Das Korn war golden und der Himmel klar...

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Rascal
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Das Korn war golden und der Himmel klar...

Beitragvon Rascal » 04.05.2011, 00:54:41

Kleiner One Shot zur ersten Strophe aus "Die Unstillbare Gier".
Alles so, wie ich mir das ungefähr vorstgestellt habe.


Mein Kleid war besudelt mit Schlamm und mit dem Blut des Schweines, das wir zuvor geschlachtet und ausgenommen hatten, um es fürdie Gäste pünktlich servieren zu können. Der Saum war völlig aufgescheuert, an manchen Stellen beinahe aufgelöst.
Doch trotz meines Aufzuges, meiner krausen braunen Locken und dem Schweiß, der mir in dicken Tropfen die Stirn hinunter ran, beeilte ich mich, die vollen Eimer vom Dorfbrunnen nach Hause zu tragen.
Vater hatte mir gesagt, die Gäste seien gierig und Wein und Bier rar, also musste ich mich sputen.
Es war bereits nachts…
Ich blieb stehen, um mir den sternenklaren Himmel anzusehen… der Mond beschien das kleine Dorf, in dem der Brunnen stand, mit einem geradezu magischen Schimmer. In diesem Moment herrschte Totenstille, nicht einmal der Wind rauschte durch die
Blätter. Im Sommerhimmel konnte ich mich ewig verlieren. Die Nackenhaare stellten sich mir auf, als ich mir vorstellte, wie schön dieser klare Nachthimmel wohl zu zweit zu betrachten wäre. Meine Illusion zeigte mir einen stattlichen jungen Mann und mich, sein Weib, wie wir gemeinsam im Gras liegen und über das Leben philosophieren. Wie unwahrscheinlich es doch schien, dass solch ein stattlicher Mann mich an seiner Seite hat! Er hält mich im Arm, das sehe ich ganz deutlich vor mir…
Leise kicherte ich und schüttelte den Kopf. Nein, was für ein Kleinmädchen-Traum das doch war! Auch wenn ich mit meinen
siebzehn Jahren längst reif für eine Heirat wäre, müsste mein Vater erst seinen Segen geben. Und einen Sinn für Schönlinge hat er nun wirklich nicht, mein Vater. Für ihn musste ein Mann kräftig sein und etwas in Kopf haben, aber Schönheit war ihm gänzlich fremd. Auch wenn er immer wieder beteuerte, wie wunderbar doch meine Mutter ausgesehen hatte. Kurz blinzelte ich noch einmal in die Sterne und warf ihm einen Kuss zu, denn ich wusste, dass Mutter ihn auffangen würde. Ich griff mir wieder die Eimer und ging weiter, den gewundenen Weg in Richtung Wald folgend. Unser kleiner Hof lag abseits des Dorfes, am Waldrand.
Es war eine schlimme Plackerei, diesen Fußmarsch immer wieder zu wandern. Dies war schon das vierte Mal diesen Abend, dass ich losgelaufen war. Kurz vor dem Ziel, als ich schon das Licht hinter den Fenstern, aber noch nicht
das Haus sehen konnte, hörte ich eine Stimme.
„Sei bereit…“
Hastig stellte ich die Eimer ab. War das alles nur Einbildung? Oder hörte ich wirklich eine Stimme, die mich rief.
„Sei bereit, Sternkind!“
Was war das? Ein Rascheln des Windes trotz Windstille? Ein Eichhörnchen in Aufruhr?
„Sei bereit…“
Diesmal hörte ich die Stimme lauter. Es war eine tiefe, grollende Stimme, wenn auch nicht minder sanft.
Von meinen Lippen drangen die Worte wie von selbst:
„Ich hör eine Stimme, die mich ruft…“
Das Dunkel kam mir enger vor, das warme Licht schien in die Ferne zu rücken. Und als ich mich schon wieder beugte, um das Wasser wieder zu tragen, näherte sich die Stimme aus dem Nichts.
„Sei bereit, Sternkind…“
Erschrocken drehte ich mich um und sprach:
„Ich kann eine Stimme hören!“
Stille.
Sekunden vergingen ohne jedes Geräusch, als ich plötzlich spürte, dass hinter mir jemand stand.
Langsam, bedächtig, wandte ich meinen Kopf zur Seite, um einen Blick zu erhaschen.
Eine große, dunkel gekleidete Gestalt.
„Sei bereit…“ flüsterte sie liebevoll.
Obwohl dieses Wesen dem Mond den Rücken kehrte, erkannte ich ein Lächeln. Aus der Dunkelheit erkannte ich nur das Lächeln… und diese Augen. Sie waren leuchtend, vielleicht Purpur oder Weinfarben. Als ich meinen ganzen Körper zu ihm drehte, versteinerten meine Bewegungen. Die Hand des großen Wesens bewegte sich auf mein Gesicht zu.
Meine Beine wollten einfach nur die Eimer nehmen und rennen, dieser Gestalt der Finsternis entkommen, doch sie blieben in ihrer Absicht allein. Mein Herz verdammte mich zu Bleiben. Oder war es meine Angst?
„Wer…seid Ihr?“ Die Hand streichelte meine Wange. Langsam, genüsslich.
„Shhht….“ hörte ich. Die Berührungen waren eisig und doch spürte ich, wie ein Feuer entfachte, irgendwo zwischen uns.
„Ich will, dass du dich in mir verlierst…“ Meine Augen flackerten. Verlieren?
Seine Hand strich mir über das Haar und den Rücken. „Komm mit mir.“
„Wohin?“ fragte ich, doch ich fand mich bereits in den Armen des Wesens wieder.
„Wohin führt Ihr mich?“
Keine Antwort.
Stumm drückte er mich vorwärts, immer tiefer in den Wald.
„Du wirst sehen. Was du erträumst, wird Wahrheit sein.“

