Danke für eure Kommis Heute nochmal eine Fortsetzung. Auf die nächste müsste ihr wahrscheinlich eine Weile warten, aber dafür ist die hier extra lang... Viel Spaß Es wurde tatsächlich ein sehr netter Abend.
Alle waren wirklich gut gelaunt, die Musik war gut und nicht zu laut und ich fühlte mich alles in allem viel wohler, als das sonst auf Partys der Fall war.
Mein „neuer Bekannter“ (ich hatte mir noch keinen Namen ausgedacht) hielt Wort und brachte mich ausnahmsweise nicht damit aus dem Konzept, plötzlich aufzutauchen und auf meine Gedanken zu antworten oder so ähnlich.
Hin und wieder sah ich ihn in der Spiegelung der hohen Fenster, dann lächelte er und hob sein Glas. Wenn ich mich umdrehte, stand er aber nicht neben mir und ich lächelte auch – sein dezentes Erscheinen stand wie ein kleines Geheimnis zwischen uns und der Welt.
Ich traf viele Kollegen; auch solche, die ich lang nicht mehr gesehen hatte oder die ich nur von CD-Aufnahmen kannte. Es war schön, auf einer Party ausnahmsweise Menschen kennenzulernen, mit denen man sich wirklich unterhalten konnte.
Jan wurde – leider – die meiste Zeit von seiner neuen Freundin beschlagnahmt. Als Diana merkte, dass ich immer wieder zu den beiden hinübersah, ging sie kurzentschlossen selbst auf den kleinen Stehtisch zu und verwickelte Yvonne gekonnt in eine anregende Unterhaltung.
Schon nach kurzer Zeit gingen die beiden zu einer Raucherpause nach draußen, und ich hätte schwören können, dass Diana mir im Vorbeigehen zuzwinkerte.
Ich hätte sie umarmen mögen. An Feingefühl und Einfühlungsvermögen kam niemand sonst, den ich kannte, an Diana heran; sie merkte einfach alles und was ich fast noch mehr schätzte: Sie stellte keine Fragen.
„Hi“, begrüßte ich Jan, der gerade noch Yvonne und Diana nachgesehen hatte. Er lächelte. „Schön, du hast es doch nicht vergessen.“
„Wie hätte ich können? Du hast mich ja noch rechtzeitig erinnert.“ Ich erwiderte sein Lächeln und genoss wie so oft, dass mein Kollege einfach immer gut gelaunt war. Ich konnte mich nicht erinnern, dass er einmal wirklich unglücklich gewesen wäre. Sicher, auch er hatte seine Schwierigkeiten – aber seine Art, das Leben einfach bei den Hörnern zu packen und das Beste daraus zu machen, verblüffte und beeindruckte mich immer wieder.
„Wie war die Show heute?“, fragte ich. Ich hatte mein Ziel nicht vergessen, ihn nach seiner Meinung für das Casting zu fragen, aber ich wollte es langsam angehen lassen und nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Dank Diana hatten wir nun mindestens eine Viertelstunde für uns.
Jan, der nach unseren Shows immer begeistert wirkte, zuckte zu meiner Überraschung nur gleichgültig mit den Schultern. „Es geht so. Diana ist wirklich nett und hat eine gute Stimme, aber… Ich weiß auch nicht. Von der Chemie her ist es mit dir irgendwie leichter.“
Ich musterte ihn überrascht. Ich hatte immer geglaubt, Jan – der schon längere Bühnenerfahrung hatte als ich und schon in vielen Produktionen mitgewirkt hatte – hätte mit überhaupt niemandem Probleme. Vor allem, weil er so ein positiver Mensch war. Und nun hatte er ausgerechnet mit Diana, charakterlich seinem weiblichen Spiegelbild, Schwierigkeiten? Das hätte ich nie erwartet.
„Mir fällt das Spielen mit dir auch leichter als mit Martin“, gab ich zu. „Muss wohl die geheime Anziehungskraft zwischen uns sein.“ Ich verzog keine Miene, aber das war auch nicht nötig. Jan verstand meinen Humor und grinste. „Ja, bestimmt. In deiner Nähe krieg ich immer ganz weiche Knie.“ „Solange du noch tanzen kannst“, lächelte ich nonchalant.
„Aber klar doch.“ Jan grinste hinterhältig und als er mich auf die Tanzfläche zog, wusste ich auch, warum. „Ich zeig’s dir.“
„Ähm, nein… Jaaan… Also, so war das nicht gemeint…“ Ich versuchte einen Rückzieher, aber umsonst – nach den monatelangen Fitnessübungen war mein Kollege natürlich stärker. Ich verzog das Gesicht – Disco-tanzen hatte ich noch nie gemocht. Seufzend ergab ich mich meinem Schicksal – nur um eine halbe Minute später von der Tanzfläche zu sprinten und mich an einem Stehtisch festzuhalten.
