@Christine und Sisi: Danke, ihr zwei! Wie kommt ihr denn eigentlich auf
die Idee?
@armandine: Danke auch dir! Das mit den Gräbern hab ich natürlich nicht gewusst...

aber wenn ich die Geschichte mal überarbeite, werd ich das natürlich ändern. Freut mich, dass es dir ansonsten gefallen hat.
Und schon gehts weiter.
Dieses Mal kommt am Anfang wieder mein Lieblingslied vor... aber
die Version ist auf meinen eigenen Mist gewachsen, die ist mir während einiger Autofahrten zur Arbeit und gleichzeitigem Überlegen einfach so eingefallen...
-----------------------------------------------------------------------------------
-----------------------------------------------------------------------------------
14, Teil 2:
„Wo ist der Sommer?“ 2
Zurück im Kardinalspalast ging Richelieu zurück in sein Arbeitszimmer und Milady machte sich auf den Weg in den Westflügel. Sie fühlte immer noch eine abgrundtiefe Verzweiflung und Traurigkeit. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, einen Blick in dieAkte zu werfen. Andererseits hatte sie jetzt endlich Gewissheit… und irgendwann würde sie auch wieder darüber hinwegkommen…
So in ihre Gedanken versunken achtete sie nicht darauf, wo sie hinging. Sie lief wie eine Schlafwandlerin einen Treppenaufgang hinauf und immer weiter nach oben – bis sie auf einmal bemerkte, dass sie den Zugang zum Dach erreicht hatte. Darum waren auf einmal keine „Rotjäckchen“ mehr dagewesen – denn wer lief schon in Richtung Dach?
Milady jedenfalls machte nicht wieder kehrt und ging die Treppe nicht wieder herunter. Sie probierte, ob die Tür abgeschlossen war. Dies war zu ihrer Verwunderung nicht der Fall, also ging sie nach draußen.
Wie hoch das war… was für eine Aussicht.. aber natürlich nicht zu vergleichen mit der Aussicht, die sie damals vom Turm der Kathedrale gehabt hatte. Nur ein paar Tage war das her. Das Lied, das ihr an jenem Tag durch den Kopf gegangen war, fiel ihr wieder ein.
„Will mir alles trostlos scheinen, scheint das Leben aussichtslos zu sein – dann wünschte ich, ich könnte jederzeit zurückkehren
Ich bin alleine, hier hoch über der Welt, habe die Angst und den Schmerz überwunden…
Denn das große Paris ist ganz klein
und fern ist was mir nicht gefällt – alleine, hier über der Welt…“
Nein, dachte Milady, den Schmerz hatte sie noch nicht überwunden. Den der Ereignisse der Vergangenheit vielleicht etwas, aber der war nur einem anderen Schmerz gewichen, dem über den Verlust ihrer Großeltern.
Wie einfach wäre es, einfach alles hinter sich zu lassen… Nur ein paar Schritte weiter…
Ihr fiel wieder das Lied ein, das sie von Athos gelernt hatte. „Wo ist der Sommer“. Und weil sie dieses Mal ganz bestimmt alleine war, begann sie ihre abgeänderte Version zu singen, nur für sich… in ihre Erinnerungen versunken…
„All mein glückliches Leben riss eine Lüge brutal nieder
Nur das eine ist wahr:
Ich hab gehofft, ich komme eines Tages wieder.
dann wird alles gut… er nimmt alles zurück…
Wo ist der Sommer? Was wurde aus der Zeit?
Wo sind die glücklichen Tage meiner Kindheit geblieben?
Ich war einst verträumt,
die Welt war himmelweit
Ich wollte zu den Sternen schweben.“
Sie zog den schwarzroten Ring aus der Tasche, den sie über all die Jahre aufgehoben hatte. Sein Anblick zog ihre Gedanken noch stärker in die Vergangenheit…
„So unbeschwert wie ich war, begegnete ich dem Kardinal
Er hielt mich fest – und veränderte mein Leben…
Ich hör seine Worte noch heut,
und bereits nach so kurzer Zeit
sollte ich ihm alles geben…
Dann kam der Winter mit Macht,
hat Frost und Kälte gebracht.
Es erstarrte die Welt.
