Etwas in mir erwacht

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Rascal
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Etwas in mir erwacht

Beitragvon Rascal » 20.08.2012, 21:24:55

Inhalt: Elphaba versteht die Welt nicht mehr, als sie bemerkt, dass sie für Galinda womöglich mehr empfindet...
Genre: Romanze/Drama
Rating: P12 Slash

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Als Elphaba an diesem Abend die Bibliothek von Shizz verließ, war das Licht auf dem Flur schon gelöscht worden, sodass sie sich vorsichtig durch die Gänge schleichen musste. Zwar fiel durch die hohen Glasfenster ein wenig Mondschein, welcher die Marmorfliesen erhellte, jedoch reichte es der jungen Frau gerade, um sich nicht irgendwo zu stoßen.
Auf die Bücher in ihrem Arm hatte sie lange warten müssen, da die übereifrige Erstsemester Shenaja einige von ihnen die letzten Wochen in ihrem Zimmer gebunkert hatte, um sich ein wenig höheres Wissen anzueignen. Bei dem Gedanken, ein Erstsemester würde sich an Viertsemester-Magie versuchen, brach Elphaba kurzzeitig in schallendes Gelächter aus.
Noch als sie abbog, um den Bibliotheksteil des Gebäudes zu verlassen, und die große Uhr passierte, kreisten ihre Gedanken um die studierende Shenaja. Sie kicherte leise vor sich hin. Natürlich kannte sie den anfänglichen Eifer, dem sie selbst einst erlegen war, doch dieses Mädchen war irgendwie noch kurioser anzusehen als alle anderen Studenten dieses Stadiums. Wie konnte jemand bloß derart übereifrig sein und dann auch noch so viel Erfolg erwarten?
Schon allein um die Fachbegriffe zu verstehen, hätte Shenaja weitere fünf Bücher ausleihen müssen, da ebendiese Werke die Grundlage für das vierte Semester waren. Wie konnte jemand sich nur so überschätzen und dann auch noch erwarten, damit Erfolg zu haben?
Elphaba sah schon voraus, dass das arme Mädchen bald auf die Nase fallen würde. Wie Galinda damals, noch bevor sie die Hilfe ihrer Zimmergenossin angenommen hatte und schließlich zeigen konnte, dass sie mehr als nur ein verwöhntes Blondchen war. Mittlerweile hatten es die beiden geschafft, Galindas Noten in Geschichte und Philozogie rapide zu steigern.
Elphaba seufzte, als eine verdrängte Erinnerung in ihr hochstieg. Einmal, in einem leisen Moment des schulischen Erfolgs hatte das adelige Mädchen ihrer Freundin „Danke“ gesagt. Dann hatten sie einander umarmt, was als ein wirklich seltener Moment in dieser damals noch sehr frischen Freundschaft gewesen war.
Das grüne Mädchen blieb kurz stehen. Ihr Herz begann heftig zu pochen, als sie an diesen Lernabend mit Galinda dachte. Diese Umarmung war zu jenem Zeitpunkt das Schönste gewesen, was ihr jemals passiert war. Nie zuvor hatte ihr jemand derart viel Zuneigung geschenkt.
In ihrer Familie war sie immer das klassische Aschenputtel gewesen. Von den Eltern mit Argwohn betrachtet und von der Schwester lediglich mit Scham bedacht, war es ihr zu Hause nie gut ergangen. Galinda, so oberflächlich sie sich zu Beginn gezeigt hatte, konnte ihr das geben, was ihr in ihrem ganzen Leben bisher gefehlt hatte: Geborgenheit. Sicherheit. Liebe.
Elphabas Atem setzte kurz aus. Liebe?
War diese wachsende Zuneigung zu ihrer Zimmergenossin wirklich Liebe oder nur ein krampfhaftes Festhalten an der einzig freundlichen Person in ihrem Leben?
Sie konnte es sich selbst nicht beantworten; nicht einmal kritisch analysieren konnte sie ihre Situation, obwohl sie das ständig tat, um ein Problem zu lösen.
Gedankenverloren setzte sie ihren Weg fort. Ob sie wohl mit Galinda darüber reden konnte? Schließlich waren sie gute, wenn nicht sogar beste Freundinnen. Und Freundinnen, so heißt es, können miteinander über alles reden. Aber zählten solche Gefühle auch dazu?
Wenn ja, wie sollte sie ein Gespräch darüber beginnen?
Unsicher blickte Elphaba im Vorbeigehen aus dem Fenster in die Abenddämmerung. Wie romantisch wäre es doch, sich einen solchen Himmel gemeinsam anzusehen! Galinda hatte einen ausgeprägten Sinn für Romantik, sicherlich würde es ihr ähnlich gut gefallen.

