Ein alter Traum

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KrolocksErbe
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Ein alter Traum

Beitragvon KrolocksErbe » 19.10.2009, 01:23:58

falls sich jemand dafür interessiert, ein oneshot der nach monaten heute fertig gestellt wurde. viel spaß und über den ein oder anderen kommentar würde ich mich freuen ^^



Meine Träume sind wirklicher als der Mond, als die Dünen, als alles, was um mich ist.

Sie klappte ihr Buch zu. Wieder schossen ihr unzählige Gedanken durch den Kopf, die sie unbedingt niederschreiben musste. Eine stolze Seitenanzahl hatte das Buch bereits, immerhin hatte sie es überall mit hingenommen. Egal wo sie war, ohne ihr Buch war sie nie anzutreffen.
Sorgfältig steckte sie es wieder in ihre Tasche und ließ den kleinen Kugelschreiber ebenfalls dort verschwinden. Ein Geschenk. Der Stift war kaminrot und im oberen Teil waren zwei Symbole, sowie ihre Initialen in Gold eingraviert. Ein hübsches Geschenk, wenn man bedenkt, von wem sie es bekommen hatte. Ihr Buch hatte einen schwarzen Einband mit einem blauen Bändchen, das als Lesezeichen fungierte. Sonst hätte sie nie schnell genug eine leere Seite wieder gefunden. Sie schrieb alles nieder, alles was sie bewegte, was um sie herum geschah, einzelne Gedankengänge und ihre Träume.
Ihre Träume - die waren ihr am wichtigsten. Ohne ihre Träume konnte sie nicht leben. Wie trist und langweilig die Tage gewesen wären, wenn sie nicht in das Land der Träumer entschweben konnte. Oftmals saß sie nur da und träumte vor sich hin. Meistens genügte ein Gedanke an ein Erlebnis oder eine Begegnung.

Wie diese eine Begegnung…
Nervös verschloss sie den Reißverschluss der blauen Umhängetasche und versuchte den Gedanken zu verdrängen, aber es gelang ihr nicht. Sie konnte die Worte noch heute wahrnehmen, zu klar, zu eindeutig waren sie.
Sie schüttelte den Kopf und stand auf. Irgendwann mussten diese Phantome doch einmal aufhören, sie hasste es, wenn sie sie bis in den Schlaf verfolgten. Schon wochenlang lag sie nachts stundenlang wach und konnte nicht einschlafen und wenn sie es doch konnte, wachte sie nach maximal zwei Stunden wieder auf, um die restliche Nacht nicht mehr schlafen zu können. Sie war es leid.
Mit einem langen Seufzer setzte sie sich in Bewegung. Es war ein schöner Frühlingstag. Die ersten Blumen wuchsen auf den Wiesen, die Bäume trugen wieder hellgrüne Blätter und die Sonne zeigte sich in ihrer vollen Pracht. Kaum ein Wölkchen war am Himmel, es war einfach nur ein schöner Tag.
Sie atmete tief die frische Luft ein, die ihr um die Nase wehte. Ein Spatz kreuzte ihren Weg und flog davon, als sie ihm zu nah kam. Wie scheu, diese kleinen Vögel doch waren.
Genauso so scheu, wie sie damals…
Wieder schweiften ihre Gedanken ab und führten ihr Eigenleben in ihrem Kopf. Manchmal verfluchte sie es und wollte einfach nur fünf Minuten die Ruhe genießen. Aber das war fast unmöglich.
Sie ging weiter den Weg entlang und traf auf spielende Kinder, Menschen, die mit ihrem Hund durch den Park liefen, ältere Damen, die auf einer Bank ein gutes Buch genossen und Leute, die einfach nur in der Sonne lagen.

