemerkte plötzlich eine vorwurfsvolle Stimme hinter ihm, „was höre ich denn da? Gut, die Politik ist ein schweres Geschäft und ein Premierminister hat wohl öfter mal Grund sich aufzuregen und zu fluchen, aber doch nicht, wenn er zugleich Kardinal ist…“
„Was geht Euch das an…“ setzte Richelieu an, seine Wut jetzt an dieser unmöglichen Person, die es gewagt hatte, so etwas zu sagen, azuszulassen, ließ es aber bleiben, als er sich umdrehte und die Person entdeckte.
„Ach, Ihr seid es nur, Milady de Winter.“
- „Da muss sich die hochwohlgeborene Eminenz, oder auch Seine Scheinheiligkeit, Kardinal Richelieu, irren“, erwiderte Milady in einem spöttischen Tonfall, „oder mich mit jemandem verwechseln… Ich bin jedenfalls Anne de Rochefort. Und was heißt das überhaupt, wenn Ihr sagt, ich sei es nur…?“ fuhr sie fort und klang jetzt beleidigt. „Bin ich denn so unwichtig?“
Richelieu sah sich kurz um, ob jemand in der Nähe war und erwiderte dann:„Natürlich nicht, verzeiht, … Lilie meines Herzens.“ Dann fiel ihm etwas auf. „Was habt Ihr gerade gesagt? Scheinheiligkeit?“
„Genau… das Wort ist vorhin im Ballsaal gefallen. Ganz offensichtlich befinden sich auch nicht wenige Leute hier, die Euch nicht ausstehen können…“ erklärte Milady. „Aber ich schweife ab. Wie war das? Ich bin doch nicht unwichtig?“
„Natürlich nicht. Und deshalb werden wir jetzt gemeinsam den Ball eröffnen.“
Milady glaubte, dass sie sich verhört hatte.
„Ob das so eine gute Idee ist?“ überlegte sie laut. „Das wird nämlich fürchterliches Gerede geben… der Kardinal und die Cousine des Hauptmanns der Wachen… da wird sich doch jeder seinen Teil denken.“
„Sollen sie doch“, erwiderte Richelieu mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Euch braucht das ja nichts auszumachen.“
„Was soll das denn jetzt schon wieder heißen?“ Milady verstand die Welt nicht mehr. Irgendwie verhielt sich der Kardinal auf einmal wieder sehr merkwürdig.
„Na, dass Ihr ab morgen Nachmittag nicht mehr im Land seid. Euch kann das alles egal sein.“
Milady sah ihn vorwurfsvoll an.
„Und wie darf ich das jetzt schon wieder verstehen, Eminenz?“
- „Ihr werdet morgen Nachmittag nach Calais fahren. Dort wird ein Schiff warten, das Euch nach England bringen wird. Ihr werdet dort an den Hof zurückkehren, Milady de Winter, und schauen, ob Ihr etwas von Interesse herausfindet. Wir müssen dem Feind immer einen Schritt voraus sein…“

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Beitragvon Sisi Silberträne » 23.12.2007, 19:08:40

Ich hoffe mal, dass Constance aus Annas Reaktion die richtigen Schlüsse gezogen hat...

Der Kardinal ist und bleibt ein Fetzenschädel :evil:

Bin schon gespannt auf die Weihnachtsfortsetzung :D
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Beitragvon Marie Antoinette » 24.12.2007, 13:22:38

Danke, Sisi! :)

(Meinst du wirklich Constance war so schlau?) ;)

So, und schon geht’s weiter!

Mein Weihnachtsgeschenk an meine treuen Leserinnen – die 7 Seiten sind vor allem für dich und Christine… Frohe Weihnachten!!!! :)

Was die Länge angeht hab ich euch alle schon vorgewarnt, jetzt noch eine Anmerkung: Vergangenheit ist kursiv gesetzt, Gegenwart normal.

Viel Spaß… oder interessantes Lesen? Etwas von beidem, hoffe ich… :)

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17: Tagebucheintrag von Milady, ein paar Tage später




Gegenwart und Vergangenheit verschwammen am darauffolgenden Tag.
Mir fiel ein, dass es fast auf den Tag genau zehn Jahre seit meiner Verbannung gewesen waren. Am 11. September 1616 hatte ich Frankreich verlassen in der festen Annahme, so bald nicht mehr dorthin zurückzukehren.
Jetzt war der 10. September 1626. Constance Bonacieux wurde an jenem Morgen sehr früh in den Kardinalspalast abkommandiert um mir beim Packen zu helfen. Sie war wie meistens gut gelaunt – wenn nicht sogar noch etwas besser gelaunt, da sie immerhin im Kardinalspalast war, ich wusste ja von ihrer Schwärmerei…
„Eigentlich dürfte ich doch gar nicht da sein“, bemerkte sie auf einmal, „Ihre Majestät hatte es gestern doch verboten, ich hab einen fürchterlichen Streit beobachtet... aber so wie es aussieht, hat Seine Eminenz es geschafft sie doch zu überzeugen…“
Ein fürchterlicher Streit? Die Königin, die mit einem Plan Richelieus nicht einverstanden war? Jetzt wusste ich, warum er während der Feierlichkeiten und den gazen Rest des Abends auf einmal so verändert gewesen war. Er hatte sich mit der Königin gestritten. Und ich sollte nach England fahren, um schnell etwas herauszufinden, was Ihre Majestät und den Premier betraf…. vielleicht nebenbei auch noch etwas über den Aufstand der Hugenotten von La Rochelle, aber in erster Linie wahrscheinlich ging es ihm darum.
Und meine Wut auf die Königin wuchs auch wieder an. Nur wegen ihr galt ich immer noch als Verbannte und Verurteilte, nur wegen ihr würde der König den Gnadenbeschluss selbst dann nicht genehmigen, wenn Richelieu ihn noch so sehr beschwatzte…
Aber wie war das denn mit meiner Rückkehr geplant? Meinte der Kardinal vielleicht, er würde solange ich in England weilte, weiterzukommen? Fragen über Fragen. Oder… sollte ich gar nicht zurückkommen? Hatte er mir all die Zeit doch etwas vorgespielt und ich dumme Gans war wieder auf ihn hereingefallen?
Ich dachte an unsere Unterhaltung nach dem Attentat zurück…
Nein, das zweite wollte ich nicht glauben. Es war ihm alles ernst gewesen.
Constance packte unbeschwert weiter, summte ein Liedchen vor sich hin und ich stand am Fenster und hing meinen Gedanken nach…

<<<<


Vor zehn Jahren hatten wir auf der Fahrt nach Calais noch in einer Herberge Rast gemacht, weil es doch ziemlich spät geworden war. Ich hatte zu meiner Erleichterung ein eigenes Zimmer bekommen, aber die Nacht kaum geschlafen. Die ganze Fahrt über hatte ich es geschafft, ruhig zu bleiben, aber so allein in meinem Zimmer waren mir die Tränen gekommen und hatten sich nicht mehr abstellen lassen. Ich weinte um meine verlorene Liebe, mein zerstörtes Leben… und ich weinte bittere Tränen des Hasses auf Athos, den Kardinal, Madeleine und alle anderen…
Am nächsten Morgen wurde ich früh durch die Wachen aufgeweckt, die doch tatsächlich den Auftrag bekommen hatten, mir beim Packen zu helfen. Schon an diesem Tag stand ich einfach nur daneben und beobachtete die Uniformierten…


