Evita in München, 27.11.2010, 19.30 Uhr

Wie gefiel euch eine Vorstellung und was würdet ihr kritisieren?

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Evita in München, 27.11.2010, 19.30 Uhr

Beitragvon duketgg » 05.12.2010, 14:04:25

Da es sich hier um die englische Version der Show mit Untertiteln handelte, muss ich gleich eine Sache loswerden: Die Übersetzung war das Grottigste, was ich je gelesen habe! Bild
Wenn man die Sänger hörte und gleichzeitig die Übersetzung las, meinte man, man sei in der falschen Show.
Kunze sollte endlich kapieren, dass Reimen nicht das A&O des Übersetzer-Berufes sind.

Gesanglich war Abigail Matthews als Mistress die beste von allen: Ihr "Another Suitcase in Another Hall" war sehr gefühlvoll.

Mark Heenehan - ein Perón wie aus dem Bilderbuch: Massiv und mit Baßstimme.

Natalie Langston (Zweitbesetzung), war eine echt verbiesterte Evita und kniff ständig die Augen zusammen, um es zu verdeutlichen (auch bei "Don’t Cry For Me, Argentina", wo so was völlig deplatziert ist: Man könnte meinen, Evita sucht gerade jemand, der da in der Masse unter dem Balkon der Casa Rosada steht - und braucht dazu 'ne Brille), mit einer kraftvollen Stimme, die sie aber noch lernen muss, richtig einzusetzen.

Mark Powells Ché war viel zu zahm.

Aber das ist immer das Problem mit Besetzungen, die nur aus Engländern bestehen: Die haben kein Temperament. Sie sind und bleiben immer bloß Engländer, selbst wenn sie Latinos spielen müssen.
Ich denke dabei immer noch an die 1978er Londoner Originalbesetzung mit Elaine Paige und David Essex und muss Bild .

Dasselbe gilt für Dirigent (Matthew J. Loughran, auch Zweitbesetzung – und das am Samstagabend! Bild Bild ) und Orchester: Sie spielen zwar gut, hauchen aber der Partitur kein Leben ein.

Und damit sind wir am nächsten wunden Punkt angekommen: Was haben die mit der Originalpartitur angestellt? Bild Fast alles nach unten transponiert und Madonna (sie haben sogar das überflüssige, schnulzige "You Must Love Me" aus dem Film eingebaut! Bild )- bzw. Popmäßig arrangiert.

Die "Santa Evita"-Nummer fand ich besonders witzig: Aus einem Chor haben sie nun eine Solo-Nummer für ein Kind gemacht. Das Mädchen, das an dem Abend mit dem Lied dran war, hatte aber offensichtlich gar keine große Lust bzw. keine besondere Freude daran, auf der Bühne als Solistin zu stehen. Sie leierte also ihr Lied so schnell wie möglich (vor allem aber so schnell, dass das Orchester bei dem Tempo nicht mithalten konnte) runter und verschwand wieder. Oder aber das Mädchen wusste bereits, dass Evita nicht allzu viel Zeit für eine Heiligsprechung blieb und wollte deswegen sein Gebet an die Heilige Evita noch schnell loswerden, damit sie ihm was schenkt, bevor sie, wie es am Anfang des Stückes hieß, "in die Unsterblichkeit" geht.
Apropos: Wieso wurde hier der Satz "Santa Santa Evita / Madre de todos los niños / De los tiranizados, de los descamisados / De los trabajadores, de la Argentina" nicht übersetzt?

In der Inszenierung hat sich auch Einiges geändert:"The Art Of The Possible" ist z.B. sehr realistisch inszeniert, mit den Offizieren, die gekidnapped und verschleppt werden, gefesselt und mit Jutetüte auf dem Kopf.

Das Bühnenbild ist schlicht geblieben, aber auch total anders als das Original.
Alles erinnert irgendwie an dem 1996er Film, als wäre das Stück dem Film entsprungen - und nicht umgekehrt - was natürlich nicht gerade vorteilhaft für das Stück ist.

