Wiederaufnahmepremiere JCS 23.08. Aalto-Theater Essen

Wie gefiel euch eine Vorstellung und was würdet ihr kritisieren?

Moderatoren: Sisi Silberträne, Elphaba

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Martina

Wiederaufnahmepremiere JCS 23.08. Aalto-Theater Essen

Beitragvon Martina » 24.08.2007, 12:04:55

Wiederaufnahmepremiere 23.08.07 Besetzung
(Zweitbesetzung in alphabethischer Reihenfolge)

Musikalische Leitung

Heribert Feckler

Judas

Serkan Kaya

Jesus

Henrik Wager

Simon

Jeremy Cummins

Petrus

James de Groot
Japheth Myers

Maria Magdalena

Valerie Scott

Kaiphas

Thomas Tucker

Hannas

Michael Bergmann

Pontius Pilatus

Rainer Maria Röhr

König Herodes

Rüdiger Frank

Soulgirl

Michelle Escano

Soulgirl

Debora Formica

Soulgirl

Claudia Hauf

Soulgirl

Mirjam Hofer

Soulgirl

Kristin Josefiak

Soulgirl

Heather Shockley

Michael Schulz inszenierte im Gespann mit Bühnenbild (Kathrin-Susann Brose) ein üppiges, temporeiches, cool gebrochenes Ganzes.
Da hängen Grabtücher mit theologischen Infos und lauter Klassiker der abendländischen Ikonographie links und rechts am Bühnenrand! X-mas-Bunnies und Nikoläuse sowie Weihnachtsmänner toben über die Bühne, tanzen langbeinige Dämonen und Engel in entsprechenden Kostümen. Besser gefiel es mir, wenn nur die Darsteller auf der Bühne waren! Das erinnerte mich zwar an eine konzertante Aufführung dieses Stückes im Colosseum, aber gefiel mir besser, als in den Szenen, wo die Bühne mit Symbolik nahezu überfrachtet war! Bierkästen- und Flaschen beim Abendmahl,während die Apostel von Wein singen, militante Anhänger Jesus zum Teil mit Waffen, Einkaufswagen im Tempel, dem Konsumrausch verfallene Jünger Jesus mit Pizzakartons, Cola, Videospielen etc. und Big Macs auf der Bühne fand ich nicht so passend!Die Szene als Judas sich erhängt, fand ich doch etwas übertrieben, er verschwindet theatralisch im Bühnenboden, um kurze Zeit später dann gemeinsam mit Jesus im Glitzeranzug wieder aufzutauchen! Das erinnnerte mich doch ein wenig zu sehr an Serkans Rolle in Elisabeth als Lucheni! Ob das bewusst so gewolt war oder ein Einfall des Regisseurs, ist mir nicht bekannt!

Valerie Scott, die als Maria-Magdalena mit wenigen markanten Soul-Phrasierungen wie mühelos, "I don´t know how to love him" zu singen - und tief unter unsere Gänsehaut.Auf dem schwarzen Bühnenboden liegen aber zunächst einmal vor Beginn des Stückes zwei ganz in weiß gekleidete Gestalten nebeneinander und unterhalten sich. Mal sind sie ernsthaft ins Gespräch vertieft, mal lachen sie erheitert auf, mal schweigen sie gemeinsam.Es sind Jesus (Henrik Wager) und Judas (Serkan Kaya). Als Zuschauer würde man gern erfahren, worüber sich die beiden unterhalten, bevor der Song Heaven on their Minds, einsetzt und Judas, streckenweise neben Jesus` auf einer einfachen Bank auf der linken Bühnenseite sitzend, Jesus seiner Freundschaft versichert, ihn aber gleichzeitig auch ermahnt, seine eigentlichen Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Auch Jesus` äußerst kampfeslustigen Jünger fordern ihn auf, endlich nach Jerusalem aufzubrechen, doch Jesus will sich nicht drängen lassen, reagiert verärgert und äußerst emotional (What`s the Buzz). Es ist schließlich eine Frau, die die Situation entschärft und Jesus zu beruhigen vermag. Valerie Scott spielt eine heißblütige, eine äußerst exotische Maria Magdalena, die sich ihres Einflusses auf Jesus durchaus bewusst ist, die zugleich aber auch von innerlicher Unsicherheit zerfressen wird, was in ihrem Soul-durchdrungenen Solo I don`t know how to love him mehr als deutlich wird. Judas reagiert mit beträchtlicher Eifersucht auf das Erscheinen von Jesus´ Geliebten, und macht ihr gegenüber verachtende Kommentare, was schließlich sogar zu Handgreiflichkeiten zwischen ihm und Jesus führt.Hierbei wird dann auch schon einmal von Serkan Kaya die Bühnenwand vor lauter Wut eingetreten! Ob er hierbei Schuhe trug, vermag ich nicht zu sagen! Schuhe spielen aber auch in weiteren Szenen eine wichtige Rolle! Egal, ob von Jesus und Judas an den Füssen getragen oder scheinbar achtlos irgendwo auf dem Bühnenboden liegend! !

Diese Dreiecksbeziehung ist der Dreh- und Angelpunkt der Handlung, und in ihr ist auch das Potential des sich später entfaltenden Dramas angelegt. Als Judas Jesus und Maria Magdalena schließlich gemeinsam schlafend vorfindet, ist das scheinbar der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt und ihn in seiner Verzweiflung zum widerwilligen Verräter seines Lehrers macht.Besonders erwähnenswert ist aber vor allem Erin Caves als Pontius Pilatus, der Jesus eigentlich gar nicht zum Tode verurteilen will, sondern vom Rat der Hohepriester, vom Volk und schließlich von Jesus` Reaktion selbst dazu gezwungen wird. Caves zeigt sich stimmlich souverän, und es ist ein Hochgenuss, seinem Pilate`s Dream zu lauschen.
Bevor es dazu kommt, wird Jesus nicht wie in anderen Produktionen üblich ausgepeitscht, sondern von den Ensemblemitgliedern mit an der Hand befindlichen roten Farbe an der Brust berührt! Henrik Wager stellt überzeugend seine Qual da, während ihn seine ehemaligen Jünger mit roter Farbe, sprich seinem Blut besudeln!