<<<<<<<<


„So, ich denke das ist alles. Wollt Ihr nochmals nachsehen, Milady de Winter?“riss mich Constances Stimme aus meine Gedanken.
Sie sagte schon den ganzen Tag wieder Milady, und ich vermutete, dass die Hofdame, mit der sie auf den Ball gekommen war, mich vermutlich als „Madame Rochefort“ vorgestellt hatte. Nur deswegen hatte sie mich so angesprochen. Constance war schlauer als ich zunächst gedacht hatte...
„Nein, ich denke, das habt Ihr schon alles richtig gemacht“, erwiderte ich. Und dass sie nicht merkte, dass es mir sehr schwer ums Herz war, fügte ich noch eine etwas gemeine Bemerkung hinzu: „Als Zofe Ihrer Majestät der Königin werdet Ihr wohl in der Lage sein, einen Koffer richtig zu packen, Constance.“
„Das bin ich, Milady de Winter“, erwiderte sie ruhig und knickste.
Wahrscheinlich hatte sie sich im Louvre schon schlimmere Bemerkungen anhören müssen als meine.
Im selben Moment klopfte es an der Tür. Ich verzichtete auf eine Antwort, weil ich schon genau wusste, wer draußen stand… und natürlich war es der Kardinal, der gleich darauf ins Zimmer trat. Am Tag nach den Geburstagsfeierlichkeiten und meiner erneuten Abreise hatte er natürlich – wie er dachte - wichtigeres zu tun als in den Palast zu fahren.
Sein erstes Wort galt allerdings nicht mir.
„Alles fertig gepackt, Mademoiselle Bonacieux? Ich und Milady de Winter sollten nämlich bald losfahren…“
- „Ja, selbstverständlich, Eure Eminenz“, erwiderte Constance in ihrer fast übertrieben guten Laune und verfiel in eine zeremonielle Verbeugung, die genauso perfekt war wie die am Vorabend auf der Feier.
„Sehr gut.“
Der Kardinal sah wieder auf den Gang hinaus. „Rochefort, Wachen, bringt das Gepäck von Milady de Winter nach unten.“ befahl er.
Ich glaubte, mich verhört zu haben. Rochefort?! Tatsächlich, da kam er ins Zimmer gepoltert, mit einer noch finstereren Miene als in der Nacht als ich ihn zuletzt gesehen hatte. Warum hatte ihn denn Richelieu aus dem Verlies rausgelassen? Er hatte versucht mich umzubringen… in der Seine zu ertränken… So viel lag dem Kardinal also an mir, seiner Lilie des Herzens, dass er erst sagte, dass er Rochefort bestraft hätte und jetzt hatte er den Arrest aufgehoben kaum dass ich davor stand, das Land zu verlassen… noch konnte doch irgend etwas passieren. Das würde sich nur ausschließen lassen, wenn er mich nicht aus den Augen ließ.
„Hauptmann Rochefort?“
- „Milady de Winter“, murmelte er nur und nickte mir grüßend zu, dann ging er mit zwei anderen Wachen auf die zwei schweren Koffer, die Constance kurz vorher verschlossen hatte, zu und begann sie aus dem Zimmer zu schleppen.
„Hauptmann Rochefort“, wiederholte Constance und wollte sich gerade wieder verbeugen, aber ein Blick des Kardinals hielt sie davon ab.
„Solche Förmlichkeiten brauchen wir jetzt gerade nicht mehr, das verschwendet alles nur Zeit.“
„Wie Ihr meint, Eure Eminenz“, erwiderte Constance.
- „Also dan gehen wir, Milady de Winter…“
Wir verließen das Zimmer und gingen durch die Gänge, die mir in den letzten Wochen doch so vertraut geworden waren. Ja, tatsächlich wagte ich es inzwischen sogar, vom „Palais de Cardinal“ als meinem ersten richtigen Zuhause seit dem Tod von Lord de Winter zu denken.
„Entschuldigt“, ergriff plötzlich Constance, die uns gefolgt war, das Wort, „aber fahren wir denn vorher noch ins Louvre? Nicht dass Ihre Majestät doch noch etwas mitbekommt…“
„Die Königin wird ohnehin schon nicht gut auf uns zu sprechen sein“, erwiderte der Kardinal gelassen. „Und außerdem – Ihr habt doch außer der Stadt und Eurem Zuhause sicherlich noch nie das Meer gesehen, Mademoiselle…“
Ich war überrascht. Constance Bonacieux sollte mit uns nach Calais fahren? Es sah ganz danach aus.
„Natürlich nicht… aber warum?“ fragte Constance verwundert.
„Dann werdet Ihr uns begleiten. So eine Luftveränderung hat noch keinem geschadet.“ beschloss der Kardinal und bestätigte dadurch meine Vermutung.
Ich hätte am liebsten auch „Aber warum?“ gefragt, verzichtete aber darauf. Wenn wir sie zurückließen, würde sie wahrscheinlich noch zum Opfer der Wachen werden… Rochefort hatte Constance vorhin so merkwürdig angesehen… Aber selbst wenn der Kardinal sie eben vor so etwas bewahren wollte - dann konnte er sie doch trotzdem in den Palast zurückfahren… Wie dachte ich doch so manches Mal: Verstehe einer Seine Eminenz…
Als wir im Hof ankamen, hatten die Wachen bereits das Gepäck verladen und alles war bereit zum Aufbruch. Und ich dachte erneut an die Vergangenheit…


<<<


Die Wachen hatten mein Gepäck verladen und alles war bereit zum Aufbruch. Nach Calais war es nicht mehr besonders weit. Ich saß am Fenster und sah nach draußen, letzte Eindrücke meiner Heimat, die ich bald nicht mehr wiedersehen würde. Ich verdrängte alle Tränen, wie auch schon am Tag vorher. Zum Weinen würde mir genug Zeit bleiben, wenn ich erst einmal aus der Sichtweite des Kardinals sein würde.
Bald hatten wir die Hafenstadt erreicht. Ich hatte bis zu diesem Tag das Meer noch nie gesehen, aber sicherlich würde ich jetzt genug Zeit haben, es zu sehen… während der Überfahrt über den Atlantik, oder… „Die Fahrt in mein neues Leben“, wie es der Kardinal ausdrückte.
An der Pier lag bereits ein Schiff vor Anker, und überall herrschte ein geselliges Treiben. Als ich aus der Kutsche ausstieg, hegte ich für einen kurzen Augenblick die Hoffnung, dass ich in dem ganzen Durcheinander es vielleicht noch schaffen konnte, zu entkommen, aber der Kardinal schien genau zu wissen was ich dachte.
„Zwei der Wachen werden Euch begleiten, nicht dass Euch noch etwas zustößt, Madame de la Fére.“
Das hörte sich ja ganz danach an als würde er sich Sorgen machen. Aber mich würde er damit nicht täuschen. Er meinte das nicht ernst. Es ging ihm nur darum dass ich nicht weglief. Nur darum sollten die Wachen mitkommen…
Die beiden Uniformierten, die er gemeint hatte, schlugen die Hacken zusammen und salutierten. „Ja, ganz wie Eure Eminenz befehlen“, bestätigte einer der beiden. Der nächste Befehl ließ nicht lange auf sich warten.
„Ihr bringt schonmal das Gepäck der Madame zum Schiff – wir werden Euch beiden gleich folgen.“
„Jawohl“, bestätigte jetzt der zweite Wachposten. Die beiden nahmen jeweils einen meiner beiden Koffer und gingen die Straße entlang. An der nächsten Straßenecke verloren wir sie fürs erste aus den Augen.
„Warum habt Ihr denn die Wachen schon vorgeschickt?“erkundigte ich mich verunsichert. Was sah mich denn der Kardinal schon wieder so seltsam an?!
„Um mich von Euch in Ruhe zu verabschieden… Madame de la Fère“, erklärte er. „Schwere Zeiten stehen Euch bevor, aber denkt daran, eines Tages werdet Ihr hierher zurückkehren…“
„Davon bin ich überzeugt, Eure Eminenz“, erwiderte ich ganz ruhig. Ich versuchte, meine ganze Verachtung in die letzten Sätze und Worte zu legen, die ich mit dem Kardinal wechselte. „Und dann werde ich hoffentlich eine Erklärung für das finden, was geschehen ist. Ich verstehe es nämlich nicht. Warum musste ich all das durchmachen? Was hatte ich Euch getan?“
Richelieu sah auf einmal ziemlich überrascht aus. Dachte ich mir doch, dass er mit so etwas nicht gerechnet hatte. Vermutlich hatte er gemeint, ich würde in Tränen ausbrechen und ihn anflehen, die Fehlverurteilung und alles zurückzunehmen und mich nicht wegzuschicken… da hatte er wohl falsch gedacht.
Ich sah an ihm vorbei, die Straße hinunter. Am liebsten wäre ich schon jetzt weitergegangen,
aber im gleichen Moment fasst er mich bei den Schultern und zwang mich, ihn anzusehen .
Wie an diesem Abend, nachdem ich ihm das erste Mal begegnet bin, dachte ich. Trotzdem blieb ich ruhig. Hier würde nichts passieren, da könnten doch jede Sekunde Leute vorbeilaufen…
„Das werde ich Euch erklärem, wenn Ihr zurückkehrt. Eines noch - wenn Ihr einmal nicht weiter wisst… ich bin schuld an dem ganzen Durcheinander, deshalb werde ich Euch unterstützen, so gut es geht, wenn Ihr mir Bescheid gebt... Ihr seid nicht irgendeine Verbannte, glaubt mir.“
„Das fällt mir sehr schwer“, versetzte ich. „Und auf Eure Unterstützung kann ich verzichten. Ich werde es alleine schaffen. Ich werde meinen eigenen Weg gehen und mich von Euch befreien. Und jetzt lasst mich los, ich möchte das Schiff nicht verpassen. Ich kann es nicht erwarten, endlich von hier wegzukommen. Ich werde meiner Heimat nicht hinterhertrauern.“
Wohl aus Verwunderung ließ mich der Kardinal tatsächlich wieder los. Schnell trat ich ein paar Schritte zurück. Dann sagte ich nur noch vier Worte, bevor ich mich umdrehte und die Straße in Richtung Pier hinunterging.
„Lebt wohl, … Eure Eminenz.“