Schade.
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Re: Evita in München, 27.11.2010, 19.30 Uhr

Beitragvon ~Radu~ » 05.12.2010, 18:54:00

Danke für den Bericht. Hmm, wenn so eine Bewertung mit "Schade" endet, war es wohl letztlich nicht allzugut, hmm?

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Re: Evita in München, 27.11.2010, 19.30 Uhr

Beitragvon Marie Antoinette » 05.12.2010, 18:58:02

von mir auch danke für den Bericht!

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Re: Evita in München, 27.11.2010, 19.30 Uhr

Beitragvon nala1986 » 05.12.2010, 20:36:16

Also ich war auch in Evita aber am 23.11. und es war eine Preview.
Ich muss dem Schreiber oben zustimmen die Übersetzung ist grauenhaft und wenn man weit unten nahe der Bühne sitzt auch nur mit Nackenschmerzen zu lesen.
Gesanglich hat mir auch am besten Abigail gefallen wobei ich Mark Powell der den Ché ironisch aber mit viel Gefühl auch nicht schlecht fand.
Das Mädchen wo gesungen hatte war am Anfang so aufgeregt das die Stimme im ersten Satz gewackelt hat bevor es mit viel Power das Lied wirklich hervorragend gesungen hat. Am Ende der Show hat das Mädel mit am meisten Jubel abgestaubt und später in der U-Bahn habe ich Leute sich über das Stimmgewaltige Mädchen unterhalten gehört. Also wie man vielleicht merkt ich fand sie einfach nur toll.
Zur Inszenierung muss ich insgesamt sagen schöne Kostüme aber man merkt das das Deutsche Theater in diesem Zeltbau für Musicals nur bedingt ausgelegt ist, da die Menschen auf der Bühne oftmal verloren wirken und das eher dezent angelegte Bühnenbild war mir ein wenig zu banal gegenüber Musicals wie Wicked, WWRY, Tdv...
Witzig fand ich auch, das die meisten Männer auf der Bühne sehr jung wirkten/waren und die Frauen hingegen reifer/erwachsener und wie ich finde für so ein Musical das ein wenig zum mit denken anregt authentischer in ihren Rollen waren.
Die Musiker sind so eine Geschichte ich war mir lange Zeit nicht sicher ob live gespielt wird oder doch vom Band aber gotttseidank kamen sie ja zum Abschluss auch auf die Bühne somit war das Rätsel gelöst.
Als Resüme kann ich diese Musical einfach nur empfehlen, aber es ist wie ich finde kein so eingängiges (leichte Kost) als das man danach die Lieder noch weitersummen würde. ;)

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Re: Evita in München, 27.11.2010, 19.30 Uhr

Beitragvon Elphaba » 09.12.2010, 02:43:05

Oh, das ist einer der seltenen (wenn nicht sogar der Erste? :shock: ) Bericht aus der Feder unserer duke! :gott:

Also vielen Dank dafür duke, es war sehr interessant ihn zu lesen! :)
Ich hab auch lange überlegt, ob ich mir die Produktion in der Hamburger Staatsoper ansehen soll (bei uns waren sie im August), hab es aber dann (unter anderem auch aus finanziellen Gründen) gelassen. Jetzt bin ich ehrlich gesagt gar nicht mehr so traurig, dass ich nicht dort war. :D

Hmm, ich frage mich, warum die bei einem Stück auf Englisch überhaupt Untertitel machen. ich mein, bei italienischen Opern oder so kann ich es ja noch verstehen (oder bei deutschen Musicals in Japan), aber Englisch wird doch mittlerweile auch hier neben Deutsch vorausgesetzt. Also ich fände das eher störend, glaube ich. :?
Hab früher schon so einige Tourproduktionen aus Amerika oder GB gesehen (als es davon noch mehr gab :roll: ) und nie gab es Untertitel (geschweige denn die Frage danach).

Auch dir vielen Dank für deine Eindrücke Nala! :)

Also ich denke, dass das Bühnenbild nicht so opulent ist, liegt daran, dass es eine Tourproduktion ist. Das kann man schlecht mit den En suite-Sachen der Stage vergleichen...

