Tränen

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Sisi Silberträne
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Tränen

Beitragvon Sisi Silberträne » 15.07.2009, 20:20:55

Inhalt: mir war mal wieder nach ein bissi Drama *hust* die Idee schwirrt mir ehrlich gesagt schon eine Weile im Kopf herum, aber bisher habe ich sie nie aufgeschrieben.

Genre: Drama, Tragik

Rating: P12

Disclaimer: keine Namen, meeeeeins!! ^^

~~~~~~~~~~


Tränen

von Sisi


Nach und nach leert sich der kleine Saal. Die meisten Zuschauer strömen sofort zum Ausgang. Bald sind nur noch eine Hand voll Menschen im Foyer anwesend, die noch etwas trinken und sich unterhalten. In Gedanken bin ich noch mitten in dem Konzert, höre ihre warme Stimme, die immer wieder meine Seele tief berührt. Wenn sie dort oben auf der Bühne steht, strahlt sie, geht auf in ihren Liedern. Obwohl sie auch an diesem Abend einmalig gesungen hat, war etwas anders. Ich vermag nicht genau zu sagen was. Sie wirkte unkonzentriert, nicht so wie sonst. Gewiss ist den Leuten, die zum ersten Mal im Konzert waren, gar nichts aufgefallen. Mir schon. Das Gefühl verstärkt sich, als sie jäh am anderen Ende des Foyers entdecke. Sie hat sich umgezogen, trägt eine schwarze Jeans und eine erdfarbene Bluse.
„Hallo“, sage ich zu ihr, als sie an mir vorbei kommt. „Es war wie immer einmalig schön. Danke für den wunderbaren Abend.“
Sie hält inne, blickt mich irritiert an. Erst nach einem Augenblick scheint sie zu begreifen, dass ich mit ihr gesprochen habe. „Grüß dich. Freut mich, dass es dir gefallen hat“, antwortet sie mit einem leichten Lächeln. Es klingt aufgesetzt, fast mechanisch und das Leuchten ist aus ihren Augen verschwunden.
Nachdem sie sich von ihren Leuten verabschiedet hat, verlässt sie das Theater. In Gedanken versunken mache ich mich ebenfalls auf den Heimweg, nachdem ich noch kurz auf der Toilette gewesen bin. Was ist bloß los mit ihr, dass sie so abwesend wirkt? Ich beschließe auf dem Weg zur U-Bahn durch den nahen Park abzukürzen, obwohl mir dabei nicht ganz wohl ist, aber es geht schneller. Warmer Wind raschelt im Blattwerk der zu dieser Jahreszeit reich begrünten Bäume. Der Himmel ist klar, Sterne funkeln herab. Es ist eine besonders schöne Sommernacht. Ein Stück weit entfernt wirkt das Gerüst eines kleinen Kinderspielplatzes im Dunkeln wie das Gerippe einer uralten Kreatur. Verwundert bemerke ich, dass zu dieser späten Stunde jemand dort auf einer der Bänke sitzt.
Mein Weg führt mich nahe vorbei, ich bleibe stehen, als ich auf der gleichen Höhe bin. Dort ist tatsächlich jemand, eine schlanke Gestalt, die mir vertraut erscheint. Jäh erkenne ich sie, obwohl sich die Jeans und die erdige Farbe der Bluse im Dunkeln kaum erahnen lassen. Der Wind trägt ein Geräusch weiter, das mich innehalten lässt. Sie weint leise. Ich schlucke und gehe ein paar Schritte weiter, bestimmt will sie ihre Ruhe. Doch es macht mich traurig sie ganz allein, zusammen gesunken und offenbar todunglücklich dort sitzen zu sehen. Etwas Schlimmes muss passiert sein.
Ein paar Meter weit entfernt bewegt sich etwas in den Büschen, bestimmt nur ein Tier. In ihrer derzeitigen Verfassung würde sie es kaum merken, wenn sich jemand näherte, um ihr die Wertsachen zu klauen oder vielleicht Schlimmeres. Langsam nähere ich mich ihr von der Seite, damit sie mich bemerkt und nicht erschrickt.
Sie sieht auf, als ich bei ihr stehen bleibe. Ihr Make-up ist völlig verwaschen, ich reiche ihr ein Taschentuch, das sie dankbar nimmt.
„Ach du bist das“, sagt sie mit brüchiger Stimme und trocknet ihre Wangen notdürftig. „Danke dir.“
