Mein letzter Besuch hier ist ja schon eine Weile her – da dachte ich, dass ich mich ja mal wieder mit einem Bericht zurückmelden kann
Ich hätte mir damals in den Hintern beißen können, als ich mir die CD-Aufnahme von Marie Antoinette kaufte, dann aber das Stück nicht mehr in Bremen lief. Ich hab mich wochenlang geärgert und schon ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, mir das Stück sogar in Tokio anzuschauen Ein Glück hatte der Musical-Gott ein Einsehen mit mir und ich erfuhr, dass das Stück in der nahezu identischen Bremer-Besetzung in Tecklenburg aufgeführt werden sollte.
Lange Rede, kurzer Sinn: Am 03.08. verschlug es mich nun nach Tecklenburg. Ich habe natürlich gleich an Sitzkissen gedacht, aber als ich auch nur 15 Minuten auf den wirklich extrem unbequemen Holzbänken saß habe ich mich wirklich gefragt, wie ich das nun die nächsten 3 Stunden durchstehen sollte. (Notiz für den nächsten Tecklenburg-Besuch: Couch mitnehmen!). Gut, das Stück hat mir natürlich über einiges hinweggeholfen. Der strahlendblaue Himmel über Tecklenburg und die angenehmen Temperaturen (um die 20°C) taten ihr übriges.
Hier nun erstmal die Hauptdarsteller für diejenigen, die es noch nicht wissen:
Margrid Arnaud – Sabrina Weckerlin
Marie Antoinette – Anna Thorén
Cagliostro – Yngve Gasoy-Romdal
Graf Axel von Fersen – Patrick Stanke
Angés Duchamps – Wietske van Tongeren
Louis XVI. – Frank Winkels
Herzog von Orléans – Marc Clear
Sehr imposant betrat Cagliostro die Bühne mit einem nicht enden wollenden schwarzen Umhang und zog uns mit „Illusionen“ erst einmal in den Bann. Mensch, was eine Stimme und Ausstrahlung. Was haben wir mitgefiebert und auch bei so vielen seiner Auftritte schmunzeln müssen. Witzig war vor allem bei einem Stück (ich weiß leider nicht mehr, welches), dass Yngve auf dem Bühnenende saß, genüsslich seine Erdnüsse knabberte und dann dem Dirigenten eine an den Kopf warf, der Dirigent verwundert nach oben blickte und Yngve verwundert in den Himmel schaute Herrlich! Toll spielte er vor allem seine vielen Rollen – Schatzmeister, Bettler, Pariser Frau , Henker, Staatsanwalt – ganz großes Kino! „Wenn Wölfe heulen“ hätte ich auch zu gerne auf der Bremer Aufnahme gehabt, so toll finde ich es. Teilweise war Yngve nur etwas schwer zu verstehen, das hat er aber wieder mit seinem tollen Auftritt wett gemacht.
Sehr gerne hätte ich zwar Roberta Valentini als Marie Antoinette gesehen, aber Anna Thorén stand ihr mit Sicherheit (zumindest stimmlich gesehen) in nichts nach. Anfangs hat mir Anna zwar gut gefallen, war mir aber einfach etwas nichtssagend. Toll gespielt, keine Frage, aber irgendwie hat die dieses gewisse Etwas gefehlt. Spätestens nach „Das Einzige was richtig ist“ hatte sie mich in ihren Bann gezogen und der letzte Ton hat mir eine riesen Gänsehaut verpasst. Dann kam der Wandel von der strahlenden Königin zur inhaftierten Bürgerin und liebenden Mutter und man konnte ihr richtig das Leiden aus den Augen lesen. Toll, toll, toll!
Patrick Stanke als Graf Axel von Fersen hat mir auch sehr gut gefallen, wenn auch seine Stimme ein bisschen untergeht. Schade, denn ich weiß aus diversen Aufnahmen, dass so viel mehr in ihm steckt. Auf jeden Fall eine tolle Leistung, die Lust auf mehr macht (ebenfalls hier Gänsehautfaktor bei „Jenseits aller Schmerzen am Ende“).