Ja ja, gehe niemals mit Kindern auf die Bühne... Sie stehlen dir, egal was sie machen, die Show! :lol:
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Re: Evita in München, 27.11.2010, 19.30 Uhr

Beitragvon duketgg » 12.12.2010, 11:50:01

Elphaba hat geschrieben: ich frage mich, warum die bei einem Stück auf Englisch überhaupt Untertitel machen. ich mein, bei italienischen Opern oder so kann ich es ja noch verstehen (oder bei deutschen Musicals in Japan), aber Englisch wird doch mittlerweile auch hier neben Deutsch vorausgesetzt.
Dass in Hamburg Englisch neben Deutsch vorausgesetzt wird ist klar.
Aber wir reden hier von München, wo nicht mal Deutsch neben Bayrisch vorausgesetzt (oder gar erwünscht) wird. Bild

Elphaba hat geschrieben: ich fände das eher störend
Ich fand (finde) es auch störend, vor allem, wenn die Übersetzung nichts mit dem eigentlichen Text zu tun hat.
Bei der englischen Mamma Mia!-Tour wurde wenigstens das übersetzt, was auch wirklich gesprochen/gesungen wurde. Sie haben nicht die Texte der deutsche Version von Mamma Mia! als Untertitel benutzt.

Elphaba hat geschrieben: Hab früher schon so einige Tourproduktionen aus Amerika oder GB gesehen (als es davon noch mehr gab :roll: ) und nie gab es Untertitel (geschweige denn die Frage danach).
The Times They Are a-Changin'. Bild

Elphaba hat geschrieben: ich denke, dass das Bühnenbild nicht so opulent ist, liegt daran, dass es eine Tourproduktion ist. Das kann man schlecht mit den En suite-Sachen der Stage vergleichen.
Das Bühnenbild war bei Evita nie opulent - und das war auch gut so. Harold Prince hat die Show vom Anfang an "brechtianisch" inszeniert - und deswegen fand ich die Originalinszenierung (die ich ewig her in Mailand gesehen habe) viel besser.
Die Besetzung war damals auch besser: James Sbano war als Ché witzig, aber auch zäh.
Florence Lacey war eine großartige Evita (und ist inzwischen sogar auf CD als Evita zu bewundern). Als sie damals nach Italien mit der Show kam, hatte sie die Rolle schon 11 Jahre lang am Broadway gespielt (die direkte Nachfolgerin von Patti LuPone :gott: ).
Ich bin froh, dass eine Truppe aus Broadway damals die Show nach Italien brachte.
Zuletzt geändert von duketgg am 12.12.2010, 13:33:42, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Evita in München, 27.11.2010, 19.30 Uhr

Beitragvon nala1986 » 12.12.2010, 12:37:58

Ja, ich weiß das bei EVITA das Bühnenbild von aus Haus nicht so opulent ist und natürlicheine Tour keine En-Suite in dieser Angelegenheit ist .
Außerdem finde ich egal welche Show ich im "Zelt" gesehen hatte, es war von weit oben immer das Bühnenbild ein wenig langweilig.
Die schöne Aufnahme von Florence Lacey kenne ich auch, hab sie aber leider nich live gesehen zu weit weg :-)
Ach, ich weiß nicht ob das hier her passt aber die stage will/ wollte in München ein Theater bauen ist das immer noch so, wenn ja wo oder nehmen die eine bereits bestehende Bühne her.

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Re: Evita in München, 27.11.2010, 19.30 Uhr

Beitragvon Elphaba » 13.12.2010, 02:41:30

:mrgreen: O.K., dass München ja in Bayern ist, vergesse ich manchmal... :lol:

Hachja, manchmal wünsche ich mir echt die guten alten Zeiten zurück. :(


Hmm, da sieht man mal, dass ich noch nie eine Evita-Produktion gesehen habe. Aber klar, ich kann mir ehrlich gesagt für dieses Musical auch nicht so gut so ein fettes Bühnenbild vorstellen. Aber man weiß ja nie... :roll:
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