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Beitragvon Marie Antoinette » 24.12.2007, 13:23:36

Und weiter... das war wohl doch etwas zu lang für einen Forumseintrag...

:D

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Auch dieses Mal hatten die Wachen den Auftrag bekommen, mein Gepäck zum Schiff zu tragen, aber wir hatten kurz vor der Anlegestelle angehalten und der Kardinal hatte mich bis dorthin begleitet – während Constance unbedingt gemeint hatte, sie wollte sich selbst etwas umsehen. Mir war es recht. Ich war ohnehin nicht dafür gewesen, dass sie mitgefahren war.
„Da wären wir also wieder…“ bemerkte ich nachdenklich und sah aufs Meer hinaus. Ich wollte es nicht zugeben, aber irgendwie war ich schwermütig.
„Ja. Es ist eine Weile her… auf den Tag genau 9 Jahre und 364 Tage…“ erwiderte Richelieu. Nach allem was ich inzwischen wusste, wunderte ich mich nicht mehr darüber, dass er den Tag auch noch so genau in Erinnerung hatte wie ich selbst. „Am 11. September 1616 habt Ihr mich hier zurückgelassen…“
„Zurückgelassen?“ wiederholte ich. „Das ist wohl der falsche Ausdruck… Verbannt wurde ich… aus meinem Heimatland verstoßen… als gebrandmarkte Verurteilte…“
„Das musste ja so passieren“, erwiderte der Kardinal. „Aber dieses Mal wird es nicht zehn Jahre dauern, bis wir uns wiedersehen. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um Euch eine baldige Rückkehr zu ermöglichen, … es wird zwar auch ohne den Beschluss gehen, aber natürlich versuche ich, doch etwas in dieser Richtung zu erreichen… “
Also hatte er doch einen Plan, was meine Rückkehr anging. Und solange musste ich einfach abwarten und in England meine Augen und Ohren offenhalten. Ich würde etwas herausfinden und ihm dadurch helfen, seine anderen Pläne zu verwirklichen…
„Passt gut auf Euch auf, …“
Ich rechnete aufgrund des üblichen Trubels im Hafen nicht gerade damit, sondern vielmehr damit, dass er „Milady de Winter“ oder „Madame“ sagen würde, aber er ließ sich nicht beirren.
„… Lilie meines Herzens.“
Er legte seine Hände auf meine Schultern und sah mir in die Augen. „Natürlich“, erwiderte ich und hielt seinem Blick stand. „Und Ihr versprecht mir, die Umstände des Attentats noch einmal genau zu untersuchen… Ich weiß einfach, dass es Athos nicht gewesen sein kann. Und das sage ich nicht, weil ich nicht auf Eurer Seite bin, … Eminenz.“