Jan folgte mir, hatte aber zum Glück Erbarmen. Mein Hundeblick hatte schon immer funktioniert. Ich lächelte triumphierend.
„Okay, jetzt aber zurück zu den ernsten Dingen. Ich brauche deinen Rat“, verkündete ich und nippte an meiner Cola. Jan zog eine Augenbraue hoch und sah mich aufmerksam an.
Ich erklärte ihm kurz die Situation, erwähnte aber nicht, dass Elisabeth abgelöst werden sollte. Das war noch nicht offiziell und Tim würde großen Ärger bekommen, wenn schon verfrüht solche Gerüchte die Runde machten. Auch wenn ich ein schlechtes Gewissen hatte, Jan solche Neuigkeiten zu verschweigen… Ich erwähnte doch lieber nur, dass ich Rebecca ins Auge gefasst hätte und für das Casting einen Song aus dem Stück bräuchte.
„Aber ich weiß noch nicht mal, für welche Rolle ich mich bewerben will“, endete ich. „Ich meine, die ICH zu spielen wäre schon klasse, aber ich weiß einfach nicht… Auf Dauer sind Hauptrollen auch ganz schön anstrengend. Vielleicht wäre es besser, ich lasse es langsam angehen.“
Jan musterte mich nachdenklich. „Das musst du dir natürlich überlegen. Aber wenn du meinen Rat hören willst: Wenn du dir die ICH vorstellen kannst, bewirb dich dafür. Dass du für die Hauptrolle vorsingst, heißt ja noch lange nicht, dass du sie kriegst – zumindest im echten Leben, du Traumprinzessin“, lächelte er und ich senkte verlegen den Blick. Mir war ja klar, dass es riesiges Glück war, dass ich gleich beim ersten Casting nach meiner Ausbildung die Hauptrolle in Elisabeth abgesahnt hatte. Aber sicher – wenn es nach mir ginge, könnte es schon so weitergehen. „Wenn du die Hauptrolle kriegst, hast du sowieso mehr Glück als Verstand“, fuhr Jan fort. „Versteh mich nicht falsch, du bist gut. Aber erstens gibt es da draußen auch noch andere, die auch gut sind, und zweitens könnte schon eine besser sein, die gleich gut singt und deren Nase der Jury besser gefällt als deine. Da kann man nichts machen.“ Ich nickte nachdenklich.
„Was wirst du machen?“, fragte ich. „Willst du Elisabeth noch lange spielen?“ Jan senkte den Blick. „Ich weiß nicht genau“, murmelte er. „Es ist ja schon so lange hier, vielleicht wird es irgendwann abgesetzt. Dann suche ich was anderes.“ „Ja, vielleicht“, stimmte ich zögernd zu. Das war alles, was ich zu diesem Thema sagen durfte.
Ich traf Jans Blick – und wusste, dass er es wusste. Er sah mich an und wusste, dass ich es auch wusste. Und dann mussten wir beide lachen. „Geheime Quellen“, murmelte er. „Wir sollten es noch nicht weitererzählen“, gab ich leise zurück. Er schüttelte den Kopf. „Sei nicht böse, aber – ich hätte es dir nicht gesagt.“ „Ich dir auch nicht.“ Wir lächelten im besten Einvernehmen, als Yvonne wieder zurück an den Tisch kam.
„Hi, Lia, ich hab dich ja noch gar nicht gesehen“, strahlte sie und umarmte mich, als wären wir alte Freundinnen. „Tolle Party, oder? Und Diana ist ja so nett. Stell dir vor, ich hab sie heute als Elisabeth gesehen… Aber ich könnte mich beim besten Willen nicht zwischen euch entscheiden. Ihr habt beide so eine tolle, ganz eigene Ausstrahlung. Ich könnte mir das noch hundertmal ansehen“, schwärmte sie und gab Jan ein Küsschen auf die Wange. „Und, was habt ihr so geredet?“, fragte sie lächelnd.
„Ach, so alles Mögliche“, gab Jan unverbindlich zur Antwort. „Berufliches, hauptsächlich“, ergänzte ich und erwiderte ihr Lächeln. Zwar wollte ich immer noch nicht recht mit ihr warm werden, aber ich nahm mir vor, es zumindest zu versuchen. Sie konnte ja nichts für meine Vorurteile gegen künstliche Blondinen. Trotzdem war mir ihre ansteckende Fröhlichkeit plötzlich zu viel, ohne dass ich hätte sagen können, warum.
Freundlich, aber recht kurz verabschiedete ich mich von den beiden und suchte Diana, um ihr für die Ablenkung zu danken und mich zu verabschieden.
Zu Hause angekommen schminkte ich mich schnell ab, putzte meine Zähne und fiel ins Bett. Von einem Moment auf den anderen hatte die Feier mich müde gemacht.
Mein letzter Gedanke, bevor ich in einen traumlosen Schlaf fiel, war, dass ich meinen Wecker nicht gestellt hatte.