„Aus und vorbei, ich bin frei und schwerelos …“
Wicked – Die Hexen von Oz
29. Januar 2010, 19:30 Uhr – Die Dernière
Wie immer, wenn ich mit einem meiner Berichte beginne, stelle ich mir die Frage: „Wo fange ich an?“ Dieses Mal ist es besonders schwierig, die richtigen einleitenden Worte zu finden, da ich so vieles zu berichten habe.
Eigentlich habe ich dieses Stück schon in aller Ausführlichkeit in drei anderen Berichten behandelt. Warum dann schon wieder einen Roman schreiben? – Ganz einfach: Weil es das letzte Mal ist, dass ich einen Bericht zu Wicked in Stuttgart schreibe. Und da kann der von mir aus 20 Seiten lang werden, who cares? Wie könnte ich dieses Erlebnis besser verarbeiten, wie könnte ich jede kleine Erinnerung besser festhalten? Wie könnte ich besser zeigen, wie dankbar ich bin, Teil des Ganzen gewesen zu sein?
Bevor es losgeht, nochmal ein klein wenig Vorgeschichte: Je näher das Ende rückte, desto schmerzlicher wurde mir bewusst, dass Wicked bald nicht mehr da sein würde, nicht in Stuttgart. Auch wenn ich mich zufrieden geben musste mit meinen zwei Shows, erbärmlich gegen so manch anderen, hegte ich den stillen Wunsch, es zu sehen, bevor es frei und schwerelos nach Oberhausen fliegt – wenigstens noch dreimal. Oberhausen ist genauso weit von mit entfernt wie Stuttgart, nur wollte ich mich einfach nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass sie das Stück, das wie Faust aufs Auge in das Palladium Theater passt, einfach woanders hin stecken. Ich hatte Angst, der Zauber würde bei einem solchem Umzug verloren gehen. Nachdem ich, unter anderem durch Abgeben eines leeren Weihnachtswunschzettels oder durch das komplette Ausräumen meiner Wicked-Vitrine, demonstriert habe, wie wichtig mir dieser Abschied ist, konnte ich immerhin noch zwei weitere Shows reißen. Die erste davon war Willemijns Dernière, der ich vor gut drei Wochen beiwohnen durfte. Und nun eben die letzte Vorstellung gestern. Durch einen glücklichen Zufall ergatterten mein Vater und ich noch Tickets für die beiden äußersten Plätze im Parkett rechts Reihe 2, da kurze Zeit vorher wieder einige Randplätze in den vorderen acht Reihen zurückgegeben wurden. So richtig realisieren, dass wir dabei sein würden, konnte ich aber erst, als wir uns gestern, nachdem ich morgens noch in der Schule gesessen und mein Halbjahreszeugnis bekommen habe, um viertel vor drei auf den Weg nach Stuttgart gemacht haben. Wir sind so früh losgefahren, um noch genügend Luft zu haben, falls uns das Wetter oder ein Stau überraschen sollte. Wir sind aber relativ gut durchgekommen und waren irgendwann zwischen fünf und halbsechs in Stuttgart.
Wir sind dann noch kurz an die StageDoor, die wunderschön geschmückt war. An der Treppe hing ein riesiger Banner mit der Aufschrift: „We’ve been changed for good. Thanks Ozians!“ Das Geländer war gesäumt mit etlichen grünen und rosafarbenen Luftballons und überall hingen StageDoor Fotos. Von mir habe ich leider keines gefunden, aber bei so vielen Fotos, die von Willemijn und Lucy eingetrudelt sind, überrascht mich das wenig. Dann sind wir wieder rein, haben uns irgendwo hingesetzt und unsere Brote gegessen. An uns liefen ein paar Leute, ich meine es wären sechs Stück gewesen, vorbei. Jeder hatte eines der riesigen Bilder mit Wicked-Szenenmotiven, die in den letzten zwei Jahren im Palladium hingen, in der Hand.
Vor dem Theater war schon die Hölle los, es waren auch einige verkleidete Fans dabei oder welche, die sich die Haare grün gefärbt hatten. Da kam schon Vorfreunde in mir auf – und ein klein wenig Wehmut.
Wir wurden dann etwa eine Dreiviertelstunde vor Showbeginn eingelassen. Ein letztes Mal ging ich an den Merchandising-Stand und holte mir eine Besetzungsliste – alles genauso wie erwartet, keine Überraschung. Die Szenenmotive, die zuvor an der Wand hingen, wurden für 90€ pro Foto verkauft! Ich frage mich, ob das jemandem so viel Wert war, ich fand es jedenfalls total übertrieben.