Leise schlich sie die große Steintreppe hinunter. In der Ferne erklangen die eiligen Schritte einer anderen Person. Wer anders konnte jetzt noch umherwandern? Hastig erhöhte sie ihr Tempo. Eine Mahnung von Madame Akaber konnte sie in dieser Gefühlslage absolut nicht gebrauchen. Ausgerechnet zur Bettruhe durch die Schule schleichen wurde schließlich nicht besonders gerne gesehen. Als Elphaba den Wohnkorridor erreicht hatte, gab sie einen erleichterten Seufzer von sich. Offenbar hatte das Wesen auf der Treppe eine andere Etage angepeilt und war ihr nicht gefolgt. Atemlos schritt das grüne Mädchen an den vielen Türen vorbei, bis sie endlich vor dem eigenen Zimmer stand.
"Puls steigt, Herz flirrt..." schoss es ihr urplötzlich durch den Kopf. Was, wenn Galinda über ihre Gefühle bereits Bescheid wusste? Wenn sie schon vorher unbewusst gezeigt hatte, was sich in ihrem Herzen verbarg?
Nachdenklich betrat sie das abgedunkelte Zimmer. Im ersten Moment dachte Elphaba, ihre Zimmergenossin hätte sich schon schlafen gelegt, doch dann entdeckte sie, dass die beiden Nachttischlampen brannten. Als sie erkannte, dass Galinda nicht auf ihrem eigenen Bett saß, erschrak die Grüne heftig.
„Was… machst du da?“ fragte sie und starrte das blonde Mädchen an. In ihren Händen hielt das andere Mädchen das grüne Fläschchen, welches einst Elphabas Mutter gehört hatte! Das einzige, was von ihr geblieben war! Galinda erwiderte nichts, sondern blickte ihre Freundin perplex an. Ohne eine Regung, ohne jegliche Reaktion.
„Du weißt ganz genau, was es mir bedeutet!“. Ihre Stimme wurde mit jedem Wort lauter und aufgeregter. Wütend rannte sie auf das Bett zu und entriss das grüne Behältnis den Händen Galindas. Das Einzige, was jetzt in ihrem Kopf herumschwirrte, war der Gedanke, ihre Freundin könnte etwas getrunken haben. „Hast du… etwas davon genommen?!“.
Wie angewurzelt saß sie noch immer auf Elphabas Bett. Ihre blonden Locken schwangen sanft hin und her, als sie ihren Kopf schüttelte. Der gedimmte Schein der Lampen verliehen ihren Haaren einen himmlischen Glanz, welcher ihr Gegenüber erneut in ein Gefühlschaos stürzte.
Langsam streckte sie ihre Hand aus, um die vor Aufregung geröteten Wangen zu berühren, doch mitten in der Bewegung brach sie ab. Sie spürte, dass es noch nicht der richtige Moment war, um von Problemen der sexuellen Orientierung zu sprechen.
„Elphie…?“ flüsterte Galinda besorgt und stand vom Bett auf. „Elphie, du bist ja ganz blass! Geht es dir nicht gut? Möchtest du was trinken?“. Doch nun war es das grüne Mädchen, welches nicht reagierte. Beinahe traurig blickte sie ihre Zimmergenossin an.
„Du kannst mir alles sagen, das weißt du doch!“.
Elphaba fühlte, wie heiße Tränen in ihr aufstiegen, als sie Galinda das sagen hörte.
Wirklich alles?
Ohne die Hoffnung, einen vernünftigen Satz herauszubringen, ließ sie sich auf das Bett fallen, griff nach dem Stofftuch, das sie immer bei sich trug und wischte sich eilig über die Wangen. „Irgendetwas stimmt nicht mit dir, das sehe ich dir doch an!“. Keine Reaktion. „Elphaba, sprich doch mit mir, ich möchte dir helfen! Hat es etwas mit deiner Mutter zu tun?“.
Galinda setzte sich neben ihre Freundin und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Es tut mir wirklich leid. Ich weiß, dass du das Fläschchen unter deinem Kissen lassen willst, aber…“.
„Nein.“ Brachte Elphaba leise hervor. „Was?“-„Nein, es… hat nichts mit Mutter zu tun.“.
Das blonde Mädchen lächelte seufzend. „Was ist denn los?“. Vorsichtig strich sie der weinenden jungen Frau neben sich über das Haar. Diese zuckte kurz zusammen, als sie die zärtlichen Berührungen wahrnahm. Es wirkte alles so unreal auf sie.
„Ich mag dich!“ sagte Elphaba tonlos, doch Galinda kicherte. „Ich weiß Elphie, sonst wären wir wohl auch kaum Freundinnen, oder?“.
Das Licht begann zu flackern und beide befürchteten einen weiteren Zauberanfall, doch dazu kam es glücklicherweise nicht. „Du bist einzigartig…Du verstehst mich und nimmst mich genau so, wie ich bin. Du erträgst meine furchtbaren Launen und bringst mich auf den Boden der Tatsachen zurück, sollte ich mich mal aufregen…“ begann Elphaba.
„Freundinnen“ Lächelte Galinda. Sie nahm die grüne Hand, um diese zu streicheln. Ihre blasse Haut fühlte sich zärtlich und warm auf der ihrer Zimmergenossin an. „Freundinnen sind so zueinander. Sie stellen keine Bedingungen oder spielen der anderen etwas vor. Und Freundinnen können einander alles erzählen, Elphie! Also, was hast du auf dem Herzen?“
„Puls steigt, Herz flirrt…“ sang eine leise Stimme in Elphabas Kopf erneut.
„Elphie, hörst du mich?“
"Plötzlich sprachlos..."
„Du bist wieder so blass!“
"Und verwirrt..."