Es ist schon merkwürdig, wenn sie so drüber nachdachte, was alles in den letzten Monaten passiert war. Aber sie hatte niemanden etwas erzählt, niemand sollte es wissen. Warum auch? Sie war noch nie ein Freund großer Worte gewesen und behielt vieles gern für sich.
Das ist auch ihm aufgefallen…
Sie schob den Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf den Weg. Ihr Blick war zum Boden gerichtet und sie bewegte sich nur langsam fort, weil sie eigentlich das schöne Wetter genießen wollte. Dennoch blitzten vor ihrem inneren Auge immer wieder diese Bilder auf, Bilder, die sie zu verdrängen versuchte, Bilder, die sie schon lange nicht mehr losließen, Bilder, die sie irgendwann kaputt machen würden. Gedankenverloren spielte sie jetzt mit einem kleinen Anhänger an ihrer Tasche. Es war ein kleines Plüschschaf, weiß und mit einem unschuldigen Blick.
So unschuldig, wie sie einst war…
Was war es denn, dass sie so besonders machte? Warum gerade sie? Warum nicht jede andere x-beliebige, die unterwegs war an diesem kalten, regnerischen Tag? Sonst fiel sie nie auf, mit ihren streng zusammengebunden Haaren, den kleinen Augen und den dünnen Lippen, die man ihrer Meinung nach nicht als Mund bezeichnen konnte. Wieder seufzte sie. Nein, sie verstand es wirklich nicht. Sie blieb stehen und sah in den Himmel. Die kleinen Wölkchen haben sie zu einer großen Wolke formiert, die langsam immer mehr einen Grauton annahm. Es würde bald regnen. Ohne weiter darüber nachzudenken ging sie weiter. Bis sie an einem ihr bekannten Haus vorbeikam. Augenblicklich blieb sie stehen und starrte es mit einem harten Blick an. Die Fassade war schon leicht rissig und die Farbe des Hauses sollte wohl gelb sein, aber es ist innerhalb der letzten Jahre so vergraut, dass es kein schöner Gelbton mehr war. Ihr Blick wanderte zu einem Fenster im zweiten Stock. Die Vorhänge waren zugezogen, obwohl es für die Höhe der Fenster nicht notwendig gewesen wäre, man konnte nicht hinein sehen. Wie sehr sie das jetzt bedauerte. Wenn jemand gesehen hätte, was darin vorging, dann wäre sie wahrscheinlich nie so oft dort gewesen.
Wie versteinert blickte sie minutenlang auf das Gebäude. Als sie aber einen Tropfen auf ihrem Haar spürte, wurde sie wieder zurück in die Realität versetzt und blickte gen Himmel. Es begann zu regnen. Welch Ironie, dass es genau an solch einem Tag das erste Mal passiert ist. Schwerfällig, als hingen an ihren Beinen Gewichte, setzte sie sich wieder in Bewegung und folgte dem Straßenverlauf bis zu einer Kreuzung. Sie wusste, dass es vorbei war, aber konnte die grässlichen Erinnerungen nicht loswerden.
In der Zeitung konnte sie lesen, was passiert war. Ein Lkw rammte einen Kleinwagen mitten auf einer Kreuzung, daneben ein Foto. An dieser Kreuzung stand sie jetzt. Man sah nichts, rein gar nichts, was auf einen Unfall hingedeutet hätte. Wenn sie es nicht gelesen hätte, hätte sie es nie erfahren. Für einen Moment blickte sie noch auf den Asphalt, als ein Auto vorbeischoss und ihren Gedankengang störte.

Sie vernahm einen stechenden Schmerz in der Bauchgegend. Einerseits versuchte sie alle Erinnerungen an ihn zu verdrängen, aber andererseits gelang es ihr nicht. Nachdem sie weiterging und wenig später ihr Zuhause erreichte, schloss sie schnell die Wohnungstür auf und ging hinein. Mittlerweile war sie völlig durchnässt, da der Regen immer stärker wurde. Sie verschwand schnell im Bad und entledigte sich der nassen Kleidung um kurz darauf in einen weichen Bademantel zu schlüpfen. Sie nahm ihre Tasche, holte ihr Buch heraus und ließ sich auf ihrer schwarzen Couch nieder. Sie schlug eine ganz bestimmte Seite auf, auf der sich ein Foto befand.
Sie hatte es eingeklebt, nachdem sie von dem Autounfall gehört hatte, der tödlich ausging. Es zeigte den Mann, der in dem Kleinwagen saß, den Mann, der sie seit Monaten in ihren Träumen verfolgte, den Mann, der ihr so viel versprach und so wenig einhielt. Im Grunde genommen wusste sie nicht, warum sie das Bild aufhob und dazu noch in ihr heiliges Buch klebte. Vielleicht war da ja mehr, aber sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass er sie vergewaltigt hatte und damit ihr Leben zerstörte…
"Tu was die Vernunft nicht erlaubt und frag nicht, ob du es morgen bereuen wirst..."

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Mary
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Re: Ein alter Traum

Beitragvon Mary » 22.10.2009, 19:05:56

Das ist die erste Geschichte, die ich von dir lese! Ich muss sage3n, dass mir diese Gedschicht total gefällt. Mir gefällt dein Stil! Außerdem ist die Geschichte total spannend geschrieben...
:2thumbs: :respekt: :ua_clap:
Jetzt ist der Wirsing aber am dampfen!


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