Als wir in den Saal eingelassen wurden, standen dort an der Tür Maike und Dine und verteilten an alle Knicklichter und kleine Kärtchen, worauf stand, wann die Stäbe zu knicken seien.
Ach war das schön, ein letztes Mal diesen Saal zu betreten. „Ich möchte mir diesen Augenblick einprägen – für immer!“
Dass ich von meinem Platz aus nicht alles sehen würde, das wusste ich ja schon vorher. Ich fand sie aber sehr gut, da ich eh ein Vorne-Sitzer bin und mir Mimik wichtiger ist als ein guter Überblick. Außerdem war es interessant zu sehen, wie sich die Leute am Bühnenrand auf ihren Auftritt vorbereiten. Einige wenige Sachen waren nicht so gut zu erkennen wie von der Mitte aus, aber dafür waren die Plätze ja auch Preiskategorie 3.
Bevor es losging, kam noch Antonio Schmidt, der Theaterleiter auf die Bühne und sagte ein paar Worte. 859-mal sei Wicked im Laufe der letzten zwei Jahre hier über die Bühne gegangen und es sei nicht nur den Leuten auf der Bühne gedankt, sondern auch allen dahinter, die Abend für Abend dafür gesorgt haben, dass alles reibungslos läuft.
Und dann hieß uns die Bandstimme zum letzten Mal im Zauberland Oz Willkommen.
Ich finde es faszinierend, was für ein glückliches Händchen die Stage bei der Besetzung des Stückes erwiesen hat. Sicher gab es auch einige Fehlgriffe, aber über die sehe ich gern hinweg, wenn ich daran denke, wer so alles in den letzten zwei Jahren Teil des Wicked-Ensembles war. Viele davon habe ich, auch wenn ich sie nicht oft gesehen habe, doch sehr ins Herz geschlossen und viele Darsteller, für die es gestern das letzte Mal Wicked war, bedeutet es für Oberhausen eine große Lücke. Ob diese zu schließen ist, das wird sich dann im März zeigen, allerdings ist die Messlatte mehr als hoch gelegt.
Um ehrlich zu sein, war ich im Vorfeld schon ein wenig enttäuscht, dass Willemijn die Dernière nicht spielen würde. Das hat partout nichts mit Roberta zu tun, ich fand es einfach prinzipiell schade, da Willemijn für die Stuttgarter Produktion stand, ich sah sie immer als eine Art Aushängeschild. Von überallher kamen die Leute, um Willemijn einmal in dieser Rolle zu sehen. Für mich war sie immer die ideale Elphaba – optisch, schauspielerisch und gesanglich. Dennoch habe ich mich auf Roberta gefreut, da ich sie live noch gar nicht als Elphaba gesehen habe und sie auch sehr gern mag. Außerdem haben wir Willemijn ja auch einen emotionalen und unvergesslichen Abschied bereitet.
Und ich muss sagen, einen besseren Ersatz für Willemijn hätten sie gar nicht einsetzen können! Völlig zu Recht ist Roberta vor über einem Jahr vom Cover zur Alternate aufgestiegen. Sie hat die Rolle voll ausgeschöpft und gab den ganzen Abend über hundert Prozent.
Ich finde es einfach nur erstaunlich, wie verschieden und eigen jede Darstellerin diese Rolle auslegt, obwohl alles exakt dasselbe zu sagen und zu singen haben. Robertas] Elphaba hat mir unheimlich gut gefallen. Sie war sehr rebellisch und hatte ihren eigenen Kopf und genauso stelle ich mir die Elphaba auch vor! Eine Kämpfernatur, eine Einzelgängerin, die sich nichts gefallen lässt und ihren eigenen Weg geht. So erlebt der Zuschauer sie schon zu Beginn des Stückes auf der Schule. Hier gibt sie sich nicht zart und verletzlich, sondern sehr stark und selbstbewusst. An einigen Stellen schimmert hier schon die böse Hexe des Westens durch, zu der ihre Mitmenschen sie durch Hass, Missgönnen, Undankbarkeit und durch jede Menge Vorurteile machen. Schlüssig spielt sie die Wandlung vom jungen Mädchen zur verzweifelten und verbitterten Frau, die den ganzen Abend über ihr reines Herz und ihre gute Seele bewahrt.
Robertas Mimik war göttlich, sie hat die Rolle gelebt und sich ihr mit Hingabe angenommen, mehr als einmal sah ich Tränen in ihren Augen schimmern.
Gespielt hat sie sehr temperamentvoll, hat größtenteils deutlich gesprochen. Wenn sie mal einige Wörter verschluckt hat, fand ich das nur passend, da es Elphaba in diesen Szenen immer aufgeregt hat wirken lassen.