Elphaba saß nur weinend da und starrte ins Leere. Sie zitterte unter dem emotionalen Leid, welches ihr Herz in zwei Hälften reißen wollte. Doch plötzlich spürte sie den warmen Atems Galinda an ihrem Gesicht, als jene ein Stück näher kam und dem grünen Mädchen einen Wangenkuss gab.
Ihr wurde schwindelig, das Zimmer schien sich langsam aufzulösen.
Mittlerweile nahm sie alles nur noch als entferntes Szenario wahr, als würde sie gar nicht selbst auf dem Bett sitzen. Elphaba zitterte nur stärker, als Galinda ihr wieder übers Haar strich.
"Elphaba..."
Die Stimme klang nur noch wie das ferne Echo eines verzweifelten Rufes. Verwirrt stieß sie sich von dem Bett ab, doch kaum hatte sie einen Fuß auf den Boden gesetzt, verließen Elphaba die Kräfte und ihr wurde schwarz vor Augen.
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midnight
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Re: Etwas in mir erwacht

Beitragvon midnight » 21.08.2012, 13:04:19

Tolle Geschichte. Der Anfang hört sich sehr interessant an. Du hast einen schönen Schreibstil und das ganze liest sich sehr flüssig. :D ich freu mich schon auf den nächsten Teil.
Im Dunkeln sind wir alle gleich

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Rascal
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Re: Etwas in mir erwacht

Beitragvon Rascal » 21.08.2012, 15:45:30

Danke, midnight! Hier kommt gleich das etwas kürzere Kapitel 2 :)