Zum Schluss wird aber er nicht er, sondern ein anderer Darsteller im üblichen Lendenschutz ans Kreuz genagelt! Jesus und Judas sitzen am Bühnenrand und lesen die entsprechenden Passagen aus der Bibel vor, Jesus auf englisch und Judas wiederholt sie auf Deutsch!

Fazit: Sehenswerte Produktionen mit durchweg hervorragenden Darstellern, aber weniger opernbelastete Symbolhaftigkeit auf der Bühne wäre wünschenswert gewesen!

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Netty
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Beitragvon Netty » 24.08.2007, 16:29:47

Schöner, ausführlicher Bericht, Martina!
Ich hatte diese Inszenierung schon im Oktober 2006 gesehen. Es scheint sich nichts geändert zu haben. Mich haben vor allem die tollen Stimmen und die schöne Musik fasziniert. Aber die gesamte Inszenierung hat mir gut gefallen, wenn sie auch ungewöhnlich ist.

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Beitragvon Annie » 24.08.2007, 19:19:58

@Martina: Vielen Dank für Deinen interessanten Bericht! Jesus Christ Superstar würde ich auch sehr gerne mal sehen, kenne das Stück nur von der DVD!

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Beitragvon Angel » 24.08.2007, 20:33:45

Vielen Dank für den interessanten Bericht, Martina. Ich kenne das Stück noch nicht, werde es aber im November auch im Aalto sehen, dann weiß ich ja schon ungefähr was auf mich zukommt und bin gespannt wie es mir gefällt ...

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Beitragvon Elphaba » 25.08.2007, 01:06:41

Dane für deinen schönen und ausführlichen Bericht Martina!

Ja, JCS schein wirklich für viele Regisseure einen Ansporn darzustellen, sich gegenseitig mit (mehr oder weniger originellen) "modernen" bis hin zu "provokanten" Inszenierungs-Einfällen zu übertreffen!

Bierkästen beim letzten Abendmahl... Naja, in Bad Hersfeld war`s auch nicht besser, da hatten die Jünger ein komplettes Mc Donalds-Sortiment auf der Bühne. :roll:
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jellimmy

Beitragvon jellimmy » 25.08.2007, 10:24:32

danke für den bericht!

also ich mag moderne inszenierungen, aber das ist ja geschmacksache. aber ich versteh den schluss nicht. normaler weise ist das doch total tragisch, wie jesus ans kreuz genagelt wird und in essen sitzen sie einfach am boden und lesen die bibelstelle vor???

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Beitragvon Elphaba » 26.08.2007, 02:04:38

Naja, ob tragisch oder nicht, hängt auch immer von der Inszenierung ab.

In Bad Hersfeld z.B. sah man erst einen blutverschmierten Yngve mit zwei Seilen rechts und links angebunden (eben in "Kreuzform") dann war es dunkel und wenig später sah man dann einen in saubere und heile weiße Gewänder gehüllten Yngve aus einer Bodenvertiefung kommen und in eine Art Lichttunnel hineingehen. Das fand ich sehr schön, weil das so einen Hoffnungsschimmer verbreitet hat. Diejenigen die gläubig sind und an die Auferstehung glauben, haben so einen nicht so traurigen sondern eben hoffnungsvollen Schluss gehabt. (Ich für meinen Teil fand es einfach schön anzusehen :wink: ).

So ähnlich, denke ich mir, war es vielleicht ja auch bei dieser Inszenierung. Indem gezeigt wurde wie Judas und Jesus wie Freunde nebeneinander saßen, wurde ja deutlich, dass die Geschichte eben so vorherbestimmt war und eben auch Judas eine nicht unwichtige Rolle dabei gespielt hat. Ohne ihn hätte Jesus ja schließlich nie auferstehen können und somit massen von Menschen einen Glauben bescheren können. Insofern kann man das Ende durchaus auch positiv sehen und Jesus und Judas als ein untrennbares Doppel, dass vielleicht ja sogar gut befreundet gewesen ist.

Oh entschuldigt bitte, ich bin gerade ins philosophieren gekommen... :oops: :roll:
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Eponine89

Beitragvon Eponine89 » 26.08.2007, 20:54:58

Danke für den Bericht :D

WAH! Jeremy ist jetzt Simon da?
Also jetzt muss ich wirklich noch ein 3. Mal dahin :shock:

Hoffentlich erwisch' ich dann auch Japhet als Petrus :oops:

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Martina

Beitragvon Martina » 27.08.2007, 13:55:06

jellimmy06 hat geschrieben:danke für den bericht!

also ich mag moderne inszenierungen, aber das ist ja geschmacksache. aber ich versteh den schluss nicht. normaler weise ist das doch total tragisch, wie jesus ans kreuz genagelt wird und in essen sitzen sie einfach am boden und lesen die bibelstelle vor???

@Jellimy,Fotos von der Inszenierung kannst du dir hier ansehen!
http://www.aalto-theater.de/asp/gesamt_einzelstuecke.asp?idperform=927&sparte=1

Und an alle anderen, vielen Dank für euer Feedback zu meinem Bericht! :D


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