Ihre Stimme finde ich sehr angenehm anzuhören, sie hat sauber und sehr sicher gesungen. Zwar gibt es Parts, in denen ich Willemijn immer noch ein wenig mehr mag, vor allem im Beltteil von „Frei und schwerelos“, insgesamt hat sie mir aber ausgezeichnet gefallen und liegt in meinem Ranking ganz knapp hinter Willemijn.
Gestern hat sie unter Beweis gestellt, dass sie eine Rolle wie diese auch bei einer besonderen Show wie einer Dernière super tragen kann und ich finde es schön, dass sie mitkommt nach Oberhausen, wo sie noch viele Leute verzaubern kann.
Lucy wird mir von allen, die sich gestern verabschiedet haben, am meisten fehlen. Nachdem ich eine Zeit lang eine Jana-Phase hatte und Lucy bei meiner ersten Show ein wenig geschwächelt hat, habe ich sie im Laufe der letzten Monate wieder total ins Herz geschlossen und für mich ist sie die perfekte Glinda. Joana Fee Würz wird es in Oberhausen sehr schwer haben, das zu toppen!
Lucy hat gestern nochmal alles gegeben und alle Facetten der Rolle super ausgespielt. Die Wandlung vom blonden Wonneproppen zu Glinda, der Guten macht sie immer besonders deutlich und auch gesanglich war das gestern die stärkste Show, in der ich sie hatte. Sie ist so zuckersüß auf der Bühne und den vielen Applaus hat sie sich verdient!
Wicked ohne Lucy ist nicht Wicked!
Mathias‘ Leistung empfand ich in meinen letzten beiden Shows als solide, gestern hat er mir richtig gut gefallen! Zwar ist er immer noch nicht mein Lieblings-Fiyero, aber ich finde ihn immer besser. Diesmal fand ich seine Tanzbewegungen auch flüssiger als sonst, sein Schauspiel war nicht mehr blass, sein Gesang recht gut. Besonders erstaunlich finde ich es, dass er so eine Leistung bringt, da er ja krank war und die letzten Tage auch gar nicht gespielt hat. Besonders gut finde ich ihn immer im Zusammenspiel mit den beiden Damen, zwischen denen er steht!
Carlo. Hm, ja … Carlo eben. Gestern fand ich ihn dann auch ganz okay, trotzdem strahlt er für meinen Geschmack auf der Bühne zu wenig aus. Tanzen kann er nicht und er mogelt sich auch immer um den hohen Ton im „Seelenvollen Mann“ herum, was ich schade finde, als Schauspieler ist er nicht schlecht. Nachdem ich bei Willemijns Dernière Possi als Zauberer gesehen habe, konnte ich auch beim besten Willen nicht verstehen, warum jemand wie Carlo Erstbesetzung ist, wo die Cover doch viel mehr hermachen. Aber gestern habe ich mich nicht an ihm gestört, er war ganz nett.
Dasselbe gilt für Barbara: Ich finde sie nicht schlecht als Madame Akaber, aber es ist jede Show das selbe, auf die Dauer wird es langweilig mit ihr. Wenn ich ihren Namen auf der Castliste lese, denke ich mir: „Ah, hm, Barbara.“ Aber ich mache keine Freudensprünge. Gestern fand ich sie aber auch ein wenig besser als die Besuche vorher, ihre Hetzrede fand ich richtig klasse!
Die Rolle der Nessa finde ich auch unheimlich interessant, wegen den Parallelen zum Zauberer von Oz. Bei meinem ersten Besuch hatte ich Nicole, die wirklich großartig war in der Rolle, bei zweiten Mal hat Lanie gespielt, deren Leistung ganz solide war, optisch hat sie aber nicht so gut in die Rolle gepasst und in ihrer Stimme klang ein bisschen der philippinische Akzent mit. Die letzten beiden Male hat dann Janine gespielt. Am 6. Januar erschien sie mir noch ein wenig zu blass, vielleicht aber auch, weil ich an diesem Tag so Willemijn-fixiert war. Aus der zweiten Reihe ist das wieder etwas ganz anderes. Genauso muss eine Nessa aussehen! Sie ist zart und gebrechlich, das hat wirklich super gepasst. Zu ihrer gesanglichen Darbietung kann ich nicht viel sagen, da war sie recht gut. Schauspielerisch war das wirklich stark, die innere Zerrissenheit im zweiten Akt hat sie sehr deutlich gemacht. Zwar finde ich Nicole insgesamt immer noch ein wenig besser, aber Janine hat mir auch gut gefallen!
