Von Sehnsucht, Schuld und Dunkelheit

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ChristineDaae
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Von Sehnsucht, Schuld und Dunkelheit

Beitragvon ChristineDaae » 23.12.2007, 11:46:17

Ich bin zur Zeit so kreativ... :wink: Hier also noch eine Geschichte.

Inhalt: Tagebuch einer jungen Frau mit Depressionen und wie sie schließlich einen Neuanfang wagt

Genre: Drama, Romantik

Disclaimer: Alles meins. Nur Liedtexte, die manchmal vorkommen, gehören den Autoren.

Dedication: Alle, die es lesen und kommentieren :)

Author´s Note: Hier das Gegengewicht zu der eher lustigen Weihnachts-FF... Ich muss doch meinem Ruf als Drama-Queen II (nach Sisi) treu bleiben. Ich würde mich über Kommentare freuen, also bitte fleißig posten! :)



Von Sehnsucht, Schuld und Dunkelheit


1. Eintrag

20. Dezember 2007

Ich habe Angst. Schreckliche Angst. Wovor? Vor mir selbst! Vor meinem Charakter. Davor, wer ich bin. Ich musste vorhin wegen einiger Besorgungen wieder einmal zu meiner Mutter fahren und habe mich mit ihr gestritten.
Es ging darum, dass ich meinen Job verloren habe. Davon, dass ich diesen Bürojob ohnehin gehasst habe, wollte sie nichts hören. Sie sagte, ich wäre einfach für nichts gut genug, ich wäre faul und egoistisch und ich wäre nur nett zu Leuten, wenn ich etwas wollte. Und das Schlimmste daran: Ich glaube, sie hat Recht. Sie hat Recht mit jedem einzelnen Wort.
Ich bin zu faul in der Arbeit, weil sie mich nicht interessiert. Ich beschäftige mich viel zu viel mit anderen Sachen. Für die Probleme anderer war ich in letzter Zeit fast nie offen, ich war immer nur mit meinem eigenen Kram beschäftigt. Ich habe viel zu oft an mich gedacht, war unfreundlich und grob... Ich bin, psychisch gesehen, ein Monster.
Als sie das gesagt hat, bin ich ohne ein Wort gefahren. Ich konnte bald vor Tränen die Straße nicht mehr sehen. Dass meine Mutter das gesagt hat, hat mich härter getroffen, als wenn es irgendjemand anderes gesagt hätte.
Jetzt sitze ich in meinem Büro – offiziell, um meine Sachen zu packen. Inoffiziell schreibe ich Tagebuch. Und ich denke nach.
Es gibt nichts, as mich hier hält. Ich habe mir mein Leben lang nichts anderes gewünscht – wirklich von ganzen Herzen gewünscht – als von meinen Eltern geliebt zu werden. Ich dachte, das hätte ich, und ich war – bis auf einige Probleme, die man eben so hat – weitgehend glücklich.
Jetzt, wo meine Mutter mir solche Dinge ins Gesicht geworfen hat, kann ich nicht glauben, dass sie mich wirklich liebt.
Alles, was ich wollte, habe ich nie gehabt. Ich habe nichts.
Und für mich lohnt es sich nicht mehr, um ihre Liebe zu kämpfen. Ich glaube, ich könnte sie sowieso nicht gewinnen. Ich habe nichts.
Und ich will auch nichts mehr.
Nichts essen, nichts trinken.
Nicht schlafen, nicht wach sein.
Nicht lieben, nicht hassen.
Nichts.
Das Fenster ist so nah. Ich bin im 12. Stock. Es geht weit abwärts auf eine Straße. Wenn ich springe, ist alles vorbei.
Ich kann so einen Fall – oder Sprung – gar nicht überleben.
Ich bin ganz allein. Niemand sonst ist im Zimmer. Ich habe die Tür abgesperrt. Niemand würde es merken.
Soll ich einen Abschiedsbrief hinterlassen? Ja, das wäre zumindest ein netter Abschied.
Als ich nach einem Blatt Papier greife, immer noch blind vor Tränen, verletzt durch ihre Worte, bleibe ich mit einer zitternden Hand am Radio hängen. Genervt will ich es wieder abschalten, aber ein Moderator sagt gerade „Frohe Weihnachten!“
Ich lasse die Hand sinken. Richtig, in vier Tagen ist Weihnachten.
Was wäre es für ein Weihnachtsfest für meine Familie ohne mich? Nächstes Jahr wohl erholsam.
Aber dieses Jahr wären sie von Schuldgefühlen geplagt, vor allem meine Mutter. Weil sie das alles gesagt hat.
Ich spiele mit dem Gedanken, in den Brief zu schreiben, dass niemand Schuld hat. Sie hat mir nur gesagt, was ich schon wusste und nur nicht hören wollte.
Aber irgendwie weiß ich, dass ich schrieben kann, was ich will – sie würde immer sich die Schule geben. Selbst, wenn sie das alles nie gesagt hätte.
Sie ist so.
Ich lege das Papier wieder weg, suche einen Hitsender, singe mit und räume meine Sachen zusammen.
Sterben kann ich immer noch, wenn Weihnachten vorbei ist.
Aber dieses Papier, auf das ich meine Gedanken aufgeschrieben habe, behalte ich. Ich lege es in einen schlichten, schwarzen Schnellhefter und ein Deckblatt ohne Beschriftung darüber.
Es wird mein Tagebuch.
Freue dich, wenn es regnet – wenn du dich nicht freust, regnet es auch.
(Karl Valentin)