- - -


Jemand klopfte an die Tür der Kabine und Milady legte das Tagebuch zur Seite. Sie hätte am liebsten noch etwas weitergeschrieben, über den Rest des Abschiedes von Richelieu und die letzten Tage auf dem Schiff, aber das konnte sie sich wohl fürs erste aus dem Kopf schlagen. Das war nämlich bestimmt einer der Leibgardisten, die der Kardinal abkommandiert hatte, sie nach England zu begleiten. Die waren zwar alle nett zu ihr und nicht so respektlos wie Rochefort oder Julien, aber zum Teil doch ganz schön nervig. Dauernd wollten sie wissen, wie es ihr ging und ob alles zu ihrer Zufriedenheit verlief.
„Was ist?“ fragte sie ungehalten. „Wer ist da?“
Es war tatsächlich einer der Schwarzroten, genauer gesagt Sebastièn Marinaux, der natürlich die selbe Frage stellte.
„Wie geht es Euch, Milady de Winter? Alles in Ordnung?“
Er stellte aber auch noch eine andere Frage, nämlich, ob Milady mit ihm einen Spaziergang an Deck unternehmen wollte. Er hätte ihr nämlich etwas zu sagen.
An diesem Tag war das Meer ziemlich ruhig, nicht so turbulent wie die letzten Tage. Bald würden sie England erreicht haben.
„Was gibt es denn so wichtiges, weswegen Ihr unbedingt mit mir sprechen wolltet?“ erkundigte sich Milady und lehnte sich gegen die Reling des Schiffes. Seit das Schiff nach England abgelegt hatte, fühlte sie sich wieder frei und unbeschwert, so weit entfernt von Kardinal Richelieu, seine Wachen waren zwar da, aber gegen die konnte sie sich jederzeit durchsetzen und die wussten, dass sie sich von ihnen nichts befehlen ließ…
Ihre langen roten Haare trug sie immer wieder einmal offen und sie dachte immer wieder an die Zukunft. Sie würde in England etwas Entscheidendes herausfinden, was zu einem Bruch zwischen dem Königspaar führen würde, zudem noch etwas über den Hugenottenaufstand, den der Kardinal niederschlagen würde und dann würde sie endlich den Beschluss erhalten, der sie von dem Stigma der Vergangenheit befreien würde.
Es würde zwar nicht verschwinden, aber sie hatte einen Beweis, dass sie die Lilie zu Unrecht trug… sie würde gleich wenn dieser Beschluss erlassen war, zu Athos gehen und dann würde alles wieder gut werden… ja, wenn sich herausgestellt hatte, wer das Attentat auf den Kardinal wirklich begangen hatte. Aber daran zweifelte sie nicht.
Auch Sebastièn schien die Veränderung in Milady bemerkt zu haben, denn er fragte:
„Gehe ich richtig in der Annahme, dass es Euch die letzten Tage besser geht als in Paris?“
„Ja, da vermutet Ihr richtig“, erwiderte Milady verwundert.
- „Ich muss mich für mein Versagen entschuldigen…“ bemerkte Sebastièn als nächstes. Bevor Milady nachfragen konnte, was er meinte, fuhr er schon fort: „Ihr müsst wissen, das hatte ich nur für Euch getan… aber dass Rochefort und die anderen so schnell da gewesen sind um Seiner Eminenz zu helfen, dafür konnte ich nichts... “ Seine Stimme begann sich zu überschlagen.
„Jetzt mal langsam“, unterbrach Milady ihn. „Wovon redet Ihr?“
Kaum hatte sie die Frage gestellt, fiel ihr etwas ein. Sie erinnerte sich nämlich nur an einen Vorfall, bei dem Rochefort und ein paar andere Schwarzrote dem Kardinal zur Hilfe gekommen waren. Nicht bei ihrem Versuch, Athos aus dem Verlies zu befreien, da hatten die Wache ja eher die Aufgabe gehabt, sie aufzuhalten… Nein, es ging um etwas anderes.
„Habt Ihr etwa…“
Sie sah sich um, ob irgendjemand der anderen in der Nähe war, dann trat sie näher an den jungen Leibgardisten heran und flüsterte:
„Sagt jetzt nicht, dass Ihr versucht habt, den Kardinal umzubringen?“
Sebastièn nickte nur.
Milady wurde leichenblass. Das durfte doch nicht wahr sein… Schnell trat sie ein paar Schritte zurück. „Wie konntet Ihr nur?! Was um Himmels Willen bringt Euch denn dazu?“
- „Ich habe es nur für Euch getan!“ erwiderte Sebastièn. Er verstand Miladys entsetzte Reaktion nicht. „Aber das sagte ich bereits… In meiner kurzen Zeit als Leibwache des Kardinals habe ich schon so viel mitbekommen, das einfach grauenhaft ist. Rochefort und Seine Eminenz sind doch keine Menschen… und so mancher meiner Kollegen steht den beiden in nichts nach… Jedenfalls habe ich mir gleich einiges gedacht, als Ihr in den Kardinalspalast gekommen seid… Ihr habt immer so ausgesehen, als ob Ihr eine schwere Last mit Euch herumtragt. Ich hatte bezweifelt, dass Ihr freiwillig an der Seite des Kardinals seid… und Euer beinaher Selbstmordversuch hat mich in dieser Annahme bestätigt.“
„Woher wisst Ihr denn davon?!“
Milady konnte nur den Kopf schütteln. Sie war doch mit Richelieu auf dem Dach alleine gewesen, als sie sich umbringen wollte – bevor Rochefort aufgetaucht war.
„Ich hatte Euch Richtung Dach gehen sehen, mit diesem traurigen Gesichtsausdruck, und mir gedacht, ich werde Euch nicht aufhalten, Milady, weil es für Euch vielleicht die einzige Möglichkeit ist, Euch von ihm zu befreien“, fuhr Sebastièn unbeirrt fort. „Ihr wolltet eigentlich frei von ihm sein, möglicherweise an der Seite Eurer wahren Liebe, aber das hat er natürlich nicht zugelassen. Er hat Euch sicherlich mit irgend etwas erpresst und Euch gezwungen, bei ihm zu bleiben und ihm zu helfen. Deshalb habe ich das Attentat geplant, zusammen mit einem Freund und meinem Bruder, der bei den Musketieren ist, der aber dummerweise auf dem Gelände bei unserer Flucht sein Abzeichen verloren hat…“
Ihm fiel etwas ein.
„Warum wart Ihr eigentlich so schnell zur Stelle?“
„Ich war es doch, die Rochefort und die anderen alarmiert hat! Ich konnte doch den Kardinal nicht einfach sterben lassen…“
- „Das denkt Ihr nur… Ihr wärt frei gewesen, ein für alle Mal…“
„Was wisst Ihr schon?!“ rief Milady fassungslos aus. „Glaubt nicht, mich zu verstehen! Ihr habt völlig falsch gedacht. Es war meine freie Entscheidung, in den Palais de Cardinal zu ziehen – und auch alles andere… ich tat es für mich selbst. Zumindest zum Teil“, verbesserte sie sich schnell.
„Eure freie Entscheidung?“ wiederholte Sebastièn ungläubig. „An der Seite des Kardinals zu sein?“
„Ja“, sagte Milady. „Und das Attentat hätte mir gar nicht geholfen. Mir hilft nur ein lebendiger Kardinal Richelieu.“
„Aber warum?“ Jetzt war es Sébastien, der die Welt nicht mehr verstand.
- „Es hängt mit meiner Vergangenheit zusammen… eine lange Geschichte…“ Auf einmal sprudelten die Worte erneut aus ihr heraus. Es war immer das selbe. Wenn es um die Vergangenheit ging, konnte sie sich nicht beherrschen. Während sie weitersprach, begann sie auch wieder in Tränen auszubrechen.
„Vor zehn Jahren ungefähr hat er mein Leben zerstört. Wegen ihm habe ich so viel durchgemacht, eine Vergewaltigung, eine Verhaftung den Folgen einer sogenannten offiziellen Untersuchung des Anklagevorwurfs. Ich wurde an den Pranger gestellt und gebrandmarkt. Ich bin erneut durch die Hölle gegangen, um an eine Heiratsgenehmigung zu gelangen… und als ich gedacht hatte, glücklich zu werden, ist der Kardinal bei mir und meiner großen Liebe aufgetaucht … mit einem Verbannungsbeschluss. Zwanzig Jahre sollte ich das Land verlassen… wegen nichts… ich hatte nichts unrechtes getan… Und all das muss er nach all dieser Zeit wieder gut machen! Ein für alle Mal… Nur er weiß, was alles passiert ist… deshalb bringt es mir nichts, wenn er tot ist…“
Sie schluckte die Tränen hinunter. Jetzt hatte sie schon wieder eine so große Schwäche gezeigt… sie war auch nahe dran gewesen, ihm zur Bekräftigung ihrer Worte das Brandmal zu zeigen… sie verfluchte sich selbst dafür. Und überhaupt, was ging diesen Wachposten ihr Leid und die Ereignisse von früher an? Er würde es doch bestimmt nicht verstehen, genauso wenig wie Athos…
„Ich hatte ja keine Ahnung, Milady…“
Sebastièn schien zutiefst getroffen von dieser Offenbarung. Er ging auf sie zu, aber sie trat wiederum zurück.
„Ihr habt alles noch viel schlimmer gemacht… meine einzige wahre Liebe fristet sein Dasein als des Mordes Verdächtigter im Verlies und wird von Rochefort und den anderen gequält, nur weil Euer Bruder sein verfluchtes Musketier – Abzeichen verloren hat… Lasst mich jetzt am besten allein, ich muss über so einiges nachdenken.“
„Aber, Milady,…“
Sebastièn wollte noch etwas sagen, aber sie drehte sich wortlos um und ging davon. Der junge Leibgardist blieb allein an Deck zurück. Lange sah er hinab ins Meer. Dann fasste er einen Entschluss.

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Beitragvon ChristineDaae » 24.12.2007, 14:59:07

Wow... So viel zu lesen... Und dann auch noch mir gewidmet, vielen Dank! *knuffel* :D
Ich finde die Ideen, die du immer hast, wirklich super, und auch toll geschrieben... Nur mit den Accents hast du manchmal Schwierigkeiten :wink:
Du schreibst manchmal "de la Fére" und manchmal "de la Fère". Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, das zweite ist richtig :wink:
Und die Wache heißt Sébastien, nicht Sebastièn. :wink:
Sonst wirklich eine tolle Fortsetzung, schnell weiter! :D
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Beitragvon MiladydeWinter » 25.12.2007, 14:33:01

So jetzt komm ich auch endlich mal wieder dazu weiter zulesen. (sorry hatte in letzter zeit son wenige zeit :oops: )
Alle Teile sind wieder sehr toll geschrieben und spannend...
Also dass Sebastien das attentat begangen hat damit hätt ich jetzt wirklich nicht gerechnet...
freu mich schon auf die nächsten Teile.

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Beitragvon Sisi Silberträne » 26.12.2007, 20:39:10

So, jetzt hab ichs auch gelesen, whoa das war aber ganz schön viel. Und sehr interessant. Also damit, dass es Sébastien war, hätte ich auch nicht gerechnet. Ist er etwa in Milady verknallt? Ich kann mir ja denken, worin sein Entschluss besteht...