Bliebe da noch Stephan L. als Moq. Als ich ihn zum ersten Mal sah, dachte ich: „Selten einen so blassen Darsteller gesehen!“ Das letzte Mal merkte man dann kaum dass er da war. Und – Überraschung – gestern fand ich ihn nicht schlecht! Für mich ist Stefan S. immer noch DER Moq und von einem solch ausgefeilten Rollenportrait ist Stephan noch weit entfernt, aber gestern hat er sich da richtig reingesteigert. Und sogar seine Hetzrede beim Marsch der Hexenjäger hat mir gut gefallen! Aber ich kann ihn einfach nicht ernst nehmen, bei der Körpergröße! Ich muss immer lachen, wenn er auf die Bühne kommt.
Bei allen meinen Besuchen hatte ich Michael als Dillamonth. Und so interessant es auch gewesen wäre, einmal Petter oder Possi in dieser Rolle zu sehen – ich habe mir nie einen anderen gewünscht! Er ist wirklich ein sehr toller Schauspieler, davon könnte sich so manch einer noch eine Scheibe abschneiden. Und gestern Abend war natürlich noch etwas ganz besonders Lustiges, worauf ich später noch eingehen werde.
Das Ensemble war gestern auch sehr stark besetzt, auch wenn ich ein paar Swings, die ich so gern habe im Ensemble, ein wenig vermisst habe, z. B. Petter oder Katrin.
Dennoch sind so viele interessante Leute dabei! Ich finde Andrea immer so toll im Ensemble, er ist bestimmt ein toller Moq! Oder Jimmy, er hat immer so einen verträumten Blick. Filippo finde ich auch immer wieder klasse, wenn er die Zeile „Keiner weint um Hexen!“ singt, bekomme ich immer Gänsehaut. Und natürlich Possi, der tollste Hexenvater seit es Gouverneure gibt! Wie gern hätte ich ihn doch ein zweites Mal als Zauberer gesehen, aber auch seinen Ensemblepart spielt er mit so viel Leidenschaft, das ist einfach nur toll! Schade, dass er nicht mitkommt nach Oberhausen, da wird auf jeden Fall etwas fehlen!
Da dies ein Dernièren-Bericht ist, möchte ich auch ein wenig den Ex-Casties gedenken, vor allem Jana als Glinda und Mark als Fiyero. Aber auch Nicole, Stefan S., Maike, Francesca, Paul oder Jens Simon, der gestern übrigens auch im Publikum war, in der Pause habe ich ihn gesehen!
Es ging los.
Bei „Keiner weint um Hexen“ hatte ich eine richtig dicke Gänsehaut. Als dann Lucy ein letztes Mal in ihrer Bubble herunter geschwebt kam, brach der Saal sofort in Jubel aus. „Schön mich zu sehen, nicht?“ – „Ja!“, rief das Publikum. Und dann setzte Lucy die High Notes an, so glasklar habe ich sie noch nie von ihr gehört! Es war ein Genuss, das anzuhören. Sie ist so eine schöne Erscheinung im Bubble-Kleid! Zu Beginn des Abends war sie auch noch sehr gefasst und konnte sich die Tränen verkneifen. Ich meine auch, Melanie hätte hier einen anderen Regenschirm gehabt als sonst, aber ich war mir nicht sicher. Leider konnte ich, weil Glinda und einige Ozianer im Weg standen, die Szene mit Elphabas Eltern und die Geburt mehr hören als sehen, aber aufgrund der Schreie aus dem Mittelparkett muss Possi Theano wohl ziemlich stürmisch geküsst haben. Nach „Keiner weint um Hexen“ gab es dann ziemlich heftigen Applaus – die Stimmung war gigantisch!
Der nächste Jubel folgte, als Roberta auf die Bühne gelaufen kam. Der Saal hat getobt! In der Zimmerverteilungs-Szene haben alle super gespielt, Roberta war richtig wild und temperamentvoll und Lucy lustig wie immer. Ich liebe es, wenn sie sich meldet und dabei einen hohen Ton à la Kristin Chenoweth raushaut, um die anderen zum Verstummen zu bringen.
„Der Zauberer und ich“ war ganz große Klasse! Roberta hat das Lied mit so viel Herzblut gesungen, und ich liebe es, wenn sie sich auf den Koffer setzt, den Zeigefinger hebt und ihre Stimme so tief verstellt, um den Zauberer nachzuahmen. Den Part ab „Und dann lass‘ ich mich bewundern“ hat sie richtig schön gepowert und bei den letzten Tönen auch einige Riffe eingebaut. Bravo!
„Was fühl‘ ich in mir“ war zum Schießen komisch! Lucy hat nach ihrem „Papsipups“ noch ein Bussi in die Luft gemacht und nach Robertas „Blond“ gab es, wie erwartet, Beifall. Die beiden haben sich gegenseitig richtig herrlich nachgeahmt!
