Inhalt: ein Ficlet, wieder einmal... einfach ein paar Überlegungen, die mir öfter mal im Kopf herum gehen, in 'schöne' Worte gefasst.
Genre: Silent
Disclaimer: keine Namen, alles meins! *hrhr*
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Und was sagst du zu der Neuen?
von Sisi
Aufgeregtes Stimmengewirr schlug mir entgegen, als ich durch die Tür hindurch auf die Gasse hinaus trat. Mit dem heutigen Abend hatte ich meine zweite Woche in dieser Produktion hinter mich gebracht, obwohl ich mich vor den Vorstellungen immer noch genauso nervös fühlte, wie bei meiner Premiere. Wahrscheinlich würde das auch noch eine Weile vorhalten. Ich entdeckte meinen Partner innerhalb einer kleinen Menschentraube, er gab dem Haufen junger Mädchen, die sich lautstark schnatternd um ihn scharten, geduldig lächelnd Autogramme. Jetzt wirkte er genauso professionell wie zuvor auf der Bühne, kein Wunder, schließlich spielte er schon seit der Uraufführung vor zwei Jahren im Musical. Ich hoffte, dass es mir auch mit der Zeit gelingen würde meine Rolle so auszufüllen wie er die seine. Es war gewiss keine leichte Aufgabe, das wusste ich von Anfang an, denn ich hatte den Thron der Kaiserin von meiner Vorgängerin übernommen und musste erst noch beweisen, dass ich seiner auch gerecht werden konnte.
Drei Teenager lösten sich aus der Menge um meinen Kollegen und kamen nun auf mich zu, um sich nun auch von mir Autogramme zu holen. Ihr Enthusiasmus freute mich sehr, die begeisterten Zuschauer waren es schließlich, weshalb wir Darsteller jeden Abend dort draußen auf der Bühne standen. Wieder warf ich einen Blick in Richtung meines Partners, um den immer noch bestimmt über zehn junge Mädchen herum wuselten. Mit seinem blonden Haar und den blauen Augen war er ja auch ein rechter Frauenschwarm.
Eine andere Stimme erweckte meine Aufmerksamkeit, gerade war eine meiner Kolleginnen ins Freie getreten und wurde sofort freudig in Empfang genommen. Sie wies schon einige Jahre mehr an Lebens- und Bühnenerfahrung auf, ich bewunderte sie sehr dafür, wie souverän sie mit Dingen umging, die mein Herz zum Flattern brachten. Ihr Blick begegnete meinem, sie hatte sanfte Augen, die zu ihrer Rolle so gar nicht passen wollten. Als sie im Durcheinander den Überblick verlor und die Mädchen nachdrücklich, aber immer noch nett bremste, lächelte ich. Sie verschaffte sich allein durch ihre Ausstrahlung Respekt.
„Gute Nacht, ihr beiden“, sagte sie ein paar Minuten später an meinen Partner und mich gewandt, ehe sie gemütlich davon ging. Als sie fort war, ließ ich mich ein paar Meter weiter auf der Bank nieder, um das Treiben um meinen gutaussehenden Kollegen aus der Entfernung zu beobachten, während ich auf meine Freundin wartete, die mich abholen wollte.
Nur aus dem Augenwinkel nahm ich zwei etwa fünfzehn- oder sechzehnjährige Mädchen wahr, die lautstark schnatternd an mir vorbei gingen, nachdem sie sich von meinem Partner gelöst hatten.
