Die Schöne und das Biest, Essen, 26.12.13 nachmittags

Wie gefiel euch eine Vorstellung und was würdet ihr kritisieren?

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serena
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Die Schöne und das Biest, Essen, 26.12.13 nachmittags

Beitragvon serena » 29.12.2013, 00:04:36

Die Schöne und das Biest
Colosseum Theater Essen – Donnerstag, 26.12.2011, 15.00 Uhr

Die Produktion des Budapester Operettentheaters ist wieder auf Deutschlandtournee und dann noch in meiner Nähe. Dies ist zwar die Disney-Version bezüglich Geschichte und Lieder, aber nicht was die Ausstattung und Regie betrifft. In den Bereichen durften die Ungarn eine eigene Version entwickeln, die auf Kitsch verzichtet und mit vielen schönen Ideen aufwartet. Grund genug, das Musical mal wieder zu besuchen.

Nach der üblichen Begrüßungs- und schon recht direkt formulierten „Bilder,Videos und Handys“-Ansage beginnt das Stück mit einem Orchestervorspiel (leider verquatscht von einigen Leuten im Publikum). Anschließend liest am rechten Bühnenrand eine Dame einem Jungen die Einleitung der Geschichte vor. Währenddessen öffnet sich der Vorhang und oben im Schloss stehen die Rose und das Biest. Der Junge nähert sich der Szene, winkt die Frau heran und beide verschwinden im Schloss, während sie die letzten Worte spricht.
Am Ende verschwinden alle Darsteller hinter dem Vorhang, nur die Dame und der Junge sitzen mit dem Buch wieder rechts am Bühnenrand. In der Zwischenzeit haben wir sie als Tassilo bzw. Madame Pottine auf der Bühne gesehen. Die Darstellung, dass die zwei das Märchen selber miterleben, ist eine schöne Idee.

Die Kostüme sind für den jeweiligen Ort angepasst. Die Schlossbewohner haben detailreiche Kostüme in verschiedenen Farben und bei „Sei hier Gast“ mit entsprechendem Glanz, die Dorfbewohner tragen eher schlichte Kleidung überwiegend in Erdtönen. Dazwischen fallen die drei albernen Mädchen mit der kunterbunt zusammengewürfelten Kleidung und Belle mit den hübschen Kleidern auf.
Leider fallen die Veränderungen bei den Schloss-Bediensteten immer noch recht schlicht aus. Von Unruh hat im ersten Akt schon den Schlüssel auf dem Rücken und Babette hat später Federn an den Händen. An den anderen Kostümen scheint sich gar nichts zu verändern. Schade, denn darüber könnte man ihre hoffnungslos scheinende Situation noch deutlicher darstellen. Ich persönlich vermissen bei Babette einen Federrock oder die Staubwisch-Federn an der Hose. In ihrem rosa Höschen finde ich sie doch recht kahl.

Sehr schön anzusehen sind die Bühnenbilder. Es gibt relativ wenige Elemente, die zum Teil von den Darstellern herein gebracht werden (Häuschen des Dorfes, Tisch und Bänke im Wirtshaus). Mit passenden Hintergrundbildern und -elementen ergeben sich märchenhafte Bühnenbilder, die trotzdem nicht kitschig wirken. Die Beleuchtung unterstützt diesen Effekt bestens.
Das größte Element ist natürlich das Schloss, das aus mehreren Treppen und Nieschen auf der Drehbühne besteht. So lassen sich die unterschiedlichsten Zimmer des Schlosses gut darstellen.
Auch bei Bühnenbild und Beleuchtung findet sich die Farbkomposition der Kostüme wieder. Das Dorf ist in Naturtönen gehalten, das Schloss ist meisten sehr düster, nur im Finale farbenfroh angestrahlt. Also von der Ausstattung her ist die Produktion in sich sehr stimmig.

Die Verwandlung des Biests scheint in der besuchten Vorstellung etwas unter der Technik gelitten zu haben. Hinter dem Biest, das an 2 Leinen in die Höhe gezogen wurde, knallte, blitzte und leuchtete es gehörig, aber vor dem Biest geschah nichts derartiges. Bei meinem letzten Besuch in Köln wurde das Publikum regelrecht geblendet, damit man das Biest nicht exakt beobachten konnte. Hier war nun klar zu erkennen, wo die Leinen herliefen, wann der Umhang runter fiel und die Maske abgestreift wurde. Schade. So geht der meiste Zauber der Szene leider verloren. Immerhin wurde per Beleuchtung gut versteckt, wann die Leinen am Biest befestigt wurden. Und Hut ab vor dem Darsteller: Mir wäre bei den ganzen Drehungen um die eigene Achse vermutlich übel. Das gezielte Abstreifen des Kostüms samt Darstellen der Verwunderung über die Verwandlung würde mir dabei nicht gelingen.