Das Glück in all seiner Pracht,
erfroren in dieserNacht,
an den Pranger gestellt…“
„Was sucht Ihr hier? Macht jetzt keinen Fehler, Milady, um Himmels Willen!“ bemerkte der Kardinal. Er hatte von den Wachen gehört, dass sie wie eine Schlafwandlerin die Treppen hinaufgegangen war und es für besser gehalten, die Arbeit doch noch einmal liegen zu lassen und ihr zu folgen.
Es gibt keinen Ausweg, ich entkomme ihm einfach nicht, dachte Milady. Wohin sie auch ging er war immer irgendwo…
„Was habt Ihr da in der Hand?“
Milady hielt ihm den Ring entgegen.
„Ihr habt ihn aufgehoben?“
Richelieu konnte es nicht glauben.
„Ja, damit ich das was geschehen ist nie vergesse…“ erwiderte Milady. „Und jetzt…. Verschwindet endlich! Hört auf, mir zu folgen, Eure Eminenz! Ich bin zurückgekommen, um mich endlich von Euch zu befreien, … aber es gibt wohl keinen Ausweg… nur den einen… Nur ein paar Schritte von hier bis zur Ewigkeit…
Die Wunden schlossen sich nie.
Und ich wusste nicht, wie
soll ich mit dieser Schande nur leben?!
Auch wenn der Sommer verblich,
die Erinnerung an Euch
lässt noch heut mein Herz erbeben…“
Sie sah ihn verächtlich an.
„Werden wir jemals die Lügen verwinden?
Werdet Ihr es je versteh’n?!
Ich hab so gehofft und gefleht es mag enden -
doch nichts ist gescheh’n!...
… nichts ist gescheh’n…“U
nbeirrt ging sie zwei Schritte nach vorn, aber bevor sie noch näher an die Dachkante herangehen konnte, packte er ihren Arm und zog sie zurück. Einmal hatte er das nicht verhindern können… aber dieses Mal war er schnell genug gewesen. Milady fuhr für sich mit dem Lied fort, während sie zu Boden starrte:
„Kehrt je der Sommer zurück?
Kann mir niemand das Glück,
das ich einmal hatte, wiedergeben?“
Dann sah sie auf. Es gab nur eine Möglichkeit, was sie tun konnte. Sie musste einfach wieder die ganzen Erinnerungen und ihre Traurigkeit verdrängen, denn in der Verfassung in der sie sich gerade befand, war sie Richelieu bestimmt keine große Hilfe bei der Verwirklichung seiner Pläne… Sie musste wieder zu ihrer Selbstsicherheit zurückfinden.
„Halt mich noch einmal und spür
die Kraft der Sonne mit mir.
Wann werde ich von dem Schatten der Vergangenheit endlich ganz befreit?!
Sagt es mir… sagt es mir…“
---------------------------------------------------------------------------
Im gleichen Augenblick kam jemand ebenfalls auf das Dach gestürzt, genau in der Sekunde, als der Kardinal wieder auf Milady zugehen wollte, um sie wie schon in den Arm zu nehmen.
Es war natürlich wieder einmal niemand anderes als Rochefort und es sah ganz danach aus, als wäre er die Treppe zum Dach hinaufgerannt.
„Eure Eminenz…“
- „Was gibt es denn, Rochefort?“ fragte Richelieu gelassen, aber in Wirklichkeit wäre er dem Hauptmann der Wachen am liebsten an den Kragen gegangen. Warum musste der eigentlich in letzter Zeit dauernd zu allen unpassenden Gelegenheiten auftauchen…
„Es ist etwas schreckliches passiert“, erwiderte der Hauptmann mit unbewegter Miene.
- „Ach, wohl mal wieder ein Duell zwischen Wachen und Musketieren? Das ist doch nichts schlimmes…“ vermutete der Kardinal.
Etwas „schrecklicheres“ als diese unsinnigen Duelle gab es nämlich für den Anführer der Leibgarde nicht.
„Nein, dieses Mal nicht, Eure Eminenz“, gab Rochefort zurück. „Es geht um Eure Nichte, sie war vorhin in Eurem Arbeitszimmer und schien etwas gesucht zu haben und als ich sie ertappt habe, ist sie davongelaufen und hat sich in ihrem Zimmer eingeschlossen. Ich wollte die Tür aufbrechen, aber sie wurde irgendwie verbarrikadiert…“
„Habt Ihr denn auch gesehen, was sie gesucht oder gefunden hat?“ wollte der Kardinal wissen.