„Schon wieder vorbei“ meinte die Blondhaarige bedauernd zu ihrer Begleiterin. „Warum vergeht die Zeit eigentlich immer so schnell?“
Diese zuckte mit den Schultern. „Würde mich auch interessieren. Und was sagst du zu der Neuen? Dass er gut war, darüber brauchen wir ja nicht mehr reden, oder?“
„Sie war schlecht, passt doch überhaupt nicht in die Rolle, wenn du mich fragst. Und ihre Stimme… ich hätte so gern sie wieder.“
Sofort erntete sie Zustimmung von ihrer Freundin. „Ja, ich würde gerne wissen, was die dazu bewogen hat, sowas zu nehmen. Ich glaub ich geh nur noch wegen ihm in die Vorstellung.“
Die Blonde seufzte übertrieben. „Ich bin ja gespannt, was die uns vorsetzen, wenn er geht. Viel schlimmer als das, was wir jetzt statt ihr haben, kann es auch nicht sein.“
Ich war schon am Beginn des Gesprächs dazu übergegangen interessiert die Spitzen meiner Schuhe zu beäugen. Die beiden Teenager hatten mich sicher nicht bemerkt, das sollte auch so bleiben. War ich wirklich so schlecht? Ich gab doch in jeder Vorstellung mein Bestes. Es war mir freilich aufgefallen, dass sich nachher immer alle um meinen Partner scharten, aber kaum jemand um mich, was bei meiner Vorgängerin ganz anders gewesen war. Sie hatte auch an einem Abend ihre erste Vorstellung gegeben und sich bewährt. Es war doch nicht meine Schuld, dass sie gegangen war, doch im Augenblick fühlte ich mich so.
Diese Mädchen verlangten etwas, das ich ihnen nicht geben konnte. Ihr Idol auf der Bühne zu ersetzen war weder meine Aufgabe noch mein Wunsch. Alles was ich wollte, war eine Chance meine eigenen Fähigkeiten zu beweisen.
Eine mir nur zu gut bekannte Stimme ließ mich aufsehen. Soeben war meine Freundin hinter der Hausecke hervor getreten und stand nun vor den beiden Teenagern, die große Augen machten.
„Aber das ist ja…“, entfuhr es der Blonden und sie zupfte ihre gleichermaßen überraschte Begleiterin am Ärmel. Schon schickten sie sich an ihr Idol anzusprechen, doch diese schüttelte anmutig ihren Lockenkopf.
„Tut mir leid, Mädels. Mich gibt’s an diesem Theater nicht mehr, ich bin nur hier um meine Freundin abzuholen“, sagte sie honigsüß, wobei sie in meine Richtung blickte, sie hatte mich längst entdeckt. „Um eure Frage zu beantworten, meine Empfehlung hat ‚die’ dazu bewogen sie zu nehmen.“
Die beiden Angesprochenen liefen auf einmal tiefrot an, brachten nur noch einen gestotterten Gutenachtgruß heraus. In einiger Entfernungen blieben sie stehen und wandten sich noch einmal um. Meine Freundin küsste mich überschwänglich links und rechts auf die Wange, ehe sie auch ihren ehemaligen Partner herzlich begrüßte.
Als wir uns endlich zum Gehen wandten, bemerkten wir beinahe gleichzeitig eine brünette Frau, die mit einem kaum zehnjährigen Mädchen mit geflochtenen Zöpfen am Eingang der Gasse aufgetaucht war. Das Kind sah mich für einen Moment aus großen dunklen Augen an, starrte dann zurückhaltend auf den Boden, als ich den Blick mit einem Lächeln erwiderte. Vorsichtig gab seine Mutter ihm einen Schubs in meine Richtung und dann standen wir voreinander. Schüchtern hielt es mir ein Programm hin und bat mich mit ganz leiser Stimme um ein Autogramm.
„Danke!“ hauchte die Kleine strahlend, als ich ihr das Heft mit meiner Unterschrift wieder zurück reichte. Die Begeisterung, mit der sie ihrer Mutter nun das Programm unter die Nase hielt, löste eine Welle tiefer Zufriedenheit in mir aus. Ich war stolz darauf dieses Mädchen mit meiner Leistung auf der Bühne offensichtlich sehr nachhaltig beeindruckt zu haben. Neben mir grinste meine Freundin breit, die von dem Kind gar nicht beachtet worden war, und legte mir den Arm um die Schulter.