Aber liebe Organisatoren: Es wäre sehr nett, wenn es eine weitere/bessere Möglichkeit gäbe, die Cast des Tages einzusehen als nur diesen einsamen Zettel am Souveniershop. Nachdem ich recht ratlos und erfolglos nach einer Besetzungsliste Aussicht hielt, wurde mir auf Nachfragen mitgeteilt, dass ich mich am Souveniershop erkunden solle. Als ich 40 Minuten vor Beginn dort stand, hatte ich das Blatt noch gar nicht sehen können. Bis kurz vor Vorstellungsbeginn konnte ich das Blatt vor Leuten, die am Einlass anstanden, nicht selber entdecken. Es wäre deutlich praktischer, die Übersicht auch im Hauptbereich des Foyers auszuhängen!

Die Besetzung:
Das Biest: Zsolt Hommonay
Als ich seinen Namen auf der Besetzungsliste las, freute ich mich. Er ist ein sehr guter Schauspieler, der alle Facetten und Entwicklungen des Biests glaubhaft verdeutlichen kann. Dazu kommt eine schöne, kräftige Stimme und eine nahezu akzentfreie Aussprache. Sein Spiel wirkt sicher aber nie routiniert. Ebenfalls kann er sehr gut mit dem deutschen Text agieren, ohne dass es aufgesagt klingt. Rundum eine klasse Leistung!

Belle: Zsófia Kisfaludy
Am Anfang fand ich ihre Stimme gewöhnungsbedürftig, da ich bisher keine so tiefe Stimme in der Rolle kannte. Aber schon im ersten Lied fand ich dies sehr angenehm, zumal sie eine schön klare Stimme mitbringt. Als recht neues Mitglied im Ensemble hat sie noch einen deutlichen ungarischen Akzent in der Aussprache, der im Laufe des Stückes aber immer weniger auffällt. Schauspielerisch bringt sie eine schöne Natürlichkeit in die Rolle. Herrlich war ihre Idee, bei der zweiten Chance zum Abendessen das „Bitte“ so zu fauchen, wie das Biest im ersten Akt. Auch bei ihr wurde die Rollenentwicklung glaubhaft deutlich. Sehr schön!

Gaston: Ottó Magócs
Er schafft das Kunststück, die Rolle schön dämlich, schmierig und eingebildet darzustellen und gleichzeitig darin noch sympathisch zu wirken. Sein Gaston ist kein typischer Anti-Charakter, den man ausbuhen möchte, da er viele Facetten der Rolle darzustellen weiß und sich nicht auf den „Dummkopf“ beschränkt. Es macht Spaß, ihn beim Scheitern bei Belle zuzusehen, um dann abzuwarten, was er sich als nächsten Versuch ausdenkt. Die Wechsel zwischen dem mal denkenden Gaston und dem sich selbst präsentierenden Macho sind so Momente, in denen er die Vielseitigkeit der Rolle zeigen kann und so das Abrutschen in reinen Klamauk verhindert. Super!

Lefou: László Sánta

Inzwischen hat er sich in der Rolle gefunden. Fand ich bei meinem letzten Besuch einige Momente noch recht aufgesetzt, so gab es nun ein rundes Rollenportrait zu sehen. Auch sprachlich war er sicherer und gut zu verstehen. Er wirkt in der Rolle nicht wie der rein dumm, sondern eher wie der Dorftrottel, der immer an der falschen Stelle steht und deshalb alles einstecken muss. Da er ständig in Bewegung ist, wirkt das Wechselspiel mit seinem Partner/Gegenspieler, dem körperlich eher steif agierenden Gaston, besonders interessant.

Lumiére: Balázs Angler
Er hat eine schwere Aufgabe: Deutsch mit französischem Akzent sprechen. Und es gelingt ihm gut! Lediglich am Anfang musste ich mich einhören, aber ab seiner zweiten Szene war alles ok. Seinem Lumiére geht manchmal sowohl wörtlich (das dürfte gerne noch öfter sein) und im übertragenen Sinne „ein Licht auf“, was er sehr agil und bewegungsfreudig auf die Bühne bringt. Er bringt stets eigene Ansichten ein und zeigt durchgehend eine eigene Persönlichkeit. Auch hält er lange mit seinem Vorsatz durch, etwas Menschlichkeit zu bewahren. Von dem verzauberten Personal wirkt er im Verhalten somit am wenigsten „gegenständlich“. Schön!

Herr von Unruh: Tamás Földes
Sein Schauspiel macht die Wechselwirkung der Rolle im Zusammenspiel mit den anderen deutlich: Einerseits nimmt ihn keiner als Hausvorsteher ernst, weil er so aufgedreht ist, andererseits ist er so unruhig, weil keiner auf ihn hört. Seine Persönlichkeit besteht als Uhr hauptsächlich aus dem Versuch, es dem Biest recht zu machen, um Ärger zu vermeiden. Er kann nervös und panisch werden ohne hibbelig zu wirken. Als Gegenspieler zu Lumiére zeigt er so wirklich das gegenteilige Verhalten. Als der Zauber gelöst ist, wird er aber mit einer bewundernswerten Ruhe wirklich zum Gentleman der „alten Schule“.