„Das fragt Ihr noch?“ ging Milady dazwischen. Sie glaubte zu wissen, was mit Nadine los war und deshalb versuchte sie jetzt ihre eigenen Sorgen schnell wieder zu verdrängen. Sie würde ja doch wieder früher oder später mit Nachdenken über die Vergangenheit und Zukunft anfangen, aber jetzt war dafür kein Platz.
„Es gibt doch eigentlich nur eine interessante Sache für jemanden in Nadines Lage. Das Schlafmittel. Und deshalb sollten wir nicht hier herumstehen, sondern etwas unternehmen. Überlasst mir die Sache, Eure Eminenz.“
„Was fällt Euch ein...“ empörte sich Rochefort. Dann fiel ihm etwas anderes ein. „Wisst Ihr eigentlich, dass ich diese … Frau heute vormittag im Archiv ertappt habe, Eure Eminenz? Da darf sich doch keiner aufhalten…“
„Ich weiß schon, dass sie dort gewesen ist“, versetzte Richelieu. „Und ihre gerechte Strafe dafür wird sie schon noch bekommen…“ Bei diesen Worten sah er in Miladys Richtung.
Wieder zurück von freundlich und besorgter Eminenz zum Teufel in Menschengestalt, dachte sie sofort, verzichtete jedoch darauf, etwas zu sagen.
Jetzt war erst einmal etwas anderes wichtiger.
„Entschuldigt mich einen Moment, Eure Eminenz.“
Milady wartete eine Antwort gar nicht mehr ab, sondern ließ die beiden Männer einfach stehen und ging davon, genauer gesagt rannte sie fast die Treppen hinunter und lief zu dem Sektor des Kardinalspalastes, in dem Nadine wohnte.
Ein paar Wachen standen ratlos herum, die offensichtlich auch nicht wussten, was sie tun sollten.
„Tretet zur Seite. Ich versuche, mit ihr zu reden“, forderte Milady die Wachen auf. Es waren zu ihrer Erleichterung auch genau die Wachen darunter, die morgens noch vor dem Arbeitszimmer des Kardinals gestanden waren. Die, die sofort getan hatten, was sie gesagt hatte.
„Wie Ihr befehlt, Milady de Winter“, erwiderte der eine und der zweite salutierte sogar.
Die beiden Wachen nickten ihren Kollegen zu und räumten das Feld.
„Nadine?“
Milady klopfte vorsichtig an die Tür. „Ich bin es, Milady de Winter. Tut nichts unüberlegtes.“
Erst antwortete ihr niemand, dann antwortete Nadine von der anderen Seite der Tür:
„Das wäre aber einfach… nur etwas zu viel davon, und ich habe endlich meine Ruhe. Vorher gibt’s kein Entkommen für mich…“
Ich habe vergessen, den Kardinal auf die Sache anzusprechen… ich bin sogar mit ihm weggegangen… ich habe nur an mich selbst gedacht… das was hier passiert, ist meine Schuld, fiel Milady aus allen Wolken. Jetzt musste sie auch die Situation irgendwie wieder entschärfen.
„Doch, natürlich gibt es ein Entkommen. Er muss es endlich verstehen…“
- „Was denn?“
fragte Richelieu.
Er hatte sich ebenfalls beeilt.
„Dass das ganze entschieden zu weit geht!“ rief Milady. Rochefort setzte an, wieder Einspruch zu erheben, aber der Kardinal sah ihn beschwichtigend an und bemerkte „Lasst sie ruhig weiterreden.“
„Nadine ist doch nicht das Spielzeug der Wachen, sondern ein menschliches Wesen wie ich, mit einem eigenen Willen und Gefühlen“, fuhr sie fort. „Es hat heute wohl schon wieder einen Vorfall gegeben… Und wenn sie Euch doch nicht mit Euren Plänen weiterhelfen kann, frage ich mich doch, warum sie hier ist… Lasst sie nach Hause zurückkehren, Eure Eminenz. Es wiederholt sich doch ohnehin alles. Isabelle Lacroix hat nach ihrer Gefangenschaft in der Kathedrale Selbstmord begangen, Madeleine hat sich wegen Eurem Verrat umgebracht, und … ich selbst war vorhin auch nahe dran…“
„Ihr auch?“
fragte eine erstaunte Stimme von der anderen Seite der Tür aus.