„Keine Ursache…“ Ich will sie fragen, was geschehen ist, doch ich beiße mir auf die Zunge, es geht mich ja nichts an. Weil ich sie in ihrer momentanen Verfassung auf keinen Fall hier alleine lassen möchte, lasse ich mich neben sie sinken. Lange sprechen wir nicht miteinander, gelegentlich wird sie von einem Schluchzen geschüttelt.
„Sie sind fort…“, flüstert sie tonlos in das drückende Schweigen.
Verwirrt blicke ich sie an. „Wer denn?“
„Mein Mann und mein Kind.“ Wieder schluchzt sie heiser. „Er war mit dem Kleinen am Wochenende im Tiergarten, während ich für heute ein bisschen geprobt habe. Dann wollten wir uns bei seiner Mutter treffen, aber sie sind nicht gekommen… sie sind einfach nicht gekommen…“ Sie kann die Tränen nicht mehr zurück halten. „Der Wagen ist von der Straße abgekommen…“
Ihr versagt die Stimme, aber ich kann mir auch so zusammen reimen was sie zu sagen versucht. Schockiert und ungläubig sehe ich sie an. Mir fallen angesichts dessen keine Worte ein, weshalb ich ihr behutsam die Hand auf die Schulter lege, um ihr zu signalisieren, dass sie nicht ganz alleine ist.
Sie sieht mich an, ihre Augen sind voller Schmerz. „Er wollte heute mit dem Kleinen zum Konzert kommen, aber ihre Plätze sind leer geblieben… sie werden nie wieder kommen… nie wieder… Und ich konnte meinem Mann noch nicht einmal sagen wie sehr ich ihn liebe. Wir hatten uns gestritten, weil ich üben wollte, anstatt mit in den Tiergarten zu gehen. Dabei hatte ich es versprochen. Mein Sohn wollte es so gern. Ich hatte es versprochen!“
„Er hat es bestimmt auch so gewusst… wie sehr du ihn geliebt hast. Sie beide.“ Ich weiß nicht, was ich ihr sagen kann, um sie in dieser Situation zu trösten.
„Wofür soll ich denn jetzt überhaupt noch leben? Sie waren mein Leben und nun sind sie tot. Ich wünschte ich wäre mit ihnen gestorben…“
Erschrocken schnappe ich nach Luft. „Bitte… rede doch nicht so! Sie würden wollen, dass du deinen Weg fortsetzt, auch wenn sie ihn nicht mehr mit dir gehen können, meinst du nicht? Du musst für sie weiter leben!“
Jäh schlingt sie die Arme um mich und lehnt den Kopf an meine Schulter, sie weint wieder. Beruhigend streiche ich ihr über den Rücken. Ich höre ihr Herz klopfen, es scheint ihr beinahe aus der Brust springen zu wollen. Es ist gebrochen wie eine unachtsam fallen gelassene Schneekugel aus Glas, die kleine heile Welt darin für immer zerstört. Von der starken Frau, die ich immer so bewundert habe, ist nichts mehr übrig. Doch ich zweifle nicht daran, dass diese immer noch irgendwo in ihr steckt, tief vergraben und weggesperrt, sie kann sie wieder finden, wenn sie bereit dazu ist. Wir sitzen lange Zeit auf dieser Bank, ich halte ihren schmalen zitternden Körper fest, auch als sie längst keine Tränen mehr hat. Für den Augenblick vermag ich auf sie aufzupassen, aber was wird sein, wenn sie in ihr leeres Haus zurück kehrt? Wo die Erinnerung an das wartet, was verloren ist. Ich hoffe so, dass sie noch genug Kraft in sich trägt. Dass sie leben will.
Zuletzt geändert von Sisi Silberträne am 22.10.2009, 19:36:44, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Tränen

Beitragvon Kitti » 15.07.2009, 20:47:48

Schön, dass man von dir auch etwas Neues lesen kann und dass es dramatisch ist, war mir ja irgendwie klar. :D Eine interessante und düstere Idee, die du sehr schön beschrieben hast. Besonders das Bild mit der fallenden Schneekugel gefällt mir sehr gut.
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Re: Tränen

Beitragvon Ich » 15.07.2009, 22:30:33

Eine traurige Geschichte. Aber toll geschrieben und sehr schön.

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Re: Tränen

Beitragvon Elphaba » 16.07.2009, 02:38:55

Wieder mal eine sehr schöne, bildreiche und tragische Geschichte! Ein dickes Lob! :)

Du beherrschst dein Fach aber auch wirklich meisterlich Drama-Queen! :D
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