Bin schon gespannt wie es weiter geht. Hoffe du schreibst auch noch was über Miladys ersten Englandaufenthalt, wie sie an Lord de Winter geraten ist, und so. Bin ja so neugierig!

Würde mich btw auch über ein Review zu meinem aktuellen Kap freuen Bild
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Beitragvon Kitti » 26.12.2007, 21:12:25

So, erst mal ein dickes Sorry, dass ich dir so lange keine Kommentare geschrieben habe. Mir fehlte einfach die Zeit und auch der eigene Internetanschluss. Eine neue Verbindung habe ich zwar immer noch nicht, aber heute hab ich mal ein bisschen mehr Zeit und muss dich mal wieder loben. Bemerkenswert, dass du so viele Ideen hast und so fleißig Fortsetzungen postest und es immer verstehst, die Geschichte spannend zu halten. Ich hoffe, du schreibst mir auch noch einen Kommentar zu den beiden neuen Teilen von "Wo ist der Sommer". In diesem Sinne: Nur weiter so!!
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Beitragvon Marie Antoinette » 29.12.2007, 21:05:06

Danke euch allen... *freu*

@Christine: Accents sind geändert... jedenfalls in meinem Dokument hier... :)

@Milady: Dir auch danke! :)

@Sisi: Was Sébastien angeht hast du mal wieder Recht... der ist tatsächlich in sie verliebt... das kann ich schonmal verraten... Was meinst du denn, wozu er sich entschließt?

Was die weitere Vergangenheit angeht - inzwischen hab ich doch schon eine Idee, was aus Anne wird und wie sie letztendlich Lord de Winter begegnet... ist zwar nicht die beste Idee, aber im Moment die einzige... :wink: Bin auch gespannt auf deine Idee...

@Kitti: Habs dir ja schon an anderer Stelle gesagt - vielen Dank für den Kommentar!!! *knuffel*

Und weiter gehts.

Ein etwas kürzerer Teil... vielleicht wird die Silvesterfortsetzung dafür länger. Das hier sollten eigentlich auch zwei Teile werden, aber ich dachte, irgendwie muss doch Milady in jeder Fortsetzung auftauchen... :)