Und dann kam sie – die Geschichtsstunde. Das Publikum ist noch am klatschen und am jubeln wegen der vorherigen Szene, da kommt auch schon Michael Günther herein – mit Sonnenbrille. Und der Applaus, der gerade dabei war nachzulassen, brach wieder aus. „Setzen Sie sich, bitte setzen Sie sich! Ich habe ihre letzten Arbeiten korrigiert und zu meiner Verwunderung konnte ich leider nichts erkennen. Könnte vielleicht jemand das Licht ein wenig aufdrehen?“ Als er bemerkte, dass er eine Sonnenbrille über seinem richtigen Nasenfahrrad trug, zog er sie aus und meinte: „Oh, ich bin wohl gedanklich schon auf den Malediven!“ Nachdem er wieder einmal Probleme mit der Aussprache von Galindas Namen hatte, meinte Lucy: „Erstens weiß ich ja nicht, was daran so schwer sein soll. Die anderen Lehrkräfte sprechen meinen Namen ja auch richtig aus. Und zweitens: Wo sind denn bitte die Malediven?“ Darauf meinte dann Michael: „Jetzt haben wir Geschichte, Geografie ist erst in der nächsten Stunde!“ Lucy und Jessica haben auch rumgealbert und sich gegenseitig so komisch angeschnauzt.
„Nichts ist mehr geheuer“. Michael hat, wie jeden Abend, seinen Hustenanfall. Roberta fragt vorsichtig: „Dr. Dillamonth, geht es Ihnen nicht gut? Soll ich Ihnen vielleicht einen Schluck Wasser holen?“ Michael: „Nein, ein Tequila Sunrise wäre mir jetzt viel lieber!“
Als dann Mathias bei „Tanz durch die Welt“ auf die Bühne gekarrt wurde, setzten auch einige an zu klatschen, leider ließ sich nicht der komplette Saal mitreißen. Den „skandalprächtigen Lebenswandel“ hat Lucy so genial betont, so rauchig und durch die Nase.
Das Ensemble hat getanzt, als gäbe es kein Morgen mehr! Das war wirklich großartig! Was mich nur ein wenig irritiert hat: In der Ozkothek trugen Jonathan Johnson und noch jemand, ich meine es war Robert Knorr, Röcke. Ist das normal so?
Lucy und Mathias haben am Bühnenrand auch so ein tolles Paar abgegeben. Sie haben sich geküsst und sich etwas ins Ohr geflüstert. Die beiden waren immer so knuffig zusammen!
Das erste Mal, dass mir gestern die Tränen kamen, war als Lucy mit Roberta getanzt hat. Sie hat dabei so lieb geschaut, auch ein wenig traurig, das war ein sehr intensiver Moment. Es war totenstill im Saal und auf der Bühne und immer, wenn dann leise die Musik einsetzt, bekomme ich eine Gänsehaut.
Und dann kam „Heißgeliebt“! Das ist einfach Lucys Lied und gestern hat sie das wieder mit so viel Freude gesungen, man hat ihr den Spaß auf der Bühne richtig angesehen. Bei der „vollkommen falschen Einstellung“ hat Lucy Roberta an den Händen genommen und sie über die Bühne gewirbelt. Die beiden haben sich im Kreis gedreht und danach war es ihnen ganz schwindelig, Roberta hat sich lachend aufs Bett sinken lassen und hat sich erstmal die Hand vor die Augen gehalten. Dann hat sie tief durchgeatmet.
„Schau mal Elphie, so wirfst du das Haar zurück. Das ist eine Kunst! Du musst dich besinnen – besinn dich!“ Darauf folgte ein göttliches WuschWusch – das beste, das ich je gesehen habe! Nachdem Roberta gewuscht hat, meinte Lucy: „Elphie, du hast dich nicht besonnen!“
Und dann kam die Verwandlung vom schlichten Kittel in ein atemberaubendes Ballkleid. Lucys erstes „Ballkleid!“ ging leider in der Menge unter, die Musik dazu hat auch gefehlt. Dann hat Lucy den armen Klaus ganz wütend angeschaut, mit dem Stab in seine Richtung in die Luft gestochen und gesagt: „Abgang!“ Dann hat sie zu ihrem zweiten „Ballkleid“ angesetzt. Sie ist in die Hocke gegangen, hat die Position gewechselt, hat sich dann gebückt und den Zauberstab von unten nach oben in Richtung Kittel gewedelt. Dann ist sie mit ausgestrecktem Zauberstab, „Ballkleeeeid!“-schreiend, auf Roberta zugerannt und hat erst kurz vor ihr Halt gemacht. Das war wirklich total lustig!