Elphabas Gliedmaßen lagen taub neben ihrem Körper, als sie wieder zu sich kam. Es war warm unter der schweren Wolldecke, beinahe als würde sie im Hochsommer ungeschützt in der Sonne liegen. Als sie ihren Kopf zur Seite drehte, bemerkte sie, dass Galinda unweit von ihr auf einem Stuhl saß. Ihre Beine hatte sie an ihren Bauch gezogen und hielt den Kopf gesenkt. Weinte sie?
„Galinda…“ flüsterte das grüne Mädchen schwach. Sie versuchte sich an einem Lächeln, was ihr nicht recht gelingen wollte
Im ersten Moment glaubte sie, ihre Zimmergenossin hätte sie nicht gehört, doch gerade als sie erneut den Namen sagen wollte, da löste sich das angesprochene Mädchen aus der verkrampften Haltung und stürmte geradezu an das Krankenbett.
„Elphie, du bist ja wach.“ Galindas Augen glänzten, als hätte sie sehr viel geweint. Dennoch lächelte sie ihre Freundin an, als wollte sie stark wirken. Stärker, als sie wirklich war.
„Was ist geschehen?“ murmelte die Grüne verwirrt, während sie versuchte, sich aufzurichten. „Ich kann mich an gar nichts erinnern….Und warum brummt mein Kopf so höllisch?“
„Gestern Abend bist du in unserem Zimmer zusammengebrochen und bist mit dem Kopf hart auf den Boden aufgeschlagen. Dir ist nichts Schlimmeres passiert, aber du brauchst jetzt viel Ruhe.“. Galinda wischte sich eine Träne aus den Augenwinkeln. Beinahe beschämt blickte sie zu Boden. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht…du warst stundenlang weggetreten.“. Ein Schauer lief über Elphabas Rücken. Die Trauer in den sonst so strahlend blauen Augen ihrer Freundin gefiel ihr nicht.
Niemand sagte ein Wort.
Unruhig knetete Elphaba ihre Hände. Sie wusste nicht, was sie auf das Geständnis antworten sollte. Als das drückende Schweigen beinahe unerträglich geworden war, betrat die Schwester den kleinen Raum im Krankenflügel.
„Sie ist wach!“ rief Galinda schnell, als wollte auch sie die Stille sofort beenden. Kaum hatte sie gerufen, war die Fröhlichkeit in ihr Gesicht zurückgekehrt. Die Blässe, welche zuvor um ihre Nase zu sehen war, war urplötzlich verschwunden.
Die Krankenschwester lächelte die beiden Freundinnen an. „Schön“, sagte sie und sah Elphaba in die Augen, während sie langsam an das Bett trat, „wie fühlst du dich? Kannst du aufstehen?“.
Unsicher biss sich die grünhäutige Schülerin auf die Lippe und versuchte, aufzustehen. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihr schwarzes Kleid an ihrem Fußende lag. Jemand hatte ihr ein Nachthemd angezogen. Kaum hatte Elphaba ihre nackten, krummen Füße auf die kalten Fliesen gesetzt und hatte ein paar Schritte getan, da entfuhr Galinda ein freudiges Quietschen.
„Na bitte!“ sagte die Krankenschwester. „Das sieht doch gut aus. Am besten, du bleibst heute noch dem Unterricht fern und ruhst dich noch ein wenig aus. Morgen wirst du vorraussichtlich wieder quietschequak-fidel sein.“. Kurz musterte sie ihre Patientin, dann verschwand sie wieder. Wieder mit ihrer Zimmergenossin allein gelassen, stand Elphaba in der Mitte des Raumes.
Als sie bemerkte, dass Galinda ihre Freundin anlächelte, fühlte diese sich unwohl. Hastig zog sie das kurze Nachthemd herunter, um ihre nackten Beine zu bedecken. Noch immer schämte sie sich für ihren Körper. Selbst vor ihrer Zimmergenossin konnte sie ihre Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper nicht ganz ablegen.
„Du musst dich für nichts schämen!“ sagte Galinda und sammelte Elphabas persönliche Sachen ein. „Man sollte meinen, du würdest dich mir langsam mal öffnen…“.
„Bald.“ Flüsterte sie leise. „Bald wirst du mich verstehen.“
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Re: Etwas in mir erwacht

Beitragvon Sisi Silberträne » 30.08.2012, 22:10:31

Fängt schon mal interessant an! Gefällt mir sehr gut bisher.
Du hast einen angenehmen Stil und eine Wortwahl, die sehr gut in die Welt von Wicked passt.
Ich mag Gelphie und bin gespannt wie es mit den beiden nun weiter gehen wird.
Bitte bald weiter!
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Re: Etwas in mir erwacht

Beitragvon Rascal » 24.09.2012, 23:28:25

Und weiter gehts :)