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Beitragvon Marie Antoinette » 23.12.2007, 16:20:59

Oh je, wie düster... aber wie immer schön geschrieben, Christine!

Du hast ja gerade wirklich viele Ideen - hoffentlich geht es bald weiter. :D

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Beitragvon ChristineDaae » 01.02.2008, 21:44:08

Danke dir :D Sonst keine Kommis? :( Hier jedenfalls mal ein zweiter Teil...

2. Eintrag

01. Februar 2008

Mehr als einen Monat später finde ich den Ordner zufällig wieder. So vieles ist mir durch den Kopf gegangen, sodass ich keine Zeit hatte zu schreiben und das angelegte Tagebuch erst wieder finde, als es mir beim Ausräumen meines Schreibtisches in die Hände fällt. Den Januar durfte ich noch im Büro arbeiten; jetzt musste ich meinen Platz räumen und mir ist der schlichte Schnellhefter aufgefallen. Als ich die Zeilen meines letzten Eintrags überfliege, spüre ich die Verzweiflung wieder, als wäre der Streit gestern gewesen. Ich weiß wieder, wie ich mich gefühlt habe – und ich spüre den übermächtigen Wunsch, meine momentanen Gedanken und Gefühle aufzuschreiben.
Ich suche immer noch nach Arbeit. Regelmäßig lese ich morgens den Anzeigenteil der Zeitung, aber nichts kommt für mich in Frage.
Meine Mutter sagt, ich solle weniger wählerisch sein. Vermutlich hat sie Recht, aber ich wollte immer eine Arbeit machen, die mir Spaß macht. Dieses Ziel will ich verwirklichen. Noch so einen Bürojob wie den letzten stehe ich nicht durch.