Da sich Lucy mit Roberta beim „vollkommen neuen Leben“ gedreht hatte, hatte sie ganz vergessen, den Spiegel aus ihrem Schuhregal zu holen und ging vor, zurück und dann wieder vor auf Roberta zu. Als diese dann weg war und Lucy in den Spiegel geschaut hat, hat jemand von weiter hinten ganz laut gepfiffen. Lucy musste lachen – und nicht nur sie. Als „Heißgeliebt“ dann rum war, gab es den bis dahin größten und ausgelassensten Beifall. Völlig zu Recht!
In der Szene mit dem kleinen Löwenjungen haben Mathias und Roberta beide unheimlich stark und intensiv gespielt. Und dann kam „Ich bin es nicht“, das hat mir von Roberta sogar noch ein wenig besser gefallen als von Willemijn, und das will schon etwas heißen! Was mir sonst noch aufgefallen ist: Als Roberta den Umschlag von Barbara überreicht bekommen hat, hat sie ihn erst einmal fallen lassen, hat ihn dann aber direkt aufgehoben.
Und dann kam die Bahnhofszene! Mathias kam die Treppe herunter, läuft mit dem Blumenstrauß in der Hand auf Roberta zu, dreht sich um zu Lucy, sagt: „Oh – hi Süße!“ und überreicht ihr auch ein kleines Sträußchen mit gelben Blumen. Das wurde natürlich auch wieder mit einer Menge Applaus belohnt.
Roberta sagt: „Kommt doch mit!“ Lucy: „Wohin?“ Roberta läuft zum rechten Bühnenrand und holt ein pinkes Köfferchen hervor, welches sie Lucy überreicht: „In die grüne Smaragdstadt!“ Der Anfang von „Nur ein Tag“ ging im Jubel unter. Als die beiden dann von der Bühne sind, um sich umzuziehen, hat Lucy ihr Köfferchen hochgehalten und es gewedelt, beim Abgang gab es auch nochmal Applaus.
Im Abrakadabaret hat Lucy ein Fläschchen Seifenblasen dabeigehabt, die sie um sich herum versprüht hat. Yay!
Das nächste Erwähnenswerte war eigentlich beim Zauberer, als Chistery kam. Er ist über den Boden gehüpft und hat Glinda unter den Rock geschaut.
Dann kam „Frei und schwerelos“. Von der Aussage her liegt der Song ja der Elphaba, wie Roberta sie spielt. Den Teil „auf Erden“ hat sie auch super gesungen, sehr rebellisch. Gestern habe ich auch zum ersten Mal den Lift deutlich erkennen können. Das Finale des Liedes gefällt mir bei Willemijn immer noch besser, das ist einfach ihr Lied! Aber auch Roberta hat es großartig gesungen, ganz auf ihre Art und Weise, und das Publikum ist total abgegangen!
Pause. Ich war so überwältigt! Meine Erwartungen, sowohl an die Stimmung im Zuschauerraum als auch an die Leistung der Darsteller auf der Bühne, wurden bei weitem übertroffen!
Ich konnte das noch nicht glauben. Sonst habe ich immer nur in Berichten von so etwas gelesen, gestern war ich dabei! Und ich war mittendrin, umringt von all den Hardcore-Fans.
In der Pause sind wir mal hoch auf den Rang gegangen und auch so ein bisschen im Theater umher, und als wir zurück an unsere Plätze kamen, lagen an jedem Sitz in den ersten zwei Reihen jeweils drei Blumen. Bevor es weiterging, habe ich mich noch kurz mit Maike unterhalten.
Als dann der 2. Akt eröffnet wurde, gab es direkt Applaus.
„Wie herrlich“ – wie herrlich! Das ist meiner Meinung nach neben „Heißgeliebt“ Lucy stärkste Szene im ganzen Stück, hier wird dem Zuschauer zum ersten Mal richtig deutlich, wie sehr Glinda im Laufe der Zeit gereift ist und wie sehr sie doch zwischen den Fronten steht. Die Verzweiflung und die innere Zerrissenheit hat sie super ausgespielt und auch gesanglich das beste „Wie herrlich“, das ich je von ihr gehört habe.
Zur „Bösen Hexe des Ostens“ kann ich nicht viel sagen, Janine hat mir hier sehr viel besser gefallen als beim letzten Mal. Das einzige, was ich schade finde: Ihren „Elphabaaaa!“-Schrei ganz am Ende hält sie nicht lang genug.
Das „Ich bin es nicht“ Reprise hat Lucy herzzerreißend schön gesungen, da kamen mir auch schon wieder fast die Tränen.
Bei „Solang ich dich hab“ hat es dann richtig geknistert auf der Bühne. Mathias und Roberta waren so ein tolle Paar zusammen, der Kuss nach dem Lied war auch sehr zart und intensiv.