Madame Pottine: Lilla Polyák
Als vorlesende Mutter kommt ihr die schwerste Aufgabe zu: Das deutsche Publikum in den Bann ziehen und auf die Geschichte einstimmen, ohne dass die Leute wegen ihres Akzents einen Schreck bekommen. Leider klingt ihre schnelle Aussprache sehr hart und dadurch fällt der Akzent doch sehr deutlich auf. Eine etwas langsamere, melodischere Aussprache (lieber Phonetiktrainer: daran kann man noch arbeiten!) würde einiges erleichtern, zumal ihre Ausstrahlung sehr liebevoll und strahlend wirkt. Wenn sie singt, klingt sie deutlich angenehmer. Als Madame Pottine ist sie sehr fürsorglich, liebevoll und warmherzig. Also etwas mehr von ihrem Schauspiel in der Stimme und ihr Rollenportrait wäre super.

Tassilo: Tamás Kiss

Ein lieber, gut erzogener und munterer Tassilo, dem die Choreografie noch nicht ganz so sicher zu liegen scheint. Jedenfalls wirkte er bei seinen Solo-Tanzschritten in „Sei hier Gast“ recht vorsichtig und zurückhaltend. Ohne Choreografie wirkte er deutlich agiler und sicherer in seinem Spiel.

Madame de la Grande Bouche: Gabriella Ábrahám
Sie kann wunderschön unauffällig in der Ecke stehen und dann plötzlich zum Mittelpunkt werden. Ihre Operndiva wirkt nie überheblich oder aufgesetzt sondern angenehm natürlich. Sie ist einfach die verzweifelte Operndiva, die in Erinnerungen schwelgt. Und die passende Stimme bringt sie dafür auch mit. So bietet sie ein Rollenportrait, das die Rolle sehr sympathisch darstellt. Klasse!

Babette: Dóra Szabó
Sie sprach mit einem leicht französischen Akzent und war nur in den schnelleren Sprechpassagen mal etwas undeutlich in der Aussprache. Ihre Babette wirkt sehr jung, sowohl optisch als auch im Verhalten. Im Zusammenspiel mit Lumiére wirkte sie eher trotzig, fast wie ein kleines Mädchen, besonders wenn er mit einer anderen flirtete. Ging es um den Zauber wurde sie körperlich richtig unruhig und besonders mit den Beinen sehr hibbelig. Beide Verhaltensweisen sehen für sich genommen passend aus und beide passen zu diesem Eindruck vom jungen Mädchen, aber trotzdem hat mir manchmal die Verbindung zwischen beiden Seiten etwas gefehlt. Alles in allem ist die Idee der sehr jungen Babette aber eine positiv interessante Variante.

Maurice: Attila Bardóczy

Er spielt einen warmherzigen Maurice, der gegenüber seiner Tochter sehr liebevoll und besorgt ist und an den anderen Dorfbewohnern eher verzweifelt. Er wirkt auch nicht generell dumm oder irre, sondern eher wie intelligent mit zeitweisen Denkaussetzern (dem sprichwörtlichen „Wald vor lauter Bäumen nicht sehen“). Mit seiner Strubbelfrisur sieht er passenderweise ein bisschen wie ein kauziger Professor aus. Sehr schön!

D´Arque: Tibor Oláh
Ihm hat das Sprachtraining seit meinem letzten Besuch sehr gut getan. Hatte ich beim letzten Mal fast kein Wort verstanden, so konnte ich seinem Text diesmal mühelos folgen. Seine Rolle kann er in seinen wenigen Szenen natürlich nicht großartig entwickeln, aber die leicht irre Seite des Herrn gelingt ihm überzeugend.

Vom aus 20 Musikern bestehenden Orchester sieht man leider nicht viel. Nur der Dirigent kam beim Schlussapplaus auf die Bühne und verbeugte sich mit dem Ensemble. Aber zu hören bekam man während der Vorstellung einen schönen, differenzierten Orchesterklang. Den könnten sich so einige deutsche Produktionen gerne mal abgucken.

Fazit:
Eine fantastische, märchenhafte Optik und sehr gute Darsteller, die durchweg schöne, detaillierte Rollenportraits zeigen. Den Rest an ungarischen Akzenten kann man akzeptieren und so eine wunderschöne Version dieses Musicals erleben.

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Re: Die Schöne und das Biest, Essen, 26.12.13 nachmittags

Beitragvon Kitti » 29.12.2013, 00:18:06

Danke für deinen schönen, detaillierten Bericht! Freut mich, dass es dir so gut gefallen hat. :mrgreen:
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Re: Die Schöne und das Biest, Essen, 26.12.13 nachmittags

Beitragvon Musical_passion » 31.05.2017, 12:37:56

Ich würde es mir jetzt auch gerne ansehen, so schön hast du das beschrieben =)

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Re: Die Schöne und das Biest, Essen, 26.12.13 nachmittags

Beitragvon serena » 05.06.2017, 21:39:09

Danke dir! :winken:


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