Da es sich hier um die englische Version der Show mit Untertiteln handelte, muss ich gleich eine Sache loswerden: Die Übersetzung war das Grottigste, was ich je gelesen habe!
Wenn man die Sänger hörte und gleichzeitig die Übersetzung las, meinte man, man sei in der falschen Show.
Kunze sollte endlich kapieren, dass Reimen nicht das A&O des Übersetzer-Berufes sind.
Gesanglich war Abigail Matthews als Mistress die beste von allen: Ihr "Another Suitcase in Another Hall" war sehr gefühlvoll.
Mark Heenehan - ein Perón wie aus dem Bilderbuch: Massiv und mit Baßstimme.
Natalie Langston (Zweitbesetzung), war eine echt verbiesterte Evita und kniff ständig die Augen zusammen, um es zu verdeutlichen (auch bei "Don’t Cry For Me, Argentina", wo so was völlig deplatziert ist: Man könnte meinen, Evita sucht gerade jemand, der da in der Masse unter dem Balkon der Casa Rosada steht - und braucht dazu 'ne Brille), mit einer kraftvollen Stimme, die sie aber noch lernen muss, richtig einzusetzen.
Mark Powells Ché war viel zu zahm.
Aber das ist immer das Problem mit Besetzungen, die nur aus Engländern bestehen: Die haben kein Temperament. Sie sind und bleiben immer bloß Engländer, selbst wenn sie Latinos spielen müssen.
Ich denke dabei immer noch an die 1978er Londoner Originalbesetzung mit Elaine Paige und David Essex und muss .
Dasselbe gilt für Dirigent (Matthew J. Loughran, auch Zweitbesetzung – und das am Samstagabend! ) und Orchester: Sie spielen zwar gut, hauchen aber der Partitur kein Leben ein.
Und damit sind wir am nächsten wunden Punkt angekommen: Was haben die mit der Originalpartitur angestellt? Fast alles nach unten transponiert und Madonna (sie haben sogar das überflüssige, schnulzige "You Must Love Me" aus dem Film eingebaut! )- bzw. Popmäßig arrangiert.
Die "Santa Evita"-Nummer fand ich besonders witzig: Aus einem Chor haben sie nun eine Solo-Nummer für ein Kind gemacht. Das Mädchen, das an dem Abend mit dem Lied dran war, hatte aber offensichtlich gar keine große Lust bzw. keine besondere Freude daran, auf der Bühne als Solistin zu stehen. Sie leierte also ihr Lied so schnell wie möglich (vor allem aber so schnell, dass das Orchester bei dem Tempo nicht mithalten konnte) runter und verschwand wieder. Oder aber das Mädchen wusste bereits, dass Evita nicht allzu viel Zeit für eine Heiligsprechung blieb und wollte deswegen sein Gebet an die Heilige Evita noch schnell loswerden, damit sie ihm was schenkt, bevor sie, wie es am Anfang des Stückes hieß, "in die Unsterblichkeit" geht.
Apropos: Wieso wurde hier der Satz "Santa Santa Evita / Madre de todos los niños / De los tiranizados, de los descamisados / De los trabajadores, de la Argentina" nicht übersetzt?
In der Inszenierung hat sich auch Einiges geändert:"The Art Of The Possible" ist z.B. sehr realistisch inszeniert, mit den Offizieren, die gekidnapped und verschleppt werden, gefesselt und mit Jutetüte auf dem Kopf.
Das Bühnenbild ist schlicht geblieben, aber auch total anders als das Original.
Alles erinnert irgendwie an dem 1996er Film, als wäre das Stück dem Film entsprungen - und nicht umgekehrt - was natürlich nicht gerade vorteilhaft für das Stück ist.
Schade.