Jesus Christ Superstar, Tecklenburg 27.8.

Wie gefiel euch eine Vorstellung und was würdet ihr kritisieren?

Moderatoren: Sisi Silberträne, Elphaba

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serena
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Jesus Christ Superstar, Tecklenburg 27.8.

Beitragvon serena » 28.08.2011, 21:06:19

Jesus Christ Superstar
Tecklenburg – Samstag, 27.8.2011, 20.00 Uhr


Das Stück beginnt mit einer Ouvertüre, bei der ein weiß gekleideter Junge das Mittelteil eines auf dem Boden liegenden Kreuzes aufhebt und es von allen Seiten betrachtet, bis die Jünger erscheinen und die restlichen Teile aufheben. Anschließend ziehen sie gefolgt vom Ensemble quer über die gesamte Bühne, bis in der Tür in der Mitte der Kulisse Jesus erscheint. Dies ist gleich die erste Szene, deren Sinn mir nicht direkt erschließen will. Überhaupt ist mir nicht klar, was die Aufgabe/Funktion dieses Jungens ist. Er taucht in mehreren Szenen auf, spricht oder singt nie und agiert ausschließlich mit Jesus oder Maria Magdalena. Z. B. berührt er Jesus während Gethsemane, und als Maria Magdalena „Wie kann ich ihn nur lieben“ sind, sitzt er an der Seite, spielt mit einem Holzbrett-Pferdchen und läuft einmal in ihre Arme. Am Ende des Stücks legt er vorne am Bühnenrand das Stück aus der Ouvertüre ab und setzt sich dort hin, während das Ensemble zu ihm schaut. Es sieht ja gut gemacht aus, aber ich verstehe es nicht. Von mir aus könnte man die Rolle auch weglassen. :|

Die Bühne ist diesmal recht schlicht gehalten. Links steht ein Zelt, das Jesus als Lager und später Herodes als Palast dient. Die Konstruktion der Hauptbühne hat unten 2 mit Tüchern abgedeckte Abgänge und in der Mitte die zweiteilige Schiebetür. Oben ist der Hintergrund mit außen 2 vollständigen, innen mit 2 oben abgebrochenen/abgeschnittenen Säulen dekoriert. Am vorderen Bühnenrand bilden Holzpfosten 3 „Fenster“, von denen das Mittlere ohne oberen Querbalken auskommt. Dort liegt das Kreuz für Jesus auf dem Boden, das am Ende aufgerichtet wird. Zu Beginn der Akte sind die Fenster mit weißen Tüchern verhangen. Diese werden, wenn dahinter gespielt wird, von den Protagonisten abgerissen. Einfach und Effektiv.

Die Kostüme und Perücken für die Bevölkerung sowie den meisten Solisten sehen sehr gut aus. Ausgerechnet Jesus wirkt insbesondere bei seinem ersten Auftritt etwas ungeschickt gekleidet, da das Gewand seine starke Brust doch etwas unvorteilhaft betont. Mit dem übergeworfenen Tuch sieht es später deutlich besser aus.

Über die Musik lässt sich nichts Negatives sagen, von einem schiefen Ton zu Beginn des ersten Aktes mal abgesehen. Ansonsten war es klasse, ein 25-köpfiges Orchester live spielen zu hören!
Leider kann ich über den Ton nicht das gleiche sagen. Der war im ersten Akt schlicht katastrophal. Das Orchester war anfangs zu laut, Judas bis auf einzelne Worte nicht zu verstehen, Jesus nur klar verständlich, wenn er kräftiger sang. Das Ensemble war dagegen gut abgemischt, Maria Magdalena lauter und klarer zu hören als alle anderen. Zum Glück besserte sich der Klang im Laufe des ersten Aktes. Im zweiten Akt war alles in Ordnung, bis auf eine Mikrophon-Panne. Die dritte Person, gegenüber der Petrus Jesus leugnete, war rein gar nicht zu hören. Naja...

Im Gegensatz zu meinen Befürchtungen hatte ich keine Probleme mit der vollständig deutschen Version. Die Übersetzungen waren teilweise sehr eng am Original und besonders im ersten Akt ja leider nicht zu verstehen.

Optisch sehr ansprechend wirkte die Choreografie, die je nach Situation fetzig bis elegant wirkte. Besonders die Todesszene von Judas war beeindruckend gelöst: lauter teuflische (?) Wesen warfen Seile um ihn herum, deren Enden sie festhielten und unter/über die sie auch tanzten. Als sie das entstandene Geflecht schräg zum Publikum hielten, konnte man kurz den Judenstern erkennen. Anschließend wurden Schlingen gebildet, Judas um den Hals geworfen, um ihn kurz darauf mit herabhängenden Seilen von der Bühne zu tragen.