Dann kam der Catfight. Wow – so genial! Die beiden haben sich in der Szene echt gegenseitig an die Wand gespielt! Lucy macht ja nach ihrem „Und was machst du eigentlich die ganze Zeit, außer auf diesem schrappeligen alten Stecken da durch die Gegend zu gurken?“ immer so ein „Häh?!“ Roberta hat nach ihrem „Tja, wir können eben nicht alle per Luftblase an- und abtanzen!“ auch so ein „Häh!?“ gemacht und hat die Stimme dabei so hochgezogen. Es geht zwar nichts über Willemijns Hexenlache, aber die von Roberta war auch unheimlich lustig und gruselig! Und dann kam der Kampf. Die beiden haben sich eine Zeit lang einfach nur wütend angeschaut, dann hat Lucy viel länger als sonst geschnaubt, und dann mussten beide lachen. Das Publikum hat mit Lucy mit geschrien, als sie ihren Stab drehte, ihn wegwarf und auf Roberta losrannte. Dann kamen die Wachen und nahmen Elphaba fest. Eigentlich ist das ja eine sehr ernste Szene, aber die beiden konnten sich nicht beherrschen und Roberta hat ganz laut und herzhaft gelacht. Und als dann auch noch Mathias mit seiner Liane von der Seite an geschwungen kam, war es im Saal nur noch eine einzige Schreierei. Roberta hat ihren Hut auch nicht gefangen und musste ihn aufheben.
So und dann kam es – für mich das Highlight an einem Abend, der mit lauter Highlights gespickt war: „Gutes tun“. Das ist einfach Robertas Lied, sie hat sich so in das Ganze hineingesteigert und für mich ist diese Szene der Knackpunkt des Stückes, der „Point of no Return“ sozusagen. Für ganz Oz will sie nun die böse Hexe sein … Und als das Lied vorüber war, habe ich etwas erlebt, was ich noch nie zuvor im Theater erlebt habe – es gab Standing Ovations während des Stückes! Nach dem göttlich gerifften Schlusston sprangen sofort alle auf. Hoffentlich hat Roberta das mitbekommen, sie hat sich das so sehr verdient!
Den „Marsch der Hexenjäger“ habe ich auch noch nie zuvor so energisch und packend erlebt. Ich fand es richtig packend, als das Ensemble nach Barbaras „Weidmannsheil!“-Rufen (die bei ihr immer nach „Weidmannshei!“ klingen) von hinten wieder vor auf die Bühne gestürmt kam.
Dann kam „Wie ich bin“ und ich weiß nicht, ob es da jemanden im Saal gab, der nicht weinen musste. Roberta setzte die erste Zeile an, man hörte es im Saal tausend Mal knacken und überall leuchten grüne und pinkfarbene Stäbe. Das war eine Atmosphäre, die gar nicht in Worte zu fassen ist. Bei „Und ich hatte so viele Freundinnen“ ist Lucy vor lauter Weinen die Stimme weggebrochen. Die beiden schauen sich ja die meiste Zeit des Stückes gegenseitig an, und als Lucy ihren Kopf dann dem Zuschauerraum zuwendet, musste sie ziemlich heftig weinen und sang mit ganz tränenerstickter Stimme. Da wär ich am liebsten auf die Bühne gekommen und hätte sie geknuddelt – aber das hat Roberta ja schon für mich gemacht. Nach dem Lied hat Roberta Lucy einen Kuss auf den Mund gegeben und die beiden wollten sich gar nicht mehr loslassen. Die Zuschauer haben auch getobt. Bei der Hexenschmelze war ich dann richtig traurig, da wurde mir dann zum ersten Mal bewusst: Das ist heute das letzte Mal, dass es hier über die Bühne geht! Und gleich ist alles vorbei! Lucy musste auch die ganze Zeit weinen.
Beim Zauberer im Audienzzimmer gab es dann noch eine kleine Änderung. Nachdem Glinda sagte, der Zauberer solle Oz verlassen und nie wieder zurückkehren, sagte Carlo: „Jawohl, ich emigriere nach Oberhausen!“
Beim Finale holten auch alle wieder ihre Knicklichter raus. Hach, war das traurig! Lucy hat auch gesungen: „Ihr wart da, darum hab ich mich verändert!“
„Keiner weint um Hexen! Hexen! Hexen!“ Stille. Das Licht geht aus. Sofort tosender Beifall! Direkt stand der ganze Saal und die Stimmung war der Wahnsinn. Da mein Vater filmte, hatte ich sechs Blumen zu werfen. Die Darsteller ertranken wirklich in einem Blumenmeer und ich fand es auch schön, dass viele nicht erst bei Roberta und Lucy geworfen haben, sondern vorher schon. Die Casties waren alle sehr gerührt und auch sichtlich traurig, dass es nun vorbei war.
