Elisabeth
– Deutsches Theater, München –
– Mittwoch, 28. Oktober ’09, 19:30 Uhr –
Mit dem Auto taten wir uns ein bisschen schwer, den richtigen Weg zum Ausweichtheater in Fröttmaning zu finden. Als wir es schließlich geschafft hatten, führte uns der erste Weg zur Bühnenpforte. Dort wurden wir bestens durch das Fangegröhle aus der benachbarten Allianz-Arena unterhalten^^ An der Stagedoor klang es noch superlaut, aber wenigstens hat man im Theaterzelt dann nichts mehr davon gehört
Eigentlich wollte ich Annemieke und Oli treffen, die sind aber beide nicht aufgetaucht. Dafür kam kurz vor knapp doch noch ein bekanntes Gesicht vorbei, nämlich Patrick
Ich: Hallo Patrick!
Patrick (gut gelaunt): Hallo!
Ich: Sag mal, spielst du heute normal Ensemble oder was Größeres ...? (in fester Überzeugung, dass Oli spielt, und daher auf Franz Josef hoffend)
Patrick (grinst): Ich spiel heut was Größeres … den Tod!
Ich: *sprachlos vor Überraschung und Begeisterung*
Nach dieser tollen Neuigkeit ging’s ins Empfangszelt zum Ticketsabholen. Nachdem ich festgestellt hatte, dass im Programmheft auch tatsächlich ganz neue Fotos von Oli und Annemieke drin waren und nicht noch alte von Pia und Uwe bzw. Felix, habe ich es erstanden (leider sind die Ensemblefotos noch die alten, wo z.B. noch Peter Stassen und Oli im Ensemble drauf sind).
Schade, dass es keine Besetzungslisten normal zum Mitnehmen gibt. An der Kasse hab ich eine zum Anschauen gekriegt, die ich aber wieder abgeben musste. Wirklich gut ließen sich die gerahmten an der Wand hängenden Listen nicht fotografieren, daher habe ich nachgefragt, ob ich eine Kopie der Besetzungsliste haben kann, da ich gerne für das Deutsche Musicalforum berichten möchte, und hab dann auch in der Pause eine gekriegt
Die Besetzung war folgende:
Elisabeth ---> Annemieke van Dam
Der Tod ---> Patrick Stamme
Luigi Lucheni ---> Bruno Grassini
Kaiser Franz Josef ---> Markus Pol
Erzherzogin Sophie ---> Susanna Panzner
Herzogin Ludivika [sic!]/ Frau Wolf ---> Esther Hehl
Kronprinz Rudolf ---> Thomas Hohler
Kronprinz Rudolf als Kind ---> Simon Harner
Herzog Max in Bayern ---> Thomas Bayer
Damenensemble: Nadine Gabriel, Claudia Wendrinsky, Cornelia Uttinger, Lieselot Meurisse, Claudie Reinhard, Angela Hunkeler, Stephanie Sturm und Alice Macura
Herrenensemble: Martin Rönnebeck, Lars Rindelaub, Guido Gottenbos, Stefan Stara, Stuart Sumner, Ronnie Wagner, Roel Bakkum und Martin Markert
Besonders gefreut habe ich mich auf die beiden Hauptdarsteller und auf unseren Ex-Moq Stefan in seinen Ensemblerollen
Erstmal aber ein paar Worte zur Location …
Im Foyer fand ich’s eigentlich schön, das große Vorstellungszelt hat mich dann aber schon eher an eine Art umgebaute Lagerhalle erinnert, schon allein deshalb, weil an den Seiten noch so unheimlich viel freier Raum war. Aber gut, es ist ja nur ein Ausweichquartier, da kann die Ästhetik schon ein bisschen vernachlässigt werden. Die Sitze waren meiner Ansicht nach nicht unbequemer als in jedem anderen Theater, und die Beinfreiheit war auch nicht geringer als in vielen anderen^^ Ich selbst saß in der 8. Reihe fast ganz in der Mitte und hatte eine fantastische Sicht, da die Sitze ja auch ziemlich ansteigen, was ich sehr gut finde. Aber von den Zuschauern, die im Seitenparkett saßen, habe ich sehr kritische Aussagen gehört. Kommt es mir nur so vor, oder ist die Bühne zu klein für Sitzreihen, die so weit nach außen gehen? Im Apollo-Theater sind die äußersten Sitze vorne ja direkt am Bühnenportal, und dazu sind die Sitze noch im Halbkreis angeordnet, sodass niemand sich den Hals verrenken muss, um auf die Bühne zu blicken. In diesem Theaterzelt hingegen hat man vom Seitenparkett einen ganz schrägen Blickwinkel auf die Bühne und außerdem Sichteinschränkung, die in meinen Augen zu extrem ist. So habe ich z.B. von Bekannten, die auf der rechten Seite in den vorderen Reihen des Seitenparketts saßen (und nichtmal auf den äußersten Plätzen) gehört, dass sie beim Finale des 1. Akts von ihrem Platz aus weder Annemieke noch Patrick gesehen haben. Sowas darf meiner Meinung nach nicht passieren, auch wenn man „nur“ 44 Euro pro Ticket gezahlt hat. Die Hälfte von einem PK1-Ticket zu bezahlen darf doch nicht bedeuten, dass man die Hälfte der Show nicht sieht …!