Das Wetter blieb bis zum Ende des ersten Aktes zum Glück freundlich, dann kündigten Blitze das „Unheil“ an. Passend zum Beginn von Gethsemane fing es an zu regnen. Der arme Jesus musste wohl Gottes Antwort auf seine Anklage ertragen, denn kurz nach dem Lied wurde es wieder trocken!

Die Besetzung:
Jesus: Patrick Stanke:
Zu Beginn dachte ich mir oh je, da ihn das Gewand nicht gerade wohl kleidete. Und meiner Meinung nach steht ihm die Langhaar-Perücke ebenso wenig. An die Optik kann man sich gewöhnen... Spielerisch ist er die Ruhe in Person, insbesondere in dem ersten Lied, wodurch er einen guten Gegensatz zum über die Bühne tobenden Judas bildet. Stimmlich alles einwandfrei und sehr emotional gesungen!

Maria Magdalena: Femke Soetenga

Sie fiel schon durch ihr Kostüm auf, weil sie als einzige in kräftiges rot-violett gekleidet war. Eine schöne, klare Stimme! Ihr Verhältnis zu Jesus hätte für meinen Geschmack deutlicher herausgearbeitet sein können, aber bitte mit Jesus selber. Das zweite „Schlaflied“ für Jesus nach der Tempel-Szene sang sie hinter einem der weißen Vorhänge, während Jesus vorne am Bühnenrand stand. Anschließend verließ Jesus die Bühne und sie sang und agierte dabei mit dem Jungen. Wie gesagt, das Regiekonzept erschließt sich mir nicht vollständig.

Judas: Mischa Mang
Schauspielerisch top, gesanglich??? Klasse kräftige Stimme, ohne Frage. Nur habe ich ihn fast nie verstanden. Im ersten Akt dürfte dies überwiegend am miserablen Ton gelegen haben. Dennoch konnte ich ihn auch im zweiten Akt nicht durchgehend verstehen. Schade!

Pontius Pilatus: Marc Clear
Kurze aber wirkungsvolle Auftritte! Selbst in den wenigen Auftritten war seine Entwicklung vom Befürworter Jesus mit dem Volk gegen sich zum verbitterten Mann erkennbar, der Jesus nicht mehr helfen kann, deutlich.

Kaiphas: Tom Tucker
Beeindruckend, wenn er mit tiefer Stimme seinen Text singt! Mittendrin hat er mal mit normaler Stimmlage gesungen, da klang er gleich viel harmloser. Bei der Verständlichkeit war´s genau umgekehrt: Je tiefer seine Stimme, desto schwerer war es, ihn zu verstehen. Schade!

Annas: Stefan Poslovski
Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie erinnerte mich sein Spiel an den Butler James aus 3 Musketiere. Diese Mischung aus Würde und Lässigkeit in der Bewegung und in der Stimme passte super zum Annas, scheint auch sein Stil zu sein.

Petrus: Frank Winkels
Wer er ist, wurde ja erst im zweiten Akt klar. Dessen wenige Momente nutzte er gut, um alle Facetten seiner Rolle zu zeigen.

Herodes: Adrian Becker
Allein dessen Optik mit dem Makeup ist das Eintrittsgeld wert! Sein Auftritt ist der „Brüller“ schlechthin und einfach nur zum Lachen! Schade, dass er nicht noch mehr Szenen zu spielen hatte. Sein Auftritt war von vorne bis hinten wirkungsvoll präsentiert. Allerdings bekam er deutliche Konkurrenz von den 2 Herren seines Gefolges, deren Choreografie samt Röckchen schwingen und lebende Sitzbank bilden für weitere Lacher sorgten.

Simon Zelotes: Thomas Hohler
Schöne Stimme! Er könnte glatt ein Jünger aus dem Bilderbuch sein, so liebevoll und optimistisch wirkte er.

Priester 1, 2 und 3: Sebastian Sohn, Matthias Meffert, Marius Hatt
Deren Auftritt sah klasse aus. Alle 3 saßen auf Hockern auf der Bühne und standen auf, wenn sie sangen. Das dadurch entstehende auf-nieder ohne weitere Gesten wirkte schlichtweg genial. Viel von ihrem Text habe ich leider nicht verstanden.

Mädchen am Feuer: Michaela Schober
Sorry, aber die Rolle ist völlig an mir vorbei gegangen. Wo war denn das Feuer und dort ein Mädchen? Keine Ahnung!