Wietske van Tongeren kannte ich bisher vor allem als „Ich“ von der Rebecca-Aufnahme und daher war ich besonders gespannt auf sie. Wietske wurde ihrer Rolle mehr als gerecht und „Gott hört uns zu“ war wieder einer der vielen Gänsehautmomente an diesem Abend. Bei „Still, Still“ im Duett mit Sabrina sind mir ebenfalls ein paar Tränchen gekullert, weil es einfach unfassbar emotional war. Wie auch bei Patrick geht die Rolle ja leider etwas unter. Ich hätte noch sehr gerne mehr von ihr gehört. Aber auch hier: Top!
Frank Winkels und Marc Clear haben mir ebenfalls sehr gut gefallen, auch wenn ich persönlich das Lied „Warum muss ich sein, was ich nicht bin“ etwas überflüssig fand. Schön, aber aufgrund des sehr langen Stückes hätte das auch sehr gerne weggelassen werden können. Marc Clear hat den Herzogen von Orléans ebenfalls sehr gut gespielt.
So, das Beste kommt zum Schluss: Sabrina Weckerlin!
Schon bei der Aufnahme von MA hat sie mir bei „Ich weine nicht mehr“ eine Gänsehaut über jede einzelne Faser meines Körpers gebracht und daher konnte ich es kaum erwarten, sie endlich live zu sehen. Sabrina ist nicht einfach nur eine Darstellerin, sie ist schon fast ein eigenes Kunstwerk Ich habe sowas wirklich noch nicht erlebt. Sie spielt so voller Überzeugung und Leidenschaft und wenn dann noch ihre Solo-Lieder kommen, dann kann man eigentlich nur mit offenem Mund dasitzen. Was eine Stimme. Sabrina versteht es, das komplette Publikum in den Bann zu ziehen. Die Stimme ist wirklich unglaublich und alleine wegen ihr lohnt es sich schon, nach Tecklenburg zu fahren. Man muss wirklich jede einzelne Sekunde ihres Gesanges auskosten.
Allgemein fand ich das Stück sehr gut umgesetzt: Die Kulisse von Tecklenburg war natürlich perfekt für das Stück. Die Umsetzung war ebenfalls grandios: Angefangen bei den Kostümen über die „Entsetzungs-Momente“ (z.B. blutverschmiertes Fallbeil beim Hochziehen desselbigen) bis hin zu dem grandiosen Ensemble von Tecklenburg – der Abend war einfach nur durch und durch perfekt (wie gesagt – über die harten Holzbänke sehen wir mal großzügig hinweg). Grandiose und absolut authentische Umsetzung in jeglicher Hinsicht. Ob man jetzt diverse Szenen brauch (Rotlichtszene „Hüter der Moral“, Louis Solo), gut, darüber lässt sich streiten.
Einzig die Besucher des Stückes haben mich ein bisschen aufgeregt. Man stelle sich vor: Das Fallbeil wird hochgezogen (nachdem Louis darunter lag), kommt blutverschmiert wieder hoch und was kommt als Reaktion: Gelächter und ein „Kopf ab“ aus der ersten Reihe. Grandiose Leistung, für die man am besten Beifall klatschen sollte . Schade, denn das lenkt natürlich von der Dramatik des Stückes ab. Ganz schlau war auch der Besucher neben mir, als der Kopf der Prinzessin Lamballe auf der Pike rumgetragen wurde: „Hey, das ist ja der Kopf einer Puppe“ – ebenfalls grandiose Leistung Ihr wisst was ich meine. Aber das hat natürlich nichts mit dem Stück an sich zu tun. Musste nur mal meinerseits erwähnt werden
Fazit: Wenn ihr die Möglichkeit habt nochmals nach Tecklenburg zu fahren: Nehmt sie auf jeden Fall wahr und lasst euch das nicht entgehen. Definitiv eines der besten Musicals, die ich je gesehen habe.
So, ist doch etwas lang geworden