Den gesamten Weg von der Krankenstation bis hierhin hatte Galinda kein Wort gesagt. Sie war stur ihres Weges gegangen, ohne Elphaba auch nur im Geringsten zu beachten. Im Schlafzimmer angelangt hatte sie dann alle Sachen genauso wortlos auf den Boden fallen lassen und war noch immer wütend hinausgerannt.
Elphaba seufzte schwer. Wie um alles in der Welt sollte sie ihrer Freundin nur erklären, was sie fühlte? Wie sollte sie Galinda jemals wieder unter die Augen treten können, ohne sich schämen zu müssen? Normalerweise hätte Elphaba nun die Nase in einen Buch gesteckt, doch einen Ratgeber für Verliebte hatte sie nicht im Regal stehen.
Unruhig nahm sie den Wecker in die Hand und las die Zeit ab. Zur Bibliothek würde sie es nun vielleicht schaffen, doch würde niemand sie mehr so spät hineinlassen, da jede Aufsicht nur zu gut wusste, dass Elphaba gut und gerne eine ganze Woche zwischen den Büchern ausharren könnte. Die junge Frau stand von ihrem Bett auf und schritt zum Fenster.
Es war schon nachtschwarz draußen, doch es schien, als würden alle Sterne am Firmament von schweren, grauen Gewitterwolken verdeckt.
Um zumindest einen kurzen Blick auf den Himmel zu erhaschen, murmelte Elphaba einen Zauberspruch, den sie von Madame Akaber, welche schließlich eine diplomierte Wetterhexe war, gelernt hatte. Kaum waren die letzten Worte über ihre dunkelgrünen Lippen gehuscht, da zerschellten die Wolken, als hätte sie jemand mit Kanonenschüssen angegriffen.
Wie am Vortag füllten sich Elphabas Augen mit Tränen. „Galinda…“ murmelte sie wehmütig, denn wie ein Kanonenschuss hatten Galindas Worte in das Herz ihrer Zimmergenossin getroffen. „Man sollte meinen, du würdest dich mir langsam mal öffnen…“ hatte sie gesagt.
Öffnen… war sie denn überhaupt bereit dazu?
Aus einem Instinkt heraus setzte Elphaba sich an ihren Schreibtisch und nahm die Schreibfeder in die Hand. Noch bevor ihr bewusst war, was sie tat, hatte sie schon einen Brief angefangen.

Als Elphaba Schritte auf dem Flur vernahm, huschte sie unter ihre Decke und löschte das Licht ihrer Nachttischlampe. Vorerst sollte Galinda nicht herausfinden, was sie getan hatte. Hastig zog das Mädchen die Decke fest ans Kinn und fiel bald schon in einen unruhigen Schlaf.

Am darauffolgenden Tag versuchte Elphaba angestrengt, sich gegenüber ihrer Mitbewohnerin möglichst unauffällig zu verhalten. Den Umschlag und deren Inhalt hatte sie Galinda noch nicht untergeschoben. Schon seit der der Philozogie-Vorlesung, die eigentlich erst die zweite an diesem Tag war, hatte das grüne Mädchen Probleme gehabt, sich auf den Stoff zu konzentrieren. Weiß Oz, dabei ist dieses Fach ihr Steckenpferd.
Der gesamte vergangene Tag und dessen Geschehnisse lasteten schwer auf Elphabas Schultern, denn zum ersten Mal in ihrem Leben spürte sie eine so starke Zuneigung zu einer weiblichen Person. Überhaupt war es das erste Mal, dass sie sich über ihre Gefühle Gedanken machen musste. Wenn die Leute auf der Straße sie wegen ihrer Hautfarbe angestarrt oder gar angepöbelt hatten, konnte sie ohne Probleme darüber hinweg sehen. Denn tief in ihrem Herzen wusste sie, dass es oft ebendieser Klatsch war, welcher den armen Dorfbewohnern als einzige Flucht aus dem Landleben diente.
In ihrer Kindheit hatte Elphaba noch viel mit Altersgenossen gespielt, doch mit den Jahren kam auch das eigenständige Denken, sodass immer mehr Spielkameraden ihre Andersartigkeit erkannten. Irgendwann kam es so weit, dass selbst die Dorfschule kein sicherer Platz mehr war. Während ihre gelähmte, aber normalhäutige Schwester Nessa allgemein akzeptiert war, musste Elphaba nach einigen Handgreiflichkeiten zu Hause bleiben und sich selbst das Wissen aneignen, welches in der Schule gelehrt wurde.
So isoliert wie sie war, konnte sie nur immer müde lächeln, wenn Nessa täglich neue Dinge zu berichten wusste. Eines Tages hatte sie auch von der aufkeimenden Erziehung zwischen zwei Mädchen aus ihrer Klasse erzählt. Das einzige, woran Elphaba sich von diesem Tischgespräch noch erinnern kann, war das große Donnerwetter ihres Vaters. Er wollte solche über solche Themen nichts hören, es seien unnatürliche Auswüchse, von denen seine Kinder sich fernhalten sollten.
Elphaba seufzte.
Das alles war tatsächlich schwierig für sie. Nicht genug damit, dass Galinda noch gar nichts von ihren Gefühlen wusste. Nun musste das grüne Mädchen auch noch feststellen, dass diese Liebe unter einem schlechten Stern stand. Selbst in jenem unwahrscheinlichen Fall, dass Galinda sich auf eine Beziehung mit ihr einlassen würde, müssten sie das geheim halten.
Elphaba wusste, dass gleichgeschlechtliche Anwandlungen ein schwieriges Thema im Lande Oz waren. Gar ein Verhältnis zwischen der grünen Tochter des Gouverneurs von Munchkinland und einer Prinzessin aus altem Adelshaus! Es wäre ein öffentlicher Skandal, wenn zwei Mädchen solcher Abstammung eine Beziehung führen würden.
Unruhig sah Elphaba zu ihrer Zimmergenossin, welche einige Reihen weiter vorne saß. Sie spielte gelangweilt mit ihren goldblonden Locken, biss auf ihrem Federhalter herum. Dabei konnte sie nicht ahnen, wie sehr ihre Freundin diese kleine Geste erregte.
Als es wenige Minuten vor Vorlesungsende die letzen Aufsätze ausgeteilt wurden, nutzte Elphaba die Gelegenheit und stellte sich im Pulk der Studenten in Galindas Nähe öffnete unauffällig deren Tasche und steckte den kleinen Umschlag hinein. Noch ein paar Mal sah sie sich nervös um, dann nahm sie ihre korrigierte Arbeit entgegen und verschwand so schnell sie nur konnte.