So, dann schalt ich jetzt mal den Nörgel-Modus wieder ab und komme stattdessen zur Inszenierung.
Ich hab ja „Elisabeth“ noch nie live gesehen, kenne nur die DVD-Aufnahme aus Wien sehr gut, die verschiedenen CD-Aufnahmen und allerlei, was man auf youtube so findet
Generell begeistert war ich von dem Stück, weil es richtiges Theater ist und nicht nur eine Ausstaffierungsorgie, es geht nicht um möglichst spektakuläre, aufwendige Effekte und eine bunte, prächtige Ausstattung, sondern um diese eindrucksvolle Geschichte mit ihren Höhen und Tiefen. Ich war selbst überrascht davon, wie düster und melancholisch das Musical ist. Ich hab mich richtig in den Bann gezogen gefühlt
Schwer beeindruckt hat mich auch der vielfältige Einsatz der Drehbühne und der „Feile“, hatte teilweise ein bisschen Angst, dass bei so viel Technik leicht etwas schief gehen könnte, aber letztendlich war zum Glück die einzige Panne, dass eine der Hofdamen über ihren Reifrock gestolpert ist (zum Glück hat sie nach wenigen Augenblicken wieder weitergetanzt und hat sich nicht ernsthaft etwas getan). Die Projektionswand fand ich auch schön, so kann man mit relativ wenig Aufwand viel Atmosphäre erzeugen. Meine Lieblinge sind aber die fahrbaren Untersätze bei der „fröhlichen Apokalypse“ Da würde ich auch gerne mal mitfahren^^
Den Schluss, über den sich schon einige beschwert haben, fand ich persönlich nicht so schlecht. Dadurch erinnerte in gewisser Weise das Schlussbild des Musicals an das Anfangsbild im Prolog, was ich eigentlich als gelungene Abrundung empfunden habe.
Die Musik war wunder-wunderschön, nur an manchen Stellen hätte sie noch etwas kraftvoller sein können, z.B. bei „Ich gehör nur mir (Reprise)“, als Elisabeth im Sternenkleid im Bilderrahmen erscheint, hätte sie meiner Meinung nach etwas eindrucksvoller sein können. Ansonsten Daumen hoch für das Orchester.
Und gleich zwei Daumen hoch für die Darsteller.
Von Annemieke als Elisabeth hatte ich schon so viel Positives gehört, dass ich schon fast davon ausgegangen bin, dass sie absolut großartig sein würde. Und das war sie wirklich. Am Anfang hat sie als junge Elisabeth mühelos alle Sympathien für sich gewonnen, war so vergnügt und aufsässig und hat ihre Gouvernante sehr lustig imitiert^^ Dann ihr Zusammenspiel mit Patrick, unglaublich! Gerade bei „Der letzte Tanz“ hat sie es geschafft, zu zeigen, wie sie sich gleichzeitig zu ihm hingezogen fühlt und versucht vor ihm zu fliehen. „Schwarzer Prinz“ war wunderschön, und „Wenn ich tanzen will“ das zweite Highlight des Abends. Das erste, absolute Highlight war Annemiekes „Ich gehör nur mir“! Ich hatte so eine Gänsehaut danach, und der tosende Applaus hat gezeigt, dass es nicht nur mir so ging.
Später dann die verbitterte, unglückliche Kaiserin … ein schleichender Wandel, und sehr intensiv dargestellt. Sehr berührend fand ich ihre „Totenklage“
Ebenso begeistert wie von ihr war ich von unserem „Überraschungs-Tod“ Patrick. Seine Stimme klingt tiefer als die Tod-Stimmen, die ich bisher kannte, hat aber trotzdem super zu den Songs gepasst. Besonders schön klangen die beiden „Die Schatten werden länger“-Versionen von ihm, die Version des Songs im 1. Akt hab ich noch nie so toll gehört. Bei „Wenn ich tanzen will“ hat sich gezeigt, wie grandios er mit Annemieke harmoniert, und auch „Der Schleier fällt“ war genial gesungen. Etwas verblüfft war ich bei „Alle Fragen sind gestellt“, als er oben auf seiner Feile saß und nach Elisabeths „Ja“ zu lachen anfängt. Von den ganzen Aufnahmen kenne ich da nur ein richtig hysterisches, kreischendes Lachen von den verschiedenen Tod’s, aber Patricks war ganz anders, eher kontrolliert und tief, aber dabei so kalt und böse, dass es richtig gruselig wirkte. Seine bedrohliche Bühnenpräsenz hat er oft unter Beweis gestellt, nur mit der Feile kam er noch nicht ganz so gut zurecht, auf der kam er hin und wieder ins Schwanken oder musste etwas unmajestätisch schnell hinunterrasen, damit sie nicht hochfuhr, bevor er unten angekommen war. Aber das verzeihe ich ihm gerne, ein alter Hase ist er ja in dieser Rolle noch lange nicht, und dafür ist er schon so gut!