Ensemble:
David Lake, Wolfgang Postlbauer, Kevin Foster, Hakan T. Aslan (dem die Langhaar-Perücke bestens steht!), Benjamin Witthoff, Siegmar Tonk, Sven Olaf Denkinger, Michael Clauder, Jan Altenbockum
Michaela Schober, Rachel Marshall, Rebecca Stahlhut, Christina Hindersmann, Silja Schenk, Anke Merz, Sophie Blümel, Daniela Römer, Angela Malinowski
Chor und Statisterie der Freilichtspiele Tecklenburg

Es ist immer wieder beeindruckend, wie fließend sich die Massen an Menschen auf der Bühne bewegen. Teilweise erkennt man die Profis nur an den Mikroports (und an den meist mittigen Positionen auf der Bühne). Besonders wirkungsvoll sah die Tempelszene aus, als sich wirklich unzählig viele Kranke um Jesus versammelten und nach ihm langten. Auch die Verkaufsversuche der Händler wirkte sehr professionell. Die junge Dame links vorne mit dem kleinen Körbchen und den dunklen Trauben ist mir mit ihrem intensiven Schauspiel sehr aufgefallen. Toll!

Am Ende der Vorstellung hielt der Intendant persönlich die Besetzung davon ab, die Bühne zu verlassen. Er stand rechts hinter der Treppe und schickte mehrfach per Geste alle wieder zurück. Erst nach der dritten zusätzlichen Verbeugung blieb er verschwunden und alle Darsteller verließen die Bühne. :)

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Re: Jesus Christ Superstar, Tecklenburg 27.8.

Beitragvon athosgirl » 28.08.2011, 22:52:51

Danke für den Bericht. Was den Jungen angeht waren uns alle schnell einig, dass das Kind den "Glauben" symbolisieren soll. Andere Ansätze von Nachbarn waren dass das Kind Liebe oder Hoffnung darstellt, was ja auch in die Richtung geht.
Am Anfang mit dem Kreuz, das sie auseinandernehmen, wird der Glaube quasi in die Welt hinausgetragen, nachher tröstet der Glaube die die verzweifelt sind, ob das nun Judas, Maria oder Jesus ist. Und zum Schluss ist Jesus zwar tot, aber der Glaube bleibt als helles Licht auf der Welt.
Und wenn man das mit diesem Gedanken anschaut, find ich das echt sehr schön.

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Re: Jesus Christ Superstar, Tecklenburg 27.8.

Beitragvon armandine » 29.08.2011, 00:06:33

Nur so als Randbemerkung: Das "Mädchen am Feuer" hat genauz einen Solo-Satz, und zwar in der Szene, in der Petrus erkannt wird und Jesus verleugnet. Ihr Text fängt an mit "Ich glaub, ich habe dich schon mal gesehen, den sie abführen dort, bei dem warst du dabei." oder so ähnlich. Das ist die gesamte Rolle.

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Re: Jesus Christ Superstar, Tecklenburg 27.8.

Beitragvon Elphaba » 29.08.2011, 02:45:30

Auch von mir danke für deinen schönen Bericht! :)

Also dieser kleine Junge da hätte mich aber auch etwas irritiert... Sähe für mich einfach danach aus, dass sie eben unbedingt wieder ein Kind unterbringen mussten... :roll:
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Re: Jesus Christ Superstar, Tecklenburg 27.8.

Beitragvon serena » 30.08.2011, 23:01:16

@athosgirl: Danke dir! Die Idee mit dem Glauben klingt echt einleuchtend! :) Das hat Sinn.

@armandine: Dir auch danke! Auf die Rolle wäre ich gar nicht gekommen, zumal die anderen beiden nicht näher bezeichnet werden!?

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Re: Jesus Christ Superstar, Tecklenburg 27.8.

Beitragvon armandine » 31.08.2011, 07:30:55

@Serena: Das ist seltsam, normalerweise werden da noch ein Soldat und ein alter Mann aufgeführt.

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Re: Jesus Christ Superstar, Tecklenburg 27.8.

Beitragvon serena » 01.09.2011, 21:32:10

@armandine: Ich habe die Liste im Programmheft nochmal durchgelesen. Sie hört mit dem "Mädchen am Feuer" auf. Die anderen beiden Rollen werden nicht genannt.

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Re: Jesus Christ Superstar, Tecklenburg 27.8.

Beitragvon armandine » 02.09.2011, 09:21:42

strange, aber wer weiß schon, was in den Köpfen der Programmersteller vorgeht... ;-)

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Re: Jesus Christ Superstar, Tecklenburg 27.8.

Beitragvon serena » 02.09.2011, 22:19:28

Ich nehme an, dass denen der Platz durch den Kopf geht. ;) Ohne die 2 anderen Rollen ist die Spalte nämlich optimal ausgefüllt...


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