Spätabtreibung

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June
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Spätabtreibung

Beitragvon June » 11.06.2008, 17:21:40

Habt ihr eine Meinung zu Spätabtreibungen?
Kriegt ihr davon überhaupt irgendwas mit?
Würd mich mal ganz allgemein interessieren...
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Beitragvon Kitti » 11.06.2008, 19:25:25

Ich habe nur mal im Pädagogikunterricht davon gehört. Wenn das angeblich behinderte Kind nicht zu spät abgetrieben und nach der Geburt liegen gelassen worden wäre, hätte es viel bessere Chancen auf ein halbwegs normales Leben gehabt. Dieses Kind wurde danach an eine Pflegefamilie gegeben und die Geschichte fand ich schon ziemlich schwierig.
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Beitragvon Sisi Silberträne » 11.06.2008, 23:05:19

Kitti, das versteh ich jetzt nicht o_O Wenn es abgetrieben wurde, wie kann es bei einer Pflegefamilie sein?

Alles in allem ist Abtreibung an sich ja schon ein schwieriges Thema. Ab der 12. Woche wird es ja dann nur noch in wirklichen Ausnahmefällen gemacht, z.B. wenn eine sehr schwere Behinderung festgestellt wird. Vieles kann heutzutage ohnehin schon behoben oder zumindest verbessert werden, mitunter auch bereits vor der Geburt, aber eben nicht alles. Es gibt wirklich schwere Krankheiten, die einfach kein auch nur annähernd normales Leben erlauben, weder für das Kind, noch für sein Umfeld. Spontan fallen mir zum Beispiel Glasknochen ein.

http://de.wikipedia.org/wiki/Glasknochen

Im Umfeld meiner Verwandtschaft gab es ein Kind, das daran litt. Das Mädchen wurde vier Jahre alt. Und in dieser kurzen Zeit hat es wahrscheinlich mehr das Krankenhaus von innen gesehen als alles andere.

Es gibt Fälle und Situationen, in denen ich durchaus auch eine Abtreibung nach der 12. Woche für vertretbar halte. Nämlich wenn eine so schwere Krankheit bei dem Ungeborenen diagnostiziert wird, dass es vielleicht oder sogar sehr wahrscheinlich nicht einmal alt genug wird, um den ersten Schultag zu erleben, oder auch den ersten Tag im Kindergarten. Bei einer so schweren Krankheit ist dann ja selbst diese kurze Zeit eher ene Zeit im Krankenhaus, denn irgendwo sonst. Sowas muss auch für die Eltern extrem belastend sein, so sehr, dass wahrscheinlich selber nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Wie sollen sie da auch noch ihrem Kind wirklich helfen?

Es ist wirklich ein extrem schwieriges, beklemmendes Thema, genau wie Sterbehilfe, die Richtung ist im Grunde ja auch die ganz gleiche...
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Beitragvon Kitti » 12.06.2008, 13:50:42

Sisi: Ich habe jetzt noch mal nachgeschaut, wie genau der Fall lautete. Es wurde eine Frühgeburt eingeleitet, also war es eine Spätabtreibung. Normalerweise ist dies das Todesurteil für das Baby, aber es kam lebend zur Welt. Er wurde 9 Stunden liegen gelassen, da man davon ausging, dass er ohnehin bald sterben würde. Durch diese Umstände wurden Gehirn, Lunge und Augen zusätzlich geschädigt. Das Leben des Kindes hing sozusagen am seidenen Faden. Die leiblichen Eltern wollten nichts mit dem Kind zu tun haben und deshalb wurde er in eine Pflegefamilie gegeben. Dieser Pflegevater hat eben gesagt, dass der Junge es viel besser haben könnte, wenn die Spätabtreibung nicht gewesen wäre.
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Beitragvon June » 12.06.2008, 14:17:42

Das ist meiner Meinung nach mit das schlimmste an dem ganzen Thema Spätabtreibung. Es ist legal ein behindertes Kind abzutreiben (egal in welchem Monat), aber falls es "schief geht" und das Kind doch lebend zur Welt kommt, ist der Arzt eigentlich verpflichtet, alles dafür zu tun, das Kind am Leben zu erhalten?
Wie findet ihr denn das? :?
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Beitragvon ChristineDaae » 12.06.2008, 14:29:48

