Spamalot Bochum, 28.12.2015

Wie gefiel euch eine Vorstellung und was würdet ihr kritisieren?

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serena
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Spamalot Bochum, 28.12.2015

Beitragvon serena » 29.12.2015, 21:31:18

Spamalot – Schauspielhaus Bochum
Montag, 28.12.2015, 19.30 Uhr

Das Bühnenbild zu Beginn besteht aus einer gemalten Landkarte Englands, die allerdings auf der Seite liegt. Bei den Versuchen, die Schriften darauf zu entziffern, trainiert man unweigerlich die Flexibilität der Halsmuskeln. Eingerahmt wird die Bühne oben noch von Wolken, auf denen an den Seiten Engel ihre Tröte blasen – mit dem Hinterteil.

Die Vorstellung beginnt recht skurril, weil ein Fernseher mitten auf der Bühne (mit dem Bildschirm zur Bühne zeigend) angeblich „Monty Python´s Flying Circus“ zeigt. Der Historiker daneben zieht sich einen Schuh und den Socken aus, tritt auf den Fernseher, würgt damit das Programm ab und die Ouvertüre setzt ein. Naja.

Das Musical selber besteht aus ja Massen von Klamauk, Situationskomik, Ebenenwechsel zwischen Bühnenstück, Geschichte und einer Mischung aus beidem sowie Geschehen vor und hinter der Bühne, Ironien, Anspielungen... und natürlich einer Menge Lokalkolorit.
Klar ist, dass die Ritter vom Ni als zweite Aufgabe ein Musical in Bochum erwarten. Herbert erwartet auch hier seinen Retter und stellt fest, er sei nicht G.E.K.U.P.P.E.L.T. (was dann doch recht wenige Leute im ausverkauften Haus verstanden), Sir Robin findet statt des heiligen Grals den heiligen Schal (vom Vfl Bochum natürlich), um nur einige Gags zu verraten.

Der Dirigent wird auch gerne ins Geschehen eingebunden. Sir Galahad und die Fee aus dem See versuchen ihm in „dem Lied, das kommen muss“ zu erklären, dass aber auch mal Schluss ist. Als letztere im zweiten Akt ihr Frust-Solo anstimmt, darf er gut sicht- und hörbar aus einer geschmückten Kokosnuss schlürfen. Wenigstens stimmt er sie auch gnädig, indem er ihr am Endes des Lieds einen Blumenstrauß zuwirft.

Als Sir Robin dem König Artus erklärt, was ein Musical ist (und ohne vorher am Broadway gewesen zu sein keine Sau interessiert), werden 5 berühmte Musicalgestalten aus Stücken von Andrew Lloyd Webber auf die Bühne geholt: eine junge Katze, ein Hippie, eine der Abba-Damen, Mary Poppins und das Phantom. Aufgrund von Urheberschutzgründen dürfe aber kein Ausschnitt mit Gesang präsentiert werden, weswegen doch bitte das Publikum die jeweiligen Lieder anstimmen soll (was natürlich keiner tut). Die Rollen treten jeweils nach vorne und tun so, als ob sie singen – nur einer nicht. Und zum Schluss möge sich das Publikum am Ritter anreihen und mit ihm „das Licht am Ende des Tunnels suchen“. So nett die Nummer gedacht ist, irgendwie ist sie (für mich) der Schwachpunkt der Inszenierung. Die stummen Rollen nehmen irgendwie den Schwung raus. Und so nebenbei möchte ich nicht wissen, wie viele Leute nun wirklich denken, dass alle genannten Musicals von Herrn Lloyd Webber sind...

Nichts auszusetzen gibt es an den Kostümen, die durchweg klasse aussehen. Auch bei ihnen gibt es eine Kuriosität: Die Kettenhemden wurden von 50 Ehrenamtlichen Bochumern aus Paketband gestrickt!
Der Preis für die Perücke des Abends geht an Sir Galahad, der mit den langen Locken gut als Modell arbeiten könnte! Die Reaktion der Damen im Saal auf seinen ersten Auftritt „oben ohne“ Kapuze war eindeutig.
Das Bühnenbild ist mal glitzernd, mal in schlichter Maltechnik (Märchenwald) gestaltet. Teils bauen die Darsteller die Elemente selber um, was auch zu grotesken Momenten führt. So müssen einige Leichen ihren Karren selber auf die Bühne ziehen und sich dann tot drauf legen.
Die Musik klingt schmissig und „voll“ und nach mehr als „nur“ 8 Leuten. Diese dürfen die letzte Zugabe auch mit auf der Bühne spielen.

Die Darsteller sind mit großer Spielfreude dabei. Die Leute mit Musical-Erfahrung spielen im Ensemble, das entsprechend munter durch ihre zahlreichen Rollen fegt. Alle männlichen Hauptrollen sind mit Schauspielern besetzt, was man im Gesang allerdings nicht erkennt. Da sitzt jeder Ton, erklärt aber im Programmheft den Punkt „Gesangsunterricht“. Die Dame hat auf jeden Fall gute Arbeit geleistet. Einzig die Textverständlichkeit war in den ersten Reihen nicht immer gegeben. Da gingen im Gesang schon mal einige Worte unter, dadurch leider auch der eine oder andere Witz. Allerdings kam man bei der Dichte an Gags sowieso nicht immer mit.
Star des Abends war übrigens Patsy, der mit einer genialen, ausdrucksstarken Mimik begeisterte. Er schaffte es, als eigentliche Nebenfigur viel Aufmerksamkeit zu bekommen, ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Entsprechend laut war bei ihm der Jubel beim Schlussapplaus.

Also wer derben Spaß und Klamauk mag und nicht gerade den tiefsten Sinn erwartet, ist in dieser Version gut aufgehoben. Die meisten Leute im Saal waren begeistert und dankten mit viel Jubel, Applaus und Standing Ovations. Der Mann hinter mir wippte bei den Liedern begeistert mit (wie ich ständig an den Stößen gegen meinen Sitz zu spüren bekam), der Gassenhauer des Stücks überhaupt „Always look on the bright side of life“ (als einziges Lied ganz in Englisch gesungen) wurde sofort mitgeträllert! Nur die zwei Herrschaften vor mir waren nach der Pause nicht mehr zu sehen...

Die Besetzung:
König Arthus: Matthias Redlhammer
Sir Robin, Wache 1, Bruder Maynard: Michael Kamp
Sir Lancelot, Französischer Spötter, Ritterfürst von Ni, Zauberer Tim: Jan Krauter
Patsy, Wache 2: Ronny Miersch
Sir Galahad, Dennis, schwarzer Ritter, Prinz Herberts Vater: Dennis Herrmann
Sir Bedevere, Bürgermeister, Miss Galahad, Concorde: Nils Kreutinger
Fee aus dem See: Kira Primke
Historiker, Der Noch-nicht-tote-Fred, Französische Wache, Fahrender Sänger, Prinz Herbert: Daniel Stock
Die Stimme Gottes: Harald Schmidt

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