Sister Act (22.09.2011 Ronacher)
Das neue Musical der Vereinigten Bühnen. Wie zuvor "Ich war noch niemals in New York" wurde "Sister Act" von der in Deutschland marktführenden Stage Entertainment übernommen und läuft zeitgleich in Hamburg. Die Geschichte kennt man natürlich aus dem Filmklassiker mit Whoopi Goldberg in der Hauptrolle der Deloris van Cartier. Die Möchtegern-Sängerberühmtheit wird Zeugin eines von ihrem zwielichtigen Liebhaber Curtis verübten Mordes und ist gezwungen sich im Rahmen eines Zeugenschutzprogrammes im Kloster der Heiligen Maria zu verstecken. Dort bringt sie zum Leidwesen der Oberin die Schwestern gehörig durcheinander, übernimmt die Leitung des Chors und studiert ungewöhnliche, aber höchst erfolgreiche Gesangsnummern mit den Damen ein. Dadurch wird schließlich ihr Verfolger Curtis auf ihren Aufenthaltsort aufmerksam. Trotz der Gefahr entscheidet sie, dass sie ihre Schwestern (besonders die zu ihr aufblickende Novizin Mary Robert) vor dem ganz großen Auftritt vor dem Papst nicht im Stich lassen kann.
Besetzung
Deloris van Cartier - Ana Milva Gomez
Curtis Jackson - Drew Sarich
Mutter Oberin - Dagmar Hellberg
Eddie Fritzinger - Thada Suanduanchai
SR. Mary Robert - Barbara Obermeier
SR. Mary Patrick - Sonja Atlas
SR. Mary Lazarus - Kathy Tanner
Monsignore O'Hara - Michael Schönborn
TJ - Bernhard Viktorin
Joey - Martin Berger
Erkan - Arcangelo Vigneri
Mit Ana Milva Gomez dominiert wieder einmal eine Holländerin eine Wiener Musicalbühne. Mit ihrer starken Stimme weiß sie zu überzeugen und auch Deloris' inneren Reifungsprozess stellt sie glaubhaft dar. Als Schwester Mary Clarence ("Nach dem schielenden Löwen in Daktari??") lernt die bisher sehr oberflächliche Deloris was wirklich wichtig ist im Leben. Nämlich Menschen um sich zu haben, die einen so mögen, wie man ist, und in der Not hinter einem stehen. Es sind die inneren Werte, die zählen. Eine Lektion, die zu begreifen, so manchem gut täte.
An ihrer Seite steht eine Reihe wunderbarer Darsteller, von denen ich unbedingt Barbara Obermeier und Dagmar Hellberg hervorheben möchte. Beide haben wundervolle Stimmen, wie ich finde. Brigitte Neumeister könnte es schwer haben, wenn sie im Jänner mit Verspätung die gestrenge, aber herzensgute Oberin übernimmt. Und Barbara Obermeier, zuvor Zweitbesetzung der Sarah, glänzt als jugendliche naive Novizin Mary Robert, die hin und her gerissen ist zwischen dem einfachen Klosterleben und den Verlockungen der Welt draußen.
Bei den Männern sind es vor allem Drew Sarich und Martin Berger, die ich herausnehmen will. Beide haben nicht allzu viel Text gegenüber den weiblichen Parts. Ich mochte Drew Sarich stimmlich ja weder als Kronprinz Rudolf, noch als Obervampir Krolock sonderlich, doch als balladenfreier Chefgangster Curtis überzeugt er mich völlig. Martin Berger fand ich dagegen schon als Kashoggi und Bialystock herrlich amüsant. Dieses Talent kann er auch als Hilfsschurke und Schmusekater Joey ausspielen.
Die optischen Effekte setzen viel auf Licht und Glitter. Vor allem beim Finale sind die Kostüme ein ein einziges blinkendes und blitzendes Meer - auf jeden Fall ein Blickfang. Es mag zunächst ein wenig skurril wirken, zu viel des Guten, aber genau das ist die Welt der Deloris van Cartier. Sie will auffallen, will bemerkt werden. Das Übertriebene und Schrille gibt ihren Charakter wieder. Ich habe das Theater gut gelaunt und versorgt mit Ohrwürmern verlassen.
Musikalisch muss ich feststellen, dass die Akustik im Ronacher leider nicht immer die beste ist. Gerade bei den starken Ensemblenummern (die große Probe!) bleibt das Textverständnis zeitweise auf der Strecke, weil die Musik den Gesang manches Mal fast überdröhnt. Das ist schade, wo doch die anderen Häuser der Vereinigten Bühnen über eine hervorragende Akustik verfügen.
Die Musicalfassung von "Sister Act" ist wie der Filmvorgänger ein Stück zum entspannen und amüsieren. Trotzdem lässt es sich nicht nur auf Glamauk reduzieren, denn im Inneren der eher seicht anmutenden Verpackung ist ein Gedanke: Äußerlichkeiten sind oft nur Schall und Rauch, aber das erkennt nur jemand, der sich die Zeit nimmt, den Menschen zu sehen. Jene, denen das gelingt, nennen wir Freunde.