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Zur gleichen Zeit in Paris ging Constance Bonacieux entschlossenen Schrittes einen Flur entlang. Seit einigen Tagen machten ihr alle das Leben schwer, wo es nur ging. Als sie vor von ihrem Ausflug nach Calais zusammen mit dem Kardinal in den Louvre zurückgekommen war, hatte sie wie erwartet großen Ärger mit Ihrer Majestät Königin Anna bekommen und alle anderen, die bis jetzt auf ihrer Seite gestanden waren, gingen ihr entweder aus dem Weg und verbreiteten Gerüchte oder intrigierten gegen sie.
Dabei war doch da überhaupt nichts, dachte Constance verärgert, was denken denn die nur von mir?
Ihr war seit diesem Ausflug klar geworden, dass diese ganze Schwärmerei für den Kardinal absolut kindisch gewesen war und er sich sicherlich nie in sie verlieben würde, solange es Milady de Winter gab. Sie musste das alles so schnell wie möglich vergessen.
Irgendwo wartet die wahre Liebe auf mich, war sich Constance sicher, aber es ist ganz bestimmt nicht Seine Eminenz der Kardinal… Und genau deshalb ging sie jetzt besser mal in eine andere Richtung, nicht so wie sonst, als sie meistens ihre Wege durch den Louvre so gewählt hatte, um vielleicht doch mal den Weg des Kardinals zu kreuzen.
„Was stehst du denn hier wieder rum und starrst Löcher in die Luft?“ wurde sie von einer Stimme aus ihren Gedanken gerissen. Die Stimme gehörte Juliette, ebenfalls eine der Zofen der Königin. „Ihre Majestät sucht dich, Constance“, fügte sie hinzu.
„Ach tatsächlich? Was möchte sie denn?“ Constance hoffte, dass das nicht wieder so eine schwierige Aufgabe war, die Anna ihr auftragen würde, nur um sie wieder einmal zu bestrafen.
„Was weiß ich?“ Juliette zuckte gleichgültig die Schultern. „Sie hat halt über Madame Niniane ausrichten lassen, dass eine von uns zu ihr kommen soll… und da du in letzter Zeit ohnehin zu vergessen scheinst dass du immer noch eine Angestellte des Hofs bist und nicht des Kardinals, ist es wohl besser, wenn du dich schnell mal in Bewegung setzt und hingehst. Du bekommst heut sowieso wieder nichts mit. Ich lauf dir schon eine ganze Weile hinterher… wer weiß wo du gerade mit deinen Gedanken bist… oder besser… bei wem… oder auch bei welchem Ereignis das ihn und dich betrifft auch immer…“
Innerlich schäumte Constance vor Wut. Dass viele andere schlecht über sie redeten, daran begann sie sich zu gewöhnen, aber Juliette war nach ihr an den Hof gekommen und stand eigentlich noch eine Stufe unter ihr. Warum nahm die sich nur immer das Recht heraus, so mit ihr zu reden?
„Bin schon auf dem Weg“, erwiderte sie jedoch nur und ging weiter. Sich mit Juliette anzulegen, würde nichts bringen. Dass sie aus alter Gewohnheit jetzt doch wieder den alten Weg einschlug, fiel ihr erst auf, als sie um eine Ecke lief und dabei mit jemandem zustammenstieß.
„Seid Ihr in Eile, Mademoiselle Bonacieux?“
- „Ja, das kann man so sagen, ich muss…“ Constances Verbeugung war in ihrer Aufregung alles andere als formvollendet, aber ansonsten blieb sie ganz ruhig. Es war für sie inzwischen Gewohnheit, sich mit ihm zu unterhalten. „Einen schönen guten Tag wünsche ich, Eure Eminenz.“
„Das wünsche ich Euch ebenfalls, … Constance“, erwiderte der Kardinal und sah sie freundlich an.
„Ich bitte vielmals um Entschuldigung, dass ich nicht aufgepasst habe, Eure Eminenz“, fuhr Constance fort und hob schnell das Dokument auf, das Richelieu bei dem Zusammenstoß fallengelassen hatte. Dabei las sie unbewusst die Aufschrift auf der ersten Seite und wurde leichenblaß. Wenn das stimmte…
Sie gab dem Kardinal das Dokument wieder zurück.
„Alles in Ordnung?“ erkundigte er sich bei ihr.
- „Ja… Aber jetzt muss ich schnell weiter, ich darf Ihre Majestät nicht warten lassen.“ erwiderte Constance und stürmte jetzt regelrecht davon.
Richelieu schüttelte verständnislos den Kopf. Was war denn auf einmal mit Constance los? Dass die Königin mit ihm in letzter Zeit nur noch das nötigste sprach, war nichts Neues, auch nicht, dass sich Rochefort wieder normal verhielt, seit Milady den Kardinalspalast verlassen hatte, wunderte ihn auch nicht mehr – auch wenn er dafür noch nach einer passenden Erklärung suchte - , aber was war denn auf einmal in Constance Bonacieux gefahren? Hoffentlich hatte nicht auch noch Seine Majestät irgend ein Problem oder schlechte Laune, denn sonst sah es für seinen Plan schlecht aus. Aber das hoffte er besser erst einmal nicht…
Der Kardinal setzte seinen Weg zum Arbeitszimmer des Königs fort.
An seinem Ziel angekommen traten die Musketiere, welche die Flügeltür bewachen, mit einer respektvollen Verneigung zur Seite und öffneten dann dem Kardinal sogar die Tür.
Seine Majestät König Ludwig XIII sah von einem Papier auf, das er in der Hand hielt.
„Eure Eminenz…“ sagte er überrascht. „Was gibt es denn? Ich hörte, es handelt sich um eine Angelegenheit, in der Ihr um meine Hilfe gebeten habt… Das verstehe ich nicht. Ihr seid doch eigentlich mein Berater, Ihr wisst doch auf jede Frage eine Antwort…“
„Das mag sein“, erwiderte Richelieu und legte das Dokument, das er bei sich trug vor dem König auf den Tisch, direkt über die anderen Papiere. „Es geht auch nicht um eine Frage, sondern den Erlass eines Beschlusses. Zur Erklärung für diesen Antrag muss ich Euch etwas gestehen. Was Madame de Rochefort angeht habe ich Euch belogen, Majestät.“
Belogen, Eure Eminenz?“ wiederholte der König verständnislos.
- „Ja, richtig“, bestätigte Richelieu. „Die Frau, die ich Euch vorgestellt habe und für die ich die vollkommene Freiheit hier im Louvre erbeten hatte und vor wenigen Tagen das Land verlassen hat… Sie heißt gar nicht Rochefort mit Nachnamen. Eigentlich wollte ich nach ihrer Rückkehr behaupten, dass sie inzwischen in England geheiratet hat und de Winter heißt, aber ich möchte Euch nicht anlügen müssen. Sie heißt bereits de Winter. Anne de Winter, früher Anne de Breuil oder kurzzeitig Anne de la Fère. Und sie ist und war nie eine Verwandte von Hauptmann Rochefort von meiner Leibwache.“
„Aber wer ist sie dann?“ wollte der König wissen.
- „Eine Verbannte“, erwiderte der Kardinal.
Ludwig sah sich das Schriftstück, das Richelieu ihm vorgelegt hatte, an.
„Ein Antrag auf Begnadigung?“ fragte er überrascht und überflog die Zusammenfassung des Falles auf den nächsten Seiten. „Anklagevorwurf war damals Verführung eines Priesters… Diebstahl… Verurteilung im vereinfachten Verfahren zur Brandmarkung… Heirat ohne offizielle Genehmigung und Ausspruch einer auf zwanzig Jahre befristeten Verbannung…“ Er sah von der Antragsschrift auf. „Wie kommt Ihr denn dazu, einen solchen Antrag für sie zu stellen? Die Beweislage damals schien doch eindeutig…“
„Ich war damals an der Verurteilung beteiligt“, erklärte Richelieu, „aber es hat sich herausgestellt, dass die Vorwürfe zu Unrecht erhoben wurden.“
Obwohl er eben noch gesagt hatte, dass er den König in dieser Sache nicht mehr anlügen müsste, war das nicht ganz möglich. Er konnte dem König nie im Leben die ganze Wahrheit sagen - darum hatte er auch die Sachverhaltsschilderung fälschen müssen…
Der junge König las das ganze Dokument durch.
„… aufgrund vorstehender Ausführungen beantrage ich hiermit, den nachstehenden Beschluss zu erlassen… Seine Eminenz Kardinal… und so weiter und so fort…“ Er schlug die Seite mit der Unterschrift und dem Siegel Richelieus um und überflog die nächsten Seiten. „Ihr habt sogar den Gnadenbeschluss ausformuliert? Diese Verurteilte muss Euch sehr wichtig sein…“
„Das ist sie auch. “ Der Kardinal bemühte sich, betroffen zu klingen. „Dieser Fall war wirklich ein schrecklicher, den man nicht so schnell vergisst. Sie war gerade erst fünfzehn, als das alles passiert ist. Sie musste Schreckliches ertragen – und alles wegen nichts. Sie hat es gewagt, zehn Jahre zu früh nach Frankreich zurückzukehren, weil sie so lange von ihrer großen Liebe getrennt war und mich um Hilfe gebeten. Die ganzen Ereignisse haben ihre Spuren hinterlassen…“
„Wie hat sich das denn herausgestellt, dass sie unschuldig war?“ fragte Ludwig. Er wollte es nicht zugeben, aber irgendwie fand er es ungewöhnlich, dass sich der Erste Minister des Landes und sein wichtigster Berater so plötzlich mit einem zehn Jahre alten Fall auseinandersetzte. Gab es denn in diesem Staat für einen Mann wie ihn nicht wichtigere Überlegungen anzustellen?
„Eine lange Geschichte, Sire“, erwiderte Richelieu ausweichend. „Reicht es denn nicht, wenn ich Euch mein Wort gebe, dass es richtig ist, Madame de Winter zu begnadigen und das alte Urteil in allen Punkten aufzuheben? Ich kenne den Fall genau, es ist die richtige Entscheidung.“
„Aber das hättet Ihr mir doch alles gleich sagen können, als Ihr Madame de Winter an den Hof gebracht und mir vorgestellt habt, Eure Eminenz.“ bemerkte Ludwig verständnislos. „Ich hätte mir ihre Geschichte anhören und vielleicht sofort entscheiden können. Warum denn diese Scharade von wegen Madame de Rochefort, entfernte Verwandte Eures Hauptmannes… wochelang ging das so… und dass Ihr Euch so für sie einsetzt… sie hätte doch ihr Anliegen mir selbst vortragen können…“
Das gibt es doch nicht! dachte Richelieu fassungslos. Was denkt der denn plötzlich so genau über meine Beschlüsse und Entscheidungen nach und stellt diese ganzen unnötigen Fragen… das heißt wohl, dass er sich in letzter Zeit wieder besser mit Königin Anna versteht….
Denn wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätte Ludwig bestimmt schon längst den Beschluss unterschrieben.
„Sie hat sich sehr vor einer erneuten Verbannung gefürchtet“, beeilte er sich zu antworten. So schnell wollte er nicht aufgeben. „Mir allein konnte sie sich anvertrauen.“
„Ausgerechnet Euch, der nach dieser Zusammenfassung für die Bestrafung überhaupt erst verantwortlich war. Irgendwie wage ich es, Eure Worte zu bezweifeln, Eure Eminenz.“ erwiderte Ludwig. „Ich werde den Beschluss einmal hier bei mir lassen. Wenn Ihr mir die Akte über das damalige Verfahren… de Breuil zukommen lasst, kann ich den Fall genauer überprüfen. Einfach so möchte ich eine Gnadenentscheidung und Aufhebung einer Verbannung nicht fällen.“
Nicht zu fassen, ging es dem Kardinal durch den Kopf. Auch das noch… Aber da fiel ihm gleich etwas ein. Da musste er nicht einmal lange nach irgend einer Erklärung suchen, warum die Akte über Miladys Verfahren angeblich nicht mehr existierte.
„Majestät… ich würde Euch die Akte gerne vorlegen, aber das ist unmöglich.“ erwiderte er.
- „Warum?“ fragte Ludwig.
„Erinnert Ihr Euch an das Feuer in der Bibliothek des Palais de Cardinal?“ stellte Richelieu eine Gegenfrage. „Die Akte de Breuil ist eine derer, die bei dem Brand vernichtet wurden.“