Bruno als Lucheni hat mir viel besser gefallen als erwartet. Nicht ganz so witzig wie Serkan auf der DVD, aber herrlich zynisch! Und eine super Stimme hat er auch.
Nicht ganz so gut gefallen hat mir Markus, in Bad Ischl fand ich seinen Franz Josef noch ganz sympathisch, aber von da an hab ich nur noch gedacht „So ein Depp!“ Sein Franzerl kam für mich rüber wie jemand, der selber nichts auf die Reihe bringt und nur nach der Pfeife anderer tanzt, aber trotzdem zu allen übrigen gemein ist. Kein Wunder, dass Elisabeth den Tod interessanter findet Auf der Wiener DVD konnte mir André Bauer wenigstens noch eine Art mitleidige Sympathie für den armen Kaiser-Loser entlocken, Markus’ Franz Josef war für mich da eher ein singender Langweiler. Ist vermutlich aber auch gewollt, dass er so blass und unwichtig rüberkommt.
Susanna als seine Mutter hat mich da schon mehr überzeugt. Sehr gut gefallen hat mir, dass sie nicht nur eine bitterböse ränkeschmiedende Schreckschraube war, sondern bereits bei „Eine Kaiserin muss glänzen“ und „Kind oder nicht“ durchblicken ließ, dass sie ihrer Auffassung nach ganz normal und richtig handelte und es ihr nicht darum ging, die anderen zu schikanieren. Ihre „Bellaria“ war für mich dann einer der berührendsten Momente im 2. Akt, ich hatte solches Mitleid mit ihr.
Dann war da noch Esther, die ich besonders als Frau Wolf sehr toll fand. Diese kleine Rolle gibt sicher auch so viel her, aber Esther hat sich darin richtig ausgetobt und ihren tiefen Ausschnitt großzügig mit Geldscheinen garniert^^
Thomas als erwachsener Rudolf kam mir etwas steif vor, und seine Mimik war ziemlich starr. Bei „Wenn ich dein Spiegel wär“ habe ich ein bisschen die Verzweiflung und das Gefühl vermisst, dafür legte er sich bei „Die Schatten werden länger“ mächtig ins Zeug. Stark fand ich ihn aus bei seiner kurzen Auseinandersetzung mit seinem Vater. Interessant fand ich, dass er bei seinem ersten Auftritt nicht selbst auf die Bühne kam, sondern von Bruno richtig auf die Bühne gezerrt wurde und er erst eigentlich sofort wieder abdrehen und von der Bühne verschwinden wollte, bis er Patrick entdeckte und dann zu ihm geflüchtet ist. Ein cooler Auftritt
Bleibenden Eindruck hat aber auch Simon als kleiner Rudolf hinterlassen. Er war so klein, sah ungefähr wie 5 oder 6 aus, auch wenn er natürlich älter sein muss^^ Und dann hatte er so einen niedlichen bayrischen Akzent mit dem gerollten „Rrrrrr“ Sein Lied hat er echt gut gesungen, nur ganz wenige Töne lagen daneben. Zu süß war sein Zusammenspiel mit Patrick, bei „Wenn ich mich anstreng, kann ich ein Held sein …“ hat der Kleine ihn an den Schultern gepackt und so kräftig durchgeschüttelt, dass sich Patrick kaum das Schmunzeln verkneifen konnte. Der Kleine hat verdient eine ganze Menge Applaus bekommen
Das Ensemble war hervorragend, die Ensemblenummern waren wirklich beeindruckend. Besonders toll waren die beiden „Alle Fragen sind gestellt“-Nummern und „Milch“, so viel Power auf der Bühne!
Abschließend hätte ich noch eine Frage, die mich nach dem Stück doch ziemlich beschäftigt hat: Was ist eigentlich der Sinn von „Hass!“? Ich hab im Theater gemerkt, dass der Song das Publikum einfach nur verwirrt hat und es am Schluss nur ein wenig zögerlichen Beifall gab. Ich sage gar nichts gegen den Song an sich, die Choreographie fand ich auch echt gut, aber was genau hat das mit dem Rest des Stücks zu tun? Sicher gab es auch Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts schon Nationalisten und Antisemiten in Wien, aber was hat das mit Uniformen und Symbolen aus dem Nationalsozialismus zu tun? Sicher hat sich das daraus entwickelt, aber mir kam es so weit hergeholt vor. Zur Zeit der KuK-Monarchie sind garantiert keine Nazis in braunen Uniformen in Wien rummarschiert … Wenn es nur darum geht, die Unmut im Volk darzustellen, dann muss das doch nicht so sein^^ Es kam mir einfach so zusammenhangslos und unpassend vor.
Nichtsdestoweniger hat mich das Musical begeistert. Mal wieder ein perfektes Beispiel dafür, dass Musicals nicht oberflächlich und kitschig sein müssen …
Wenn die Veranstalter jetzt noch so freundlich wären, einen Schülerrabatt für ihre Tickets einzuführen, würde ich gleich nochmal nach München fahren (und wer weiß, vielleicht tue ich es trotzdem ).