Jetzt sitze ich schon eine Viertelstunde da und überlege, was ich noch schreiben soll. Mir ging so viel durch den Kopf, ich wollte alles aufschreiben, aber jetzt, plötzlich, ist es weg. Ich weiß nichts mehr weiter.
Mein Leben ist uninteressant. Es gibt niemanden, der mich hasst und niemanden, der mich liebt. Ich bin einfach durchschnittlich.
Durchschnittlich groß und durchschnittlich aussehend. Ich bin keine überirdische Schönheit, aber auch nicht hässlich.
Sogar durchschnittliche Noten hatte ich in der Schule.
Das einzig Besondere an mir ist, dass ich mich nicht dem durchschnittlichen Verhalten anderer Leute anpasse. Ich kleide mich modisch, wenn mir die Mode gefällt – sonst nicht.
Ich passe mich der Meinung anderer an, wenn ich dasselbe denke – sonst nicht.
Und wenn nicht, gibt es viele, die mich schlecht machen wollen, weil sie denken, ich sollte ihrer Meinung sein. Aber diese Menschen sind mir egal. Es sind Leute, die kein Rückgrat haben, keine eigene Meinung vertreten und nur nachreden, was ihnen andere vorsagen.
Leider habe ich gemerkt, dass sehr viele Menschen so sind. Und ich frage mich, ob das etwas Besonderes ist – die Persönlichkeit, die ich bin.
Vielleicht hilft mir das weiter.
Wenn mir überhaupt etwas weiterhilft.

Das wäre jetzt ein schön runder Schluss gewesen – aber ich fühle mich, als würde ich einen Schulaufsatz schreiben. Diese Einträge sollten eigentlich mein Gefühlsleben widerspiegeln, sodass ich mir alles von der Seele schreiben kann, aber das tun sie nicht. Nicht so, wie ich denke.
Ich habe alles genau so aufgeschrieben, wie ich es gedacht habe, aber wenn ich es im Nachhinein noch einmal durchlese, komme ich mir vor wie eine Fremde. Ich weiß nicht, wer es ist, der das geschrieben hat.
Ich bin es nicht.
Und ich habe immer noch Angst. Aber diesmal weiß ich nicht, wovor. Es ist ein Gefühl, tief in mir verankert. Manchmal in der Nacht wache ich schreiend auf und weiß nicht, was mir solche Angst gemacht hat.
Manchmal fühle ich mich wie verfolgt, aber wenn ich mich umsehe, ist niemand da. Ich frage mich, ob ich unter Verfolgungswahn leide.
Aber das glaube ich nicht. Ich verriegele nicht meine Tür, wenn ich nach Hause komme, und ich sehe Fremde nicht argwöhnisch an.
Da sind nur dieses nagende Gefühl in meinem Inneren und das Wissen, sich vor etwas zu fürchten.
Und die Furcht verstärkt sich noch, weil ich nicht weiß, warum ich Angst habe.
Freue dich, wenn es regnet – wenn du dich nicht freust, regnet es auch.
(Karl Valentin)


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Beitragvon armandine » 01.02.2008, 23:55:54

Sehr schön, ich finde es sehr gelungen, wie du den Zwiespalt in deiner "Heldin" beschreibst. Das gefühl, etwa Besonderes zu sein und doch wieder nicht, das hast du sehr gut beschrieben.

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Beitragvon Marie Antoinette » 02.02.2008, 13:47:45

Oh, ein neuer Teil! Wieder sehr schön geworden, Christine! :) Man kann sich wieder sehr gut in die Ich-erzählerin hineinversetzen...

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Beitragvon ChristineDaae » 22.02.2008, 23:25:58

So, hier auch mal eine Fortsetzung :) Der Film, den ich heute gesehen habe, hat mich ein bisschen inspiriert... ;) Viel Spaß :)




3. Eintrag

22. Februar 2008

Ich weiß nicht, wie ich weitermachen soll. Manchmal habe ich das Gefühl, mein Leben ist ein Film und ich sehe zu. Manchmal gefällt mir nicht, was ich sehe, aber ich habe keinen Einfluss darauf, was passiert.
Das Drehbuch ist geschrieben und die Schauspieler halten sich daran. Ich bin nur die Zuschauerin.
Manchmal will ich einfach laut losschreien. Ich will allen zurufen, ich bin hier! Seht mich an! Bemerkt denn niemand, dass ich hier bin? Ich will doch nur bemerkt werden! Ist es zu viel verlangt, dass jemand mich mag?
Anscheinend ist es das. Ich habe oft das Gefühl, dass ich von allen verlassen bin; dass es keinen Menschen gibt, der mich noch wahrnimmt als das, was ich bin. Und ich glaube ich weiß auch, woran das liegt – ich habe selbst keine Ahnung, wer ich bin. Und wenn ich das nicht weiß, wie sollen es dann andere wissen?
Aber ich wünsche mir nichts mehr als jemanden, der mir das sagen kann. Jemand, der mir nicht nur Vorwürfe macht wie alle anderen. Jemand, der mich einfach in den Arm nimmt und tröstet, wenn alle anderen mich hassen.
Aber so jemanden wird es nie geben. Warum sollte jemand mich so sehr wollen, dass er mich in den Arm nimmt und mir schöne Geschichten vorlügt? Ich weiß, dass ich das nicht verdient habe.
Jetzt gerade, während ich das schreibe, sitze ich an meinem Schreibtisch und sehe vor mir das Fenster. Ich habe die Fensterflügel weit geöffnet, damit die kühle Frühlingsluft hereinkommen kann. Es ist schon spät und draußen ist es dunkel. Ich atme tief die kühle Nachtluft ein.
Der Film, den ich heute gesehen habe, stimmt mich nachdenklich.
Stadt der Engel.
Der Film, so traurig er ist, gibt mir eine Hoffnung: Vielleicht gibt es etwas überirdisches, jemanden dort oben oder wo auch immer, der unser Schicksal lenkt. Das Schicksal aller Menschen.
Jemand, der mich nicht allein lässt.
Ich überlege, ob es Engel wohl gibt. Ich bezweifle, dass sie in der gleichen Form existieren wie in diesem Film, aber ich glaube, ich habe einen Schutzengel. Eigentlich muss ich einen haben – ohne einen Engel wäre ich nicht mehr am Leben.
Ich kann die Tage nicht mehr zählen, an denen ich erwogen habe, einfach alles zu beenden.
Wie oft habe ich mir vorgestellt, wie es wohl wäre, nichts mehr zu fühlen? Darüber nachgedacht, was wohl danach käme?
Ich weiß es nicht mehr.
Aber ich wünsche mir so sehr, dass es so etwas wie Schutzengel gibt – vielleicht, weil Engel, wenn es sie denn gibt, einen sicher nie im Stich lassen. Sie sind unvergleichlich zuverlässiger und treuer als Menschen.
So etwas wünsche ich mir.
Keinen Engel, der sich in mich verliebt – ich brauche keine tragische Hollywood-Liebesgeschichte. Ich brauche Hilfe.
Ich habe selten gebetet. Alles, an das ich mich in Sachen Gebet erinnern kann, sind Stoßgebete in der Schule – Gott, lass ihn heute keinen Test schreiben! – Lieber Gott, bitte mach, dass die mich heute nicht an die Tafel holt! Heiliger Geist und Mutter Gottes, lasst mich das verdammte Abi bestehen!
Aber ich habe nie ernsthaft gebetet.
Das will ich jetzt nachholen. Ich habe Sorge, dass ich nicht gehört werde – ich bin mir schließlich nicht einmal sicher, dass es Gott gibt, und jetzt komme ich an und will Hilfe.
Wäre ich Gott, würde ich jemandem wie mir keine Hilfe gewähren. Aber in der Bibel heißt es – glaube ich – dass Gott gnädig jedem verzeiht.
Das will ich jetzt versuchen.
Wie soll ich das sagen, was ich will?
Lieber Gott, hilf mir, jemanden zu finden, der mir aus meiner jetzigen Situation hilft?
Ich hoffe, dass das genügt. Ich hoffe es wirklich.
Freue dich, wenn es regnet – wenn du dich nicht freust, regnet es auch.
(Karl Valentin)


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Beitragvon ChristineDaae » 29.02.2008, 21:03:47

Keine Kommis? :(
Freue dich, wenn es regnet – wenn du dich nicht freust, regnet es auch.
(Karl Valentin)


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