Ich fand es auch sehr gut und entgegenkommend vom Theater, dass wir die Genehmigung zum Filmen und Fotografieren während des Schlussapplauses hatten. Das haben viele auch ausgenutzt!
Alle Darsteller haben einen Blumenstrauß überreicht bekommen. Antonio Schmidt, der Theaterleiter, kam auch wieder auf die Bühne und bat das Orchester und die Mitarbeiter auf die Bühne. Für sie war es sicher auch schön, Applaus zu bekommen zur Würdigung und Anerkennung ihrer Arbeit.
Nachdem der Vorhang heruntergefallen war, blieben wir noch stehen und jubelten, bestimmt drei Minuten … „Die lassen uns aber lange warten!“, dachte ich mir. „Kommt da jetzt noch was?“ Und tatsächlich – Herr Schmidt kam wieder zusammen mit Roberta und Lucy auf die Bühne. Die beiden haben sich noch einmal umarmt, haben gewunken und sind von der Bühne gegangen. Aus und vorbei … Ich wollte am liebsten gar nicht gehen, wollte nicht wahrhaben, dass es vorbei war. Als Erinnerung brach mein Vater für mich noch einen kleinen Ast Wicked-Kulisse ab. „Das Holz schmeißen die morgen eh weg!“, sagte er. Und so habe ich nun ein kleines Stückchen Holz in meiner Vitrine liegen. Dafür werden mich meine Gäste verrückt halten, aber – da hängen so viele Erinnerungen dran! *lach*
An die StageDoor sind wir nicht mehr gegangen. Vor uns lagen zweieinhalb Stunden Fahrt, auf der wir vom Schnee überrascht werden könnten, außerdem war ich mir gar nicht sicher, ob so früh überhaupt schon jemand von den Casties rauskommt, da sie ja alle noch Aftershow-Party hatten.
Ich bin mit einem lachenden und einem weinenden Auge nach Hause gefahren. Froh, dankbar, unendlich dankbar, dass ich dabei sein durfte, aber auch traurig, dass es das letzte Mal war – nicht nur für mich, sondern für alle Beteiligten.
Nachdem ich mit meinem Vater auf der Rückfahrt im Auto ein wenig über die Charakterzeichung und die Parallelen zum Zauberer von Oz philosophiert habe, bin ich zuhause wiedermal todmüde und überglücklich in mein Bettchen gefallen, wo ich bis heute Morgen um halb elf tief und fest geschlafen habe.
Abschließend bleibt nur zu sagen, dass das gestern für mich rückblickend der mitreißendste, packendste und überwältigendste Theaterbesuch war, dem ich je beiwohnen durfte. Ich selbst bin, auch wenn ich es im Laufe der letzten zwei Jahre nur viermal live sehen durfte, Wicked-Fan der ersten Stunde. Ich habe damals der Castpräsentation, der Premiere, der Veröffentlichung des Castalbums und allem was sonst noch so war, entgegengefiebert. Mit Faszination habe ich die ersten Showberichte gelesen und wollte es so gern sehen. Und auch wenn ich nur viermal in Stuttgart war, so war es immer ein beruhigendes Gefühl zu wissen, es ist noch da. Schön, sich täglich mit anderen darüber auszutauschen, die die Leidenschaft zum Stück miteinander verbindet. Immer, wenn ich den Theatersaal betrat, war das ein Gefühl, das ich sonst im Alltag nie erlebe. Es ist, und das habe ich schon in meinem letzten Bericht geschrieben, wie ein Nachhause-Kommen, nachdem man für ewige Zeit fort war. Und guess what? – ich bin stolz auf meine vier Shows, da jede für sich etwas ganz Besonderes war. Ich habe aus dieser Zeit sehr viel mitgenommen und der gestrige Tag war ein wundervoller Abschluss für die letzten zwei Jahre. Diese Zeit, das weiß ich, werde ich nie vergessen und ich werde sehr viel daraus mitnehmen.
Statt dieser Ära nachzutrauen, sollte man nun in die Zukunft blicken, dem Umzug von Wicked und dem Empfang der Vampire optimistisch entgegensehen.
Denn wie heißt es so schön: „Die eine Tür schließt sich, die nächste geht auf.“
Wenn eine solche Tür geschlossen wird, dann sollte man sich auch damit abfinden, sie nicht mehr öffnen zu können, statt daran festzuhalten und zu rütteln. Was mir bleibt, ist der Schlüssel, den ich in meinem Herzen trage – und ein Stück Holz in meiner Vitrine.