------------------------------------------------------------------


Die Tage und Wochen schienen weit entfernt von Paris schneller zu vergehen. Schnell war ein Monat vergangen und ein zweiter. Milady hatte bereits einiges herausgefunden, was dem Kardinal vermutlich weiterhelfen würde, aber sie behielt es für sich. Sie würde Seine Eminenz erst dann in ihre neuen Erkenntnisse einweihen, wenn sie es wollte. Die Schreiben, die sie bekam, verbrannte sie ungelesen im Feuer und sie lebte so unbeschwert in den Tag hinein wie sie es wollte, ganz ohne Überwachung; die Schwarzroten ließen ihr alle Freiheiten und sie selbst im Gegensatz dazu den Schwarzroten.
Es war inzwischen auch ein Leibgardist des Kardinals weniger… denn Sébastien Marinaux hatte sich noch während der Fahrt über den Ärmelkanal das Leben genommen. Kurz nachdem Milady ihm von ihrer Brandmarkung erzählt hatte, hatte man ihn gefunden – er hatte sich mit einer Pistole selbst erschossen.
Erst war sie entsetzt gewesen und hatte befürchtet, dass wohl niemals die Wahrheit über das Attentat ans Licht kommen würde, aber Sébastien hatte ihr einen Brief hinterlassen in dem er ihr erklärte, dass er noch ein Schreiben an den Kardinal aufgesetzt hatte, das nach der Ankunft in England abgeschickt werden würde und sein Geständnis enthielt. Deshalb hielt das Entsetzen nicht lange an.
Eines kühlen Tages bekam Milady plötzlich unerwarteten Besuch – ein Schwarzroter, den sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte, stand vor der Tür.
„Milady de Winter?“ vergewisserte er sich.
- „Ja…“ erwiderte sie nur. Vor Verwunderung fehlten ihr die Worte. War das jetzt nach so vielen Wochen vielleicht einer, der einen anderen ersetzen musste… oder vielleicht war er auch mit einem offiziellen Auftrag hier… sie vielleicht dafür zu bestrafen, dass sie die Briefe, die sie von Richelieu bekommen hatte, nicht beantwortet hatte?! Schlagartig war ihre gute Laune und Unbeschwertheit wie weggeweht… ihre alte Unsicherheit und Furcht kehrte zurück.
„Ich bin im Auftrag Seiner Eminenz des Kardinals Richelieu hier“, erklärte der Uniformierte ohne sich groß vorzustellen. „Er hat mich gebeten, Euch dieses Schreiben zu übergeben. Ihr sollt es Euch noch in meiner Anwesenheit ansehen, Milady de Winter, so lautete sein Befehl.“
Ich will aber gar nicht wissen, was drinsteht, dachte Milady bei sich.
Der Uniformierte streckte ihr einen Umschlag entgegen und sah sie abwartend an.
„Auf was wartet Ihr?“ fragte er ungeduldig. „Es ist kalt hier draußen…“
Milady verdrehte die Augen. Wenn das sein einziges Problem war…
Männer…
„Hätte Euch Seine Eminenz der Kardinal denn nicht einen warmen Uniformmantel mitgeben können, wenn er Euch schon ins kalte England geschickt hat?“ stellte sie dann eine spöttische Frage, um ihre Unsicherheit wieder einmal so gut es ging zu verstecken. Sie nahm dem Leibgardisten den Umschlag ab und öffnete ihn.
„Eine gute Frage“, erwiderte der Schwarzrote unbeteiligt.
Milady glaubte, ihr Herz würde so laut schlagen, dass es der Uniformierte auch hören konnte, als sie das Schreiben auseinanderfaltete. Es stand sehr wenig darin – aber das, was dort stand… sie glaubte nicht richtig zu sehen. Konnte das wahr sein?!

„„Milady de Winter, vormals Anne de Breuil und Anne de la Fère :

Der Verbannungsbeschluss aus dem Jahre 1616 wurde von allerhöchster Stelle, Seiner Majestät König Ludwig XIII mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Ihr könnt nunmehr zu jeder Zeit in Euer Heimatland zurückkehren, ohne unangehme Konsequenzen fürchten zu müssen.““

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Beitragvon ChristineDaae » 29.12.2007, 21:47:00

Etwas kürzer??? Dann bin ich ja schon gespannt auf die Silvesterfortsetzung... :) Wieder sehr schön geschrieben! :D
Bitte schnell weiter :)
Freue dich, wenn es regnet – wenn du dich nicht freust, regnet es auch.
(Karl Valentin)


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Beitragvon Sisi Silberträne » 29.12.2007, 23:44:45

Äh... und wie hat er das jetzt hingekriegt? o_O
Über diese Wendung bin ich jedenfalls sehr überrascht.

Meine Vermutung zu Sébastien war, dass er sich selbst stellt... was ihm ohne Zweifel nicht gut bekommen würde, hm.

Schreib bald weiter :D
Ich schreib auch grad an meiner Milady FF btw.
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Beitragvon Marie Antoinette » 01.01.2008, 18:54:38

Sisi Silberträne hat geschrieben:Äh... und wie hat er das jetzt hingekriegt? o_O
Über diese Wendung bin ich jedenfalls sehr überrascht.


Die Frage wird noch beantwortet... genau das fragt sie sich natürlich nach ihrer Rückkehr auch... :wink:

Danke, ihr zwei! :D

So, die Neujahrsfortsetzung. Und um gleich mal eine vielleicht auftauchende Frage zu beantworten: Nein, so endet die Geschichte nicht... wäre zwar eine Möglichkeit gewesen... :wink:

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Der Verbannungsbeschluss war aufgehoben worden… das war zu schön, um wahr zu sein.
Er hat es also doch geschafft, dachte sie bei sich. Das war ein erster Schritt… und bald würde auch etwas anderes geschehen… sie sah es in Gedanken schon vor sich.