Wir liefen, und unsere Füße trugen uns weiter, als ich je gekommen war. Es fühlte sich an wie ein Tagesmarsch, doch die Nacht wich nie dem Tag. Irgendwann blieben wir stehen. „Schau mich an, Sternkind…“ flüsterte er und ich gehorchte.
Er nahm meine Hand und zog mich hinab in das Gras, und legte sich gleich neben mich. Es war, als wiederholte sich meine Illusion, mein Traum. Ich starrte ihn an.
Dieses Wesen, dieser…Mann war fahl vom Mondlicht. Oder aus Natur? Seine blassen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, aus seinen leuchtendenAugen sprach ein Verlangen, eine Sehnsucht, die ich nicht verstand. Als er sich mir näherte, drehte ich scheu meinen Kopf zur Seite und flüsterte: „Ihr seid wirklich seltsam…“
Das Gras unter und neben mir wehte unter einer leichten Brise.
„Ich will deinen Hunger nach Liebe stillen, dein Feuer entfachen…“
Wie ein vertrauter Mensch nahm er meine Hand in seine und in meinem Körper breitete sich eine bisher ungewohnte Ruhe aus.
„Schau mich an!“ „Ich wage es nicht…“
„Dann schließ die Augen.“
Sacht schloss ich sie und wartete ab. Eine ganze Weile passierte nichts, ich hörte nur meinen Herzschlag und seinen Atem.
Dann wurde er langsam immer lauter, immer näher, immer heißer. Und schließlich, lange Zeit nach seiner Aufforderung, berührte er mit seinen Lippen die meinen. Ein Hauch, eine flüchtige Geste. Ich verstand nicht, was in jenem Moment mit mir geschah.
Seine Berührungen entfachten alle Sinne in mir neu, sein Atem auf meiner Haut gab mir Leichtigkeit. Ich blickte ihn an und lächelte, doch ich bemerkte, wie sein Wohlwollen schwand. Wie ein Verrückter atmete er schneller, verlor beinahe die Besinnung.
„Was geschieht?“ rief ich und wollte seinen Armen entkommen, doch sie hielten mich
nahezu verkrampft fest. Nur seine Hände bewegten sich, und beseitigten die Haare
von meinem Hals. Das Wesen fletschte seine Zähne und riss seine Augen auf, völlig ohne Ahnung, was mich erwartet schaute ich es an.Der letzte Blick, bevor ich starb, galt den Sternen.
Mutter hatte meinen Kuss aufgefangen.
Zuletzt geändert von Rascal am 24.06.2011, 02:22:38, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Das Korn war golden und der Himmel klar...

Beitragvon Traumtaenzerin » 07.05.2011, 19:37:02

Geil (sry) geschrieben! Ich hatte beim Lesen echt Gänsehaut!
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Re: Das Korn war golden und der Himmel klar...

Beitragvon Rascal » 07.05.2011, 19:39:37

Öhmm...dankeschön :mrgreen:
Überleg schon, ob ich die zweite Strophe auch umsetzen soll
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Re: Das Korn war golden und der Himmel klar...

Beitragvon Traumtaenzerin » 07.05.2011, 19:47:04

Du meinst, dass 'das Wesen' sich ganz romantisch mit Napoleon ins Gras sinken lässt und ihn sanft küsst? Find ich gut! :mrgreen: :mrgreen:
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Re: Das Korn war golden und der Himmel klar...

Beitragvon Rascal » 07.05.2011, 19:49:03

:lachtot:
Nein, ich meinte eher die Pastorentochter :mrgreen:
Ich mag Napoleon nicht :mrgreen:
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Re: Das Korn war golden und der Himmel klar...

Beitragvon Traumtaenzerin » 07.05.2011, 19:51:30

ach die ist doch langweilig... obwohl... das mit dem 'mit ihrem herzblut schrieb ich ein gedicht...'... kommt das in der ersten oder zweiten? ich bin mir gerade nicht sicher^^
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Re: Das Korn war golden und der Himmel klar...

Beitragvon Rascal » 07.05.2011, 19:52:08

Das kommt in der zweiten, direkt vor Napoleon :mrgreen:
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Re: Das Korn war golden und der Himmel klar...

Beitragvon Traumtaenzerin » 07.05.2011, 19:53:47

na dann Zack zack! Jetzt will ich aber wissen wie du Herzblut und Napoleon, bzw Page von Napoleon inszenierst :P
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Re: Das Korn war golden und der Himmel klar...

Beitragvon Rascal » 07.05.2011, 19:55:47

ich kann sowas nur nachts schreiben. Musst du also morgen lesen :mrgreen:
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Re: Das Korn war golden und der Himmel klar...

Beitragvon Traumtaenzerin » 07.05.2011, 19:56:40

Wie sollte man sowas auch bei Tageslicht schreiben...
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Re: Das Korn war golden und der Himmel klar...

Beitragvon Goldbluemchen » 24.06.2011, 02:07:57

Wow echt toll geschrieben! :handgestures-thumbupright: :)

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Re: Das Korn war golden und der Himmel klar...

Beitragvon duketgg » 28.01.2014, 13:09:19

Traumtaenzerin hat geschrieben:Du meinst, dass 'das Wesen' sich ganz romantisch mit Napoleon ins Gras sinken lässt und ihn sanft küsst?
Herbert hatte was mit Napoleon? :shock:
"Da spielen teilweise Leute Hauptrollen, die hätten bei mir nicht einmal in der dritten Reihe getanzt."
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