Um sich abzulenken, suchte die grüne Studentin ihren Lieblingsort auf. Die Bibliothek. Erst letzte Nacht hätte sie am liebsten alle Regale durchwühlt, sämtliche Liebesgeschichten durchforstet. Verunsichert streifte sie nun durch die Reihen und nahm vorsichtshalber alles in die Hand, was ihr als Liebesgeschichte bekannt war oder zumindest danach klang. Die Aufseherin blickte Elphaba schockiert an. Sie kannte die Studenten, die ihre Zeit gerne mit Büchern verbrachten. Und erst recht kannte sie Elphabas Vorliebe für wissenschaftliche Literatur.
„Meine Güte, was ist denn mit dir los?“ fragte die alte Dame wahrhaft schockiert. „Keine Geschichte? Philozogie? Ja…“, völlig verwirrt sah sie die Buchauswahl durch, „nicht einmal magistische Werke unter den Leihgaben?“. Über ihre Brille hinweg sah sie Elphaba besorgt in die Augen. Als diese jedoch nur schief lächelte, katalogisierte die Bibliothekarin den Stapel. „Die widerwärtige Lähmung, Die Leiden der jungen Hertha, Ein Tiefwintertraum…“.
Als sie schließlich fertig war, händigte sie Elphaba die Werke wieder aus. Gerade hatte diese sich bedankt und wollte gehen, da hielt die Frau sie am Arm fest und flüsterte: „Bitte, tu mir einen Gefallen. Wenn es um Fräulein Galinda geht, sei bloß vorsichtig.“.
Irritiert legte die Studentin ihre Stirn in Falten. „Was… meinen Sie?“.
„Das arme Kind ist in letzter Zeit sehr neben der Spur. Reizbar. Übersensibel. Ja, wenn mich nicht alles täuscht, ist sie sogar verliebt.“
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Re: Etwas in mir erwacht

Beitragvon bogi-2000 » 11.10.2012, 12:55:45

Wow, ich bin beeindruckt. Super geschrieben. Hoffe auf eine baldige Fortsetzung. Bin wirklich gespannt wie es weiter geht.
Danke schon mal vorab. Lässt sich wirklich toll lesen.