Also ich finde, wenn sich die Eltern aufgrund einer diagnostizierten Behinderung bei ihrem Kind zu einer Spätabtreibung entscheiden, dann sollte das auch durchgezogen werden.
Ein Kind erst abtreiben zu wollen und dann, wenn es noch lebt, das ganze plötzlich doch abbrechen zu wollen, finde ich nicht gut. Dann hat das arme Kind doch noch viel mehr zu leiden...
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Beitragvon June » 12.06.2008, 14:34:15

naja das ist aber Gesetz, Christine :wink:
solange es noch nicht auf der Welt ist, darf getötet werden
falls es lebt, muss alles getan werden, dass es am Leben bleibt
aber es gab auch schon Fälle, wo Ärzte verschwiegen haben, dass Kinder doch noch lebend auf die Welt kamen....

weiteres Problem ist, das auch schon komplett gesunde Kinder abgetrieben wurde bzw. man sie abtreiben wollte. Fehldiagnostik.
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Beitragvon ChristineDaae » 12.06.2008, 14:39:21

June hat geschrieben:naja das ist aber Gesetz, Christine :wink:



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Re: Spätabtreibung

Beitragvon Sisi Silberträne » 06.04.2009, 18:20:30

Was mir zu diesem Thema noch einfällt, weil ich darüber gelesen habe, sind Deformationen wie zum Beispiel Anencephalie. Das im Speziellen ist eine schwere Fehlbildung des Gehirns, bei dem Teile dieses praktisch nicht ausgebildet sind. Ein Baby, das daran leidet, kann zwar durchaus lebend auf die Welt kommen, aber mehr als einige Stunden oder höchstens ein paar Tage wird es nicht überleben. Das ist ein besseres Beispiel als Glasknochen oder Downsyndrom. Ein Mensch mit Trisomie 21 kann ja ohne Weiteres ein langes zufriedenes Leben führen, anders natürlich, als das eines gesunden Menschen, aber deswegen nicht weniger glücklich. Eine Fehlbildung, so wie Anencephalie, bei denen ein Kind ganz einfach nicht lebensfähig ist, rechtfertigt meiner Meinung nach eine Spätabtreibung vollkommen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Anencephalie
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Re: Spätabtreibung

Beitragvon Duckly » 06.04.2009, 23:25:47

Vielleicht mal ganz interessant zur Information =>

In § 218 StGB heißt es:
Wer eine Schwangerschaft abbricht wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Handlungen deren Wirkung vor Abschluss der Einistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter eintritt, gelten nicht als Schwangerschaftsabbruch im Sinne des Gesetzes.

<= Ein Schwangerschaftsabbruch ist also grundsätzlich strafbar.

=> Nun zu den Einschränkungen:

In § 218a IV heißt es:
Der Tatbestand des § 218 ist nicht verwirklicht, wenn seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.

Darüber hinaus ist auch die zwingende Beratungspflicht des § 219 StGB zu beachten:
[...]
§ 219 I 3 => Dabei muss der Frau bewusst sein, dass das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und dass deshalb nach der Rechtsordnung ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann, wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die so schwer und außergewöhnlich ist, dass sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt.

<= Vorrangig ist also zunächst einmal der Schutz und die Bewahrung des ungeborenen Lebens =>

Gemäß § 218a gilt dann noch, dass der Schwangerschaftsabbruch dann nicht nach § 218 strafbar ist, wenn der Schwangerschaftsabbruch nach Beratung von einem Arzt vorgenommen worden ist und seit der Empfängnis nicht mehr als zweiundzwangzig Wochen verstrichen sind.

<=

Ein Blick in das Gesetz ist in diesem Zusammenhang gerade schon deshalb interessant, weil der Schwangerschaftsabbruch, wie sonst kaum ein zweites Delikt im StGB ausführlich geregelt ist. Ähnliche Ausführungen findet man allenfalls noch zu den Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung.
Nach herrschender Meinung beginnt das Leben im strafrechtlichen Sinne mit der Geburt. Somit könnte man nun meinen, dass dann der Embryo nicht schützenswert sei, da dieser eben noch kein Leben im Sinne des Strafrechts darstellt. Allerdings spielt dies auch keine Rolle, da das Strafrecht auch das ungeborene "Leben" schützt. So kann wegen Art. 1 GG auch die Frage aufgeworfen werden, ab wann man denn ein Mensch ist. Erst mit der Geburt oder bereits ab einem gewissen Stadium der Schwangerschaft. Immerhin gilt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. So hat sich auch das BVerfG noch nicht eindeutig festgelegt und sieht es als vertretbar an den Schutz schon mit der Befruchtung der Eizelle beginnen zu lassen oder erst 14 Tage nach der Empfängnis ( sog. Nidation ).
Dem trägt das Strafrecht insoweit Rechnung, als das es zunächst den Schutz des Embryos in den Vordergrund stellt.