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Ich bin wieder zurück in Frankreich. Richelieu hat mich zurückbeordert, um zu erfahren, was ich herausgefunden habe. Zu meiner Verwunderung werde ich in Calais jedoch nicht von einer Abordnung von Leibgardisten des Kardinals erwartet, sondern … von Musketieren Seiner Königlichen Majestät. Sie erkundigen sich, ob ich Milady de Winter sei, die ehemalige Verbannte unter dem Schutz des Kardinals, was ich bejahe. Daraufhin werde ich aufgefordert, sie zu begleiten.
Unsere Fahrt geht zum Louvre und noch erklärt mir niemand, was das ganze zu bedeuten hat.
Ich werde durch die mir zumindest teilweise vertrauten Gänge geführt – schließlich finde ich mich im Thronsaal wieder… vor dem König und dem Kardinal.
Nach einem Hofknicks meinerseits und der Aufforderung, wieder aufzustehen, sieht mich Ludwig der 13. kaum an, statt dessen wirft er einen finsteren Blick in Richelieus Richtung. „Und was hat es nun mit der Fehlverurteilung auf sich, … Eure Eminenz? Würdet Ihr mir das ganze nun endlich erklären?“
„Willkommen zurück, Milady de Winter“, lässt sich der Kardinal erstmal nicht davon abbringen, mich zu begrüßen. Eigentlich bin ich ja auch seinetwegen zurückgekehrt… Als nächstes kommt jedoch etwas unerwartetes… gut, ich habe das schon so oder ähnlich erwartet, aber doch nicht in diesem Umfeld, vor dem König und den Musketieren und überhaupt…
Er geht auf mich zu und umarmt mich vor der versammelten Menge.
„Ihr habt mir gefehlt, Lilie meines Herzens.“
Mir fehlen die Worte, ich kann nur den Kopf schütteln. Das gibt es doch nicht…
„Kardinal Richelieu!“ ruft der König so laut, dass wir alle einen gewaltigen Schreck bekommen. Wer hätte gedacht, dass Seine Majestät so laut und energisch sein kann. „Sagt mir endlich, was das alles zu bedeuten hat. Was um alles in der Welt hat es mit Milady de Winter und dem Prozess vor zehn Jahren auf sich?!“
Der Kardinal lässt mich los und tritt wieder auf den König zu. Er sieht mich jetzt kaum mehr an.
„Ich hatte Euch zugesichert, dass ich es Euch erklären werde, Sire, und bedanke mich zunächst dafür dass Ihr den Verbannungsbeschluss aufgehoben habt. Natürlich werde ich Euch jetzt alles erklären. Ich bin mir der Tragweite dieser Erklärung vollkommen bewusst, nichts wird mehr so sein wie es einmal war, …“
„Ich denke, diese dramatische Ansprache könnt Ihr Euch sparen“, bemerkt der König genau das, was mir gerade auch durch den Kopf geht. Er hat wahrscheinlich schon einen Verdacht.
Aber ich glaube es immer noch nicht. Gesteht Seine Eminenz jetzt etwa die Sünden der Vergangenheit ein? Ist es ihm auf einmal gleichgültig, was aus ihm wird?
Im gleichen Moment treten noch ein paar Musketiere in den Thronsaal… drei kenne ich. Alle drei habe ich an dem Tag gesehen, als ich das erste Mal hier gewesen bin… der Dicke mit den roten Locken ist Porthos, der zierliche mit dem Kreuzanhänger um den Hals … oh, mir fällt gerade ein dass ich keine Ahnung habe wie er heißt… jedenfalls… der dritte ist Athos.
„Vor zehn Jahren und einem halben kam es in der Kathedrale von Paris zu einer schicksalshaften Begegnung.“ beginnt der Kardinal zu berichten. Offensichtlich kann er doch nicht auf eine dramatische Ansprache verzichten.
„Kardinal Richelieu…“
Die Stimme des Königs klingt ungeduldig.
„Na gut, ich fasse mich kurz. Ihr habt mir die Frage gestellt, woher ich so genau weiß, dass die im Alter von fünfzehn Jahren verbannte Anne de Breuil die ihr in dem Prozess vorgeworfenen Taten nicht begangen hat. Das schon allein deshalb nicht, weil ich die Fallzusammenfassung in dem Gnadenantrag manipuliert habe. Es ging in dem Verfahren um etwas anderes.“
„Um WAS?“
Das ist die Stimme der Königin… die habe ich zu meiner Schande vorhin gar nicht gesehen…
„Anne de Breuil ist nicht angeklagt gewesen, einen einfachen Priester verführt zu haben. Es ging dabei vielmehr um … mich selbst.“
„Was?!“
Ein erstauntes Raunen geht durch den Saal, aber Richelieu lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ja, so war das damals. Und ich weiß, dass die Vorwürfe nicht zutreffen, weil es in Wirklichkeit genau umgekehrt war. Nein, nicht einmal das“, verbessert er sich selbst und schaut jetzt wieder in meine Richtung, „es ist eine Vergewaltigung gewesen.“
Die Königin wird kreidebleich. Sie hat sich jedoch gleich wieder gefasst und stürmt auf den Kardinal zu.
„Nicht zu glauben, Eminenz… ich hatte Euch immer richtig eingeschätzt… das wird nicht der einzige Fall gewesen sein… da war wohl immer ein Funke Wahrheit in den Gerüchten… Oh je, die arme Constance…“ - „Um Mademoiselle Bonacieux geht es hier doch gar nicht“, unterbricht der Kardinal unwirsch, „außerdem habe ich ihr nichts angetan…“
„Aber wie kamt Ihr dazu, damals so etwas zu tun?“ unterbricht der König die Debatte.
- „Anne de Breuils Leben schien vorherbestimmt. Nach dem Plan ihrer Eltern sollte sie den Vicomte de Chagny heiraten. Es wäre nicht gerade der geeignetste Kandidat gewesen, das wusste ich. Und sonst hatte ich keine andere Möglichkeit, das Leben der Mademoiselle de Breuil zu verändern.“
„Ihr wolltet ihr Leben verändern?“ wiederholt Ludwig der 13. fassungslos.
- „Ja, weil er sich in mich verliebt hat, der feine Herr Kardinal“, ergreife ich das Wort. Ich halte es für notwendig, auch etwas zu sagen, dieses Mal kann ich aber meine alte Verachtung nicht mehr verstecken. Es war nicht immer leicht gewesen, mich zu verstellen ich würde auf seiner Seite stehen und seine Gefühle erwidern, aber das war jetzt so wie es aussah auch nicht mehr erforderlich.
„Verliebt in ein fünfzehnjähriges Mädchen, 14 Jahre jünger als er selbst, obwohl er Zölibat gelobt hat… Er hat in der Tat mein ganzes Leben verändert. Was musste ich alles durchmachen, bis ich…“
Ich lasse meine Blicke durch den Raum schweifen und mein Blick trifft schließlich den von Athos.
„… mein Ein und Alles getroffen habe. Ja, Athos war mein Stern der Hoffnung in den schweren Zeiten… ich war so glücklich ihn getroffen zu haben… Bin auf eine Bedingung eingegangen um eine Heiratsgenehmigung zu erhalten… aber der Kardinal hat mir die Genehmigung dennoch verweigert. Er war es auch, der nach meiner Hochzeit plötzlich mit einem Verbannungsbeschluss aufgetaucht ist…“
Jetzt bin es wohl ich, die eine regelrechte Ansprache hält, aber niemand hindert mich daran, weiterzusprechen. „Vor einem halben Jahr bin ich zurückgekehrt, mit dem Ziel vor Augen, der Kardinal möge endlich das was geschehen ist, wieder gutmachen und mir einige Fragen beantworten. Die Erklärung schockte mich zwar, aber sie war mir von Nutzen.“
Ich halte inne.
„Inwiefern von Nutzen?“ will der König wissen.
- „Seine Eminenz hatte mir gestanden, dass er damals eifersüchtig auf Athos gewesen ist weil er eben selbst in mich verliebt war. Deshalb wollte er mein Glück zerstören. Ich dachte mir, jetzt, da ich seine Gefühle kenne…“
Bei diesen Worten schaue ich nicht mehr in Athos’ Richtung, sondern in Richelieus Richtung. Ich will doch sehen, wie er bei meiner Offenbarung reagiert. Er schaut jetzt genauso entsetzt wie vorher die Königin, die inzwischen an ihren Platz zurückgekehrt ist und ringt nach Worten.
„Sagt jetzt nicht… Milady… dass…“
- „Oh doch, Eminenz“, versetze ich und lächle triumphierend, „ich hatte das alles nie ernst gemeint. Ihr habt doch nicht ernsthaft geglaubt, dass ich Eure Gefühle erwidere. Das habe ich doch nur getan weil es das war, was Ihr von mir wolltet… damit Ihr Euch schneller hier bei Hofe einsetzt, dass der Gnadenbeschluss erlassen wird.. ich dachte für Eure Lilie des Herzens würdet Ihr das bestimmt tun….“
„Nein…“ Der Kardinal ist jetzt wirklich entsetzt.
- „Nachdem sich das Ganze aufgeklärt hat“, ergreift König Ludwig jetzt wieder das Wort, „werde ich den Beschluss natürlich auch in der richtigen Version zustimmen.“ Er sieht den Kardinal finster an und nimmt ein Dokument von dem kleinen Tisch, der neben dem Thron steht.
Er unterschreibt und versieht es mit einem Siegel, dann tritt er auf mich zu.
„Milady de Winter… hiermit seid Ihr von allem freigesprochen.“
Ich fühle, wie in mir wieder einmal Tränen aufsteigen. Dieses Mal Freudentränen. Ich traue mich kaum, das Dokument entgegenzunehmen.
Und was Seine Eminenz angeht…“ fährt der König fort. „Porthos, Aramis – führt den Kardinal in seine Gemächer und sorgt dafür, dass er auch dort bleibt. Kardinal Richelieu, Eure Leibgarde wird mit sofortiger Wirkung aufgelöst und die Männer meinem direkten Befehl unterstellt. Eine Folge der Intrige, die Ihr gegen mich und meine Gemahlin geschmiedet habt und die sich kürzlich aufgeklärt hat. Und was den Vorfall vor zehn Jahren angeht, darüber unterhalten wir uns später… das hat natürlich ebenfalls äußerst unangenehme Konsequenzen für Euch…“
Die beiden Musketiere, die an meinem ersten Tag schon zusammen mit Athos herumgelaufen waren, treten vor auf den Kardinal zu. Der ist leichenblass geworden. Warum eigentlich? Das hat ihm doch klar sein müssen.
Richelieu wehrt sich nicht, sondern lässt sich von den beiden in die Mitte nehmen und abführen, während ich auf Athos zugehe.
„Mein Stern der Hoffnung… mein Ein und Alles… verstehst du mich jetzt? Ich habe wirklich nichts Unrechtes getan…“
Athos geht langsam auf mich zu, dann umarmt er mich wie an jenem Tag vor einigen Monaten.
„Jetzt verstehe ich alles… und es tut mir Leid, dass ich dir nicht zugehört habe… Was hast du alles durchmachen müssen, mein Engel aus Kristall…“ – „Fast mehr als ein einziger Mensch ertragen kann…“ gebe ich ihm Recht, „aber ich habe es geschafft. Nur für dich habe ich das alles durchgestanden. Nur für dich…“


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