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Re: Etwas in mir erwacht

Beitragvon Rascal » 15.10.2012, 04:23:37

Hastig bewegte Elphaba sich durch die langen Gänge des altehrwürdigen Universitätgebäudes. Ihre unrhythmischen Schritte erzeugten ein Geräusch, bei dem jeder normale Student taub würde, so sehr stampfte sie auf dem Weg zum Speisesaal. Doch Elphaba war eben nicht normal. Nicht nur, dass ihre grüne Hautfarbe selbst unter TIEREN auffiel machte sie ‘anders‘, sonder auch die geheimen Gefühle für Galinda. Der Brief, den sie ihrer Zimmergenossin geschrieben hatte, würde in nächster Zeit und vielleicht für immer alles bisher Dagewesene verändern.
Elphaba wusste selbst nicht, wie sie den Mut aufgebracht hatte, ihren Gefühlen Luft zu machen. Selbst ihre Anonymität, die sie als Schutzschild vor bösen Gerüchten und vorschnellen Urteilen seitens Galinda verwendet hatte, konnte nicht davon ablenken, dass es noch immer eine riskante Liebe war.
Und dann waren da noch die Worte der alten Bibliothekarin, die Elphaba verwirrten, aber gleichzeitig hoffen ließen. Wenngleich sie wusste, dass ihre heimliche Hoffnung sie zu Unvorsichtigkeit bringen konnten, ließ sie diese Träumerei zu.
Aber konnte Galinda wirklich so etwas wie Liebe zu ihrer Zimmergenossin empfinden? Ein so lebenslustiges, feminines Wesen? In den Büchern wurden lesbische Frauen oft als „Wechselbälger“ bezeichnet. Als rein biologisch weibliche, optisch aber in sehr vielen Fällen männliche Erscheinungen wurden sie dargestellt.
Doch Galinda mit ihren goldenen Locken, den knospenfarbenen, zarten Lippen und dem Drang, immer topaktuell und verführerisch gekleidet zu sein? Nein, zumindest konnte sie keine Klischee-Lesbe sein.
Und sollte es doch ein Mann sein, wer käme infrage? Beinahe jeder Kommilitone schaute Galinda mit sehnsüchtigem Blick hinterher, ließ sie bereitwillig abschreiben und tat einfach alles für diese wunderschöne junge Frau, nur um ihr nah zu sein.
Elphaba seufzte. Ja, wäre sie selbst nicht so ehrgeizig, würde sie das alles ebenfalls tun. Doch erst wollte sie sicher gehen, dass es sich lohnen würde.
Wer war also dieser Schwarm, wenn die Bibliothekarin recht hatte- was fast immer der Fall war? Aus kleinen Unterhaltungen wusste Elphaba, dass Galinda sehr gerne mit diesem Schnösel von Winkie-Prinz gehen würde. Fiyero Tiggular.
Andererseits war da noch Moq, der ärmliche Munchkin, der wohl ihr heißblütigste Verehrer war, obwohl sie ihn nicht beachtete und seinen Namen ständig falsch aussprach. Vielleicht hegte sie ja für ihn eine heimliche Schwäche und wollte es nur nicht zugeben, weil er offiziell nicht ihr Niveau war?
Elphaba seufzte. Sie selbst konnte Moq zwar nicht sonderlich leiden, doch gestand sie sich ein, dass dieser Munchkin für Galinda eine bessere Partie wäre als Prinz Fiyero. Er hatte immerhin Manieren, war intelligent und würde sie auf Händen tragen. Bei all den Vorzügen konnte Fiyero nur mit einem punkten: einem prall gefüllten Geldbeutel.
Diese Oberflächlichkeit passte leider zu ihrer Freundin Galinda. Zwar versuchte Elphaba seit langem, ihr diese schlechte Eigenschaft auszutreiben, aber bei einer Frau adliger Abstammung war leichter gesagt als getan. Vermutlich würde es noch nach der Studienzeit einiger Arbeit bedürfen. Wenn die Freundschaft bis dahin nicht erloschen sein würde…
Mit noch immer sehr lauten Schritten und Gedanken in den Wolken betrat Elphaba schließlich den weitläufigen Speisesaal. Er war schon gut gefüllt, einige Studenten waren schon damit beschäftigt, alles in sich hinein zu stopfen, was ihr Magen aufnehmen konnte. Oder auch nicht- denn kaum hatte sie sich auf den Weg zu ihrem festen Sitzplatz gemacht, ergoss sich das halbverdaute Menü eines PFERDES auf ihrem schwarzen Rock. Zwar murmelte es eine Entschuldigung, doch machte es keine Anstalten, Elphaba zu helfen. „Himmel, Arsch und Oz…“ dachte sie, atmete kurz durch und nahm wenig später auf ihrer Bank Platz. Ihre Zaubersprüche reichten von Ernte bis Entkalkung, aber einen Zauber gegen Erbrochenes auf Baumwolle kannte sie nicht.