„Ja… mich haben die Erinnerungen an früher überrannt, ich habe für einen Moment auch gedacht, keinen Ausweg zu sehen und dass ich nur entkomme, wenn ich mich vom Dach stürze… Aber ich werde stark sein und weiterkämpfen.“ erklärte Milady.
„Du hast es gehört, Nadine. Milady de Winter gibt nicht so einfach auf.“ bemerkte der Kardinal.
„Aber ich bin nicht sie… ich schaff das nicht…“ erwiderte Nadine und begann zu weinen.
- „Nun seid doch einmal vernünftig, Eure Eminenz“, bemerkte Milady vollkommen unbeirrt davon, dass Rochefort ebenfalls dabeistand und schon wieder so finster dreinschaute. „Lasst sie zurückgehen.“ forderte sie erneut. Und nach einer kurzen Unterbrechung fügte sie noch hinzu:
„Ich bin doch noch da…“
Wenn er das jetzt bloß nicht falsch versteht, überlegte sie im nächsten Moment. War das jetzt schlau gewesen, so etwas zu sagen? Wahrscheinlich eher nicht. Aber rückgängig machen konnte sie es auch nicht.
„Und das ist das wichtigste“, erwiderte Richelieu zur Verwunderung aller. „Deshalb gebe ich mich geschlagen, Nadine. Ich bin mal wieder zu weit gegangen. Schließ die Tür auf und sobald du deine Sachen gepackt hast, kannst du zurückfahren.“
„Wirklich?“
fragte Nadine von der anderen Seite der Tür.
„Ja, versprochen. Und dann sagst du mir, welche Wachen es gewesen sind, und die werden ihre gerechte Strafe bekommen…“
„Alle?“
Nadine klang so, als würde sie ihm nicht glauben.
Er wird Rochefort nicht bestrafen. Er wird niemals glauben, dass Rochefort an dem ganzen beteiligt gewesen ist… aber ich werde es ihm trotzdem sagen… er und dieser de Chagny sind ja die einzigen, deren Namen ich kenne…
„Wenn ich es dir doch sage.“ bestätigte der Kardinal. „Egal wer es gewesen ist. Es ist wirklich egal. Jeder wird dafür bestraft was er getan hat. Ob er jetzt Rochefort heißt oder sonst irgendwie.“
- „Entschuldigt mich bitte, ich habe noch etwas zu erledigen“, murmelte Rochefort und ging.
„Na das war ja klar, dass der sein Heil erstmal in der Flucht sucht“, bemerkte Milady eher zu sich selbst.
Eine Weile herrschte wieder Stille auf dem Gang, dann wurde die Tür aufgeschlossen und Nadine kam heraus, das Gesicht tränenüberströmt.
„Vor allem Rochefort ist es gewesen, die anderen kenne ich nicht… aber er hat es zu verantworten…“ erklärte sie.
„Und deswegen wird er bestraft, egal ob er Anführer der Wachen ist.“ ließ sich der Kardinal nicht beirren. Milady und Nadine glaubten beide, nicht richtig zu hören. „Ich werde ihn unter Arrest setzen. Und bis er wieder aus der Zelle herauskommt, bist du schon wieder zu Hause.“
- „Vielen Dank… Eure Eminenz“, erwiderte Nadine in ihrer Erleichterung förmlich. Sie schluckte ihre Tränen wieder herunter und zwang sich zu einem Lächeln. Das war zu schön um wahr zu sein.
„Eigentlich brauchst du dich nicht bei mir zu bedanken, sondern bei Milady de Winter.“
winkte Richelieu ab.
„Danke, Milady de Winter“, sagte Nadine auch schon im nächsten Moment.
- „Ich hatte das gerade zu verantworten und ich habe es wieder gut gemacht. Vielleicht wird doch wieder alles gut.“ bemerkte Milady. „Ihr werdet es schon schaffen, ich drücke Euch die Daumen. Ihr seid stärker, als Ihr es hier im Kardinalspalast denkt zu sein…“
„Ja“, stimmte Nadine ihr zu, „da habt Ihr wohl Recht.“