Das aus rein rechtlicher Sicht.

Moralisch stellt sich insoweit tatsächlich die Frage, ob eine Spätabtreibung nicht schon dadurch hätte verhindert werden können, dass die Entscheidung über eine solche schon früher gefällt worden wäre. Die Untersuchungsmöglichkeiten sind heute so genau, dass man schon sehr früh ( im Zeitraum der Abbruchsmöglichkeit ) erkennen kann, ob das Kind gesund ist. Dem trägt auch das Gesetz Rechnung. Wenn jemand sich bis dahin nicht entschieden hat, soll er nicht plötzlich die Möglichkeit haben, dass Kind doch nicht zu wollen. Ein Kind ist kein Gegenstand, den man einfach so wegwirft, wenn er einem nicht mehr gefällt. Das es heute leider oftmals anders ist, zeigen die sog. Müllcontainer- oder Tiefkühltruhenfälle. Um Frauen in Ausnahmesituationen zu helfen, gibt es auch die zahlreichen Beratungsmöglichkeiten.
Wenn ein Kind erst einmal auf der Welt ist, ist es auch nicht mehr legitim dieses einfach zu töten. Das wäre dann, je nachdem, ob man sich der Meinung anschließt, dass ein Kind keinen Argwohn empfinden kann ein Totschlag und ansonsten Mord, der nach Ansicht der Rechtssprechung nur eine Minderung der Schuld nach sich ziehen kann, wenn es sich um eine zu billigende Ausnahmesituation handelt. Ist dies nicht der Fall ist sogar zwingend auf lebenslage Freiheitsstrafe zu erkennen.

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Re: Spätabtreibung

Beitragvon Piano » 15.04.2009, 10:30:36

Ich finde das Thema Abtreibung sehr schwierig. Einerseits finde ich, dass jedes Kind prinzipiell das Recht auf Leben hat. Für mich sind Behinderungen kein Abtreibungsgrund. Wenn das Kind nur ein kurzes Leben ins Aussicht hat und in dieser Zeit viel leiden müsste, finde ich es aber gerechtfertigt, wenn man ihm dieses Leid ersparen will. Aber ich finde, man sollte immer nur nach dem Wohl des Kindes gehen und nicht danach, ob die Eltern z.B. mit einem Kind mit Down-Syndrom überfordert wären. Man kann das Kind immer noch zur Adoption freigeben, wenn man will. Ich finde es aber schlimm, dass viele ihre Kinder mit Trisomie 21 abtreiben lassen, da ich als Kind sehr gut mit jemandem befreundet war, der unter dieser Krankheit leidet. Und ich habe selten so lebensfrohe Menschen erlebt.

Wenn jetzt Kinder nach einer Vergewaltigung schwanger werden, ist es, finde ich, auch gerechtfertigt, da da auch das Leben der Mutter gefährdet wäre.

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Re: Spätabtreibung

Beitragvon Sisi Silberträne » 09.01.2010, 23:57:05

Piano hat geschrieben:Ich finde das Thema Abtreibung sehr schwierig. Einerseits finde ich, dass jedes Kind prinzipiell das Recht auf Leben hat. Für mich sind Behinderungen kein Abtreibungsgrund. Wenn das Kind nur ein kurzes Leben ins Aussicht hat und in dieser Zeit viel leiden müsste, finde ich es aber gerechtfertigt, wenn man ihm dieses Leid ersparen will. Aber ich finde, man sollte immer nur nach dem Wohl des Kindes gehen und nicht danach, ob die Eltern z.B. mit einem Kind mit Down-Syndrom überfordert wären.

Man sollte allerdings auch daran denken, was sein wird, wenn so ein Kind erwachsen wird. Früher hat hier im Haus eine Familie gewohnt, deren Sohn die Trisomie 21 hat. Die sind nach dem Tod der Mutter weggezogen, da war er aber schon über vierzig. Die Schwester hat praktisch kein eigenes Leben, weil sie sich um den Bruder kümmert. So etwas ist eine Lebensaufgabe. Was soll jedoch aus einem solchen Menschen werden, wenn niemand mehr da ist, der sich um ihn kümmern kann?
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