Angeekelt schnappte sie sich die Servierten, die auf dem Tisch bereitlagen, und wischte energisch auf ihrer Kleidung rum, ohne zu merken, dass Galinda sich neben sie setzte. Als sie sich mehrfach geräuschvoll geräuspert hatte, hob Elphaba den Kopf.
„Du wirst mir nicht glauben, was passiert ist Elphie!“ quietschte die Blondine, während sie wild mit ihren manikürten Händen vor dem Gesicht ihrer entnervten Freundin herumfuchtelte. „So unglaublich, dass es dir die Sprache verschlagen wird, wenn ich dir davon erzähle! Rat mal, was ich entdeckt habe!“
Elphaba hob eine Augenbraue und sagte trocken: „Keine Ahnung, was du meinst, aber so unglaublich wird es wohl nicht sein. Ich habe schon PFERDE kotzen sehen.“.
Galinda rückte auf der Bank ein Stück zurück und blickte auf den Schoß ihrer Zimmergenossin. „Ähm, ja, man sieht’s…“
Sie warf kurz ihre Haare zurück, dann fuhr sie wieder in eben demselben, quietschenden Tonfall fort: „Vorhin kam ich von der Vorlesung und wollte Shey noch schnell meine aufgeschriebenen Ideen zur Gestaltung des nächsten Studentenballs zeigen,…“ als würde sie die Szene nachstellen, kramte Galinda in ihrem pinken Täschchen und zog einen Umschlag heraus, der Elphabas Puls augenblicklich in die Höhe schnellen ließ, „da fand ich diesen Brief zwischen meinen Büchern! Und du wirst nie im Leben erraten, was drin steht!“ Demonstrativ hielt Galinda ihrer Freundin das Papier unter die Nase. Auffordernd sah sie sie an.
„E-ein…Liebesbrief?“ fragte diese nervöser, als sie wirken wollte. Ihr Gegenüber schaute ihr tief in die Augen, blickte sich noch einmal verschwörerisch um und flüsterte dann:
„Eine Kopie der anstehenden Linguistifizierung- Klausur! Ist das nicht klasse? Jetzt kann ich mich noch drei Tage speziell auf die Aufgaben vorbereiten, sodass ich dann die beste Note von allen schreiben werde- mit dir natürlich! Weil du meine Freundin bist, darfst du auch mal einen Blick darauf werfen, ja?“
Doch Elphaba, die längst den Kampf mit dem Halbverdauten auf ihrer Kleidung aufgegeben hatte, schüttelte nur den Kopf und antwortete ebenso leise: „Glaubst du nicht, dass es etwas auffällt, wenn ausgerechnet du plötzlich so gut bist? Ich meine, du bist eher fit, was die… Optik des Textes angeht. Beim Inhalt hapert es schließlich noch etwas…“.
Galinda lachte laut auf. „Ich bitte dich. Jetzt, wo ich in Geschichte und Philozogie besser geworden bin, wird das niemand bemerken! Alle werden denken, du hättest mich einfach wieder gut vorbereitet!“ Sie winkte ab und griff nach ihrem Wasserglas, doch Elphaba legte ihr eine Hand auf die Schulter.
Es tat so gut, sie zu berühren, auch wenn ihr Herz dabei fast entzweisprang, weil es sein größtes Geheimnis noch nicht preisgegeben hatte. Wieder nervös, schaut Elphaba ihrer Freundin tief in die Augen. „D-das meine ich nicht. Aber so wie ich dich kenne, wirst du die Antworten auswendig lernen- und das fällt dann auf. Überleg es dir nochmal.“
Mit diesen Worten stand sie auf und verließ den Tisch. Alles in ihr begann wieder zu rebellieren. Ihr Puls stieg, ihr Magen krampfte und ihre Arme wollten einfach nur noch Galindas zierlichen Oberkörper umfassen.
Gerade hatte sie die schwere Ebenholztür erreicht, da drehte sie sich noch einmal um und sah zurück. Ihre Zimmergenossin flirtete heftig mit Fiyero, dem Winkie-Prinzen.
Elphabas Augen füllten sich mit Tränen.
Sie war es nicht.
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Ja ich weiß. Weder im Buch noch im Musical gibt es noch TIERE am Glizz. Aber es musste einfach sein :mrgreen:
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Re: Etwas in mir erwacht

Beitragvon Reisender » 04.12.2012, 11:03:52

Na das ist ja wirklich spannend. Ich wollt heut eigentlich nur mal kurz vorbeischauen und schwupp sitz ich hier und les mir deine Geschichte durch :) Macht wirklich sehr viel Spaß, du machst das toll!
„Spätestens wenn die Kinder fragen, wo bei der Kuh die Butter rauskommt, hilft nur noch eins - Urlaub